Fotografie:Die Anmut der Formel 1

Joshua Paul

Die Formel 1 in Schwarz-weiß, festgehalten mit einer über hundert Jahre alten Kamera.

(Foto: Joshua Paul)

Kann es sein, dass Motorsport schön ist? Joshua Paul fotografiert Fahrer, Autos und Grid-Girls - mit einer 104 Jahre alten Kamera.

Von Johanna Dürrholz

Nachdenklich steht er da, in Schwarz-weiß, und mit einer angedeuteten Sorgenfalte zwischen den Brauen. Ein Blick, der gleichsam gedankenverloren und zielstrebig ist. Auf dem nächsten Bild sitzt er schon im Wagen, der aussieht wie ein gigantisches Spielzeugauto, und rast durch grauneblige Luft auf gerader Straße dahin. Es ist Formel-1-Rennfahrer Daniel Ricciardo, der da abgelichtet wurde. Von einer 104 Jahre alten Kamera.

Der Fotograf Joshua Paul macht mit diesem Apparat Aufnahmen von modernen Autorennen - und zeigt eine neue Seite des Motorsports. Paul erhielt die Kamera von seinem Dozenten, als er Fotografie in Pasadena studierte, wie er einem Online-Magazin berichtete. Es handelt sich dabei um das gleiche Modell, das die berühmte Fotoreporterin Margaret Bourke-White einst verwendete. Motorsport interessierte den Fotografen ursprünglich nicht. 2013 fuhr er nach Barcelona, um die Band Blur auf dem Primavera Sound Festival zu sehen. Zur selben Zeit fand in der Stadt auch ein Autorennen statt, Paul akkreditierte sich. Und schoss zum ersten Mal Fotos von Rennwagen.

Seine in Barcelona entflammte Begeisterung für den Sport verwandelt Paul seither in dynamische Aufnahmen, die er in seinem eigens gegründeten Formel-1-Magazin veröffentlicht. Die Bilder erforden ein erhebliches Fingerspitzengefühl: Während moderne Kameras bis zu 20 Fotos in der Sekunde schaffen, so kann Paul mit seinem Apparat gerade einmal 20 Bilder pro Film machen. Das Timing muss also stimmen. Doch nicht nur die alte Kamera stellt dabei eine Herausforderung dar: "Ein Formel-1-Rennen festzuhalten, ist generell sehr schwierig. Mit meiner Kamera ist es dann eben ein langer Prozess, Fotos zu schießen," erklärt Paul im Interview. Und dieser Prozess gehe nicht immer gut aus. Unter Umständen fotografiert er dann schon mal einen ganzen Tag, ohne dass ein einziges brauchbares Bild entsteht. "Dabei kann eine Menge Film draufgehen."

Die Formel 1 ist üblicherweise keine besonders geschmackvolle Angelegenheit. Beißender Benzingeruch und biertrinkende Besucher, leicht bekleidete Damen, die Nummern in die Luft und Köpfe nach gut betuchten Motorsport-Managern recken. Rauchender Schrott, der in der Sonne schmort. Dann die obligatorische Champagnerdusche, die Haare und Augen verklebt. Und Paul fotografiert das alles: Fahrer, Grid-Girls, Autos, Straßen. Doch sein unkonventioneller Stil, die Schwarz-weiß-Bilder aus dem Uralt-Apparat und sein Auge für Details offenbaren eine ungeahnte Anmut der Rennstrecke. Kann es sein, dass die Formel 1 schön ist?

In Pauls Aufnahmen kann man den Asphalt der heiß gefahrenen Strecke fast riechen, spürt beinahe den Wind, der sacht um die Fahrer streicht und die Boxenluder in den Kniekehlen kitzelt. Nie hat man Erwartungen und Enttäuschungen der Formel 1 so nah gesehen, komprimiert zu zeitlosen Schwarz-weiß-Fotos, die fragen: Wovon träumt ein Grid-Girl? Welche Chancen rechnet sich Daniel Ricciardo fürs nächste Rennen aus? Pauls Bilder geben den Blick frei auf eine ungeahnte Tiefe des Motorsports, sind mal melancholisch, mal optimistisch. Tatsächlich, die Formel 1 ist schön.

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