Fotografie:Annemarie Schwarzenbach

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(Foto: Annemarie Schwarzenbach)

Die Fotos, die Annemarie Schwarzenbach 1938 aus Kabul mitbrachte, sind bei Wikipedia zu erleben.

Von Catrin Lorch

Reisen wie diese sind in der Literatur Legende: die Tour nach Afghanistan beispielsweise, für die sich an einem Junimorgen des Jahres 1938 zwei junge Frauen in Genf in einen offenen Ford setzen, im Gepäck Kamera und Schreibsachen, Ziel Kabul. Annemarie Schwarzenbach, dreißigjährige Tochter wohlhabender Industrieller, ist Journalistin und Schriftstellerin, ihre Begleiterin Ella Maillart eine Olympiaseglerin und Stuntfrau, die sich als Ethnologin profilieren möchte.

Über Istanbul, das Schwarze Meer, Teheran und Herat geht ihre Fahrt, sie durchqueren den Hindukusch und erreichen Kabul. Die Eindrücke dieser Reise, die Reportagen und Erzählungen, sind unter dem Titel "Alle Wege sind offen" berühmt. Die unerschrockene Annemarie Schwarzenbach, Freundin von Erika und Klaus Mann, ist zwar bekannt, doch entspricht ihr Rang als Fotografin nicht ihrer Bekanntheit als Autorin - die schwarz-weißen Fotografien wurden meist als Zugabe ihrer Feuilletons gesehen.

Das könnte sich jetzt ändern: Das Schweizerische Literaturarchiv hat mehr als 3000 Fotografien aus ihrem Nachlass zu ihrem 75. Todestag bei Wikimedia Commons online gestellt. Und diese Fotografien bezeugen das gewaltige visuelle Können dieser unerschrockenen Dokumentaristin: Irak, Ostafrika, die Südstaaten der USA und Ostpreußen - die sorgfältig komponierten Bilder sind keine Schnappschüsse, sondern zeigen ein waches Interesse am Schicksal der Menschen und an der Politik. In Danzig fotografiert Schwarzenbach NS-Flaggen am Straßenrand und die Exotik eines Zeitungskiosks, an dem zwischen der BZ, Filmwoche und Hausfrau die Ausgabe des Stürmers in Riesenlettern mit dem Titel "Jüdische Blutschande" auffällt. Die Betroffenheit der lesbischen, weltgewandten Frau, die sich die Welt erschließt, kennzeichnet dann nicht nur die treffend formulierte Kritik der Autorin am Tschador, der "nicht nur Unfreiheit" bedeute, sondern auch "unwürdige Furcht vor dem Leben, Unwissenheit, Enge". Jetzt hat man fast das Gefühl, dass man die Fotografin Annemarie Schwarzenbach dabei begleiten kann, wie sie im Straßenbild mit der Kamera Frauen und Kindern ein Gesicht gibt.

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