Foto-Ausstellung:Unter Druck

Der amerikanische Fotograf Will Steacy erzählt in seiner Dokumentation "Deadline" vom Verschwinden der Tageszeitung "The Philadelphia Inquirer", dem Jobverlust seines Vaters und von der Erosion der Gesellschaft

Von Evelyn Vogel

Noch 25 Jahre - dann ist es aus und vorbei. Im Jahr 2040 wird die letzte gedruckte Tageszeitung von der Rotation laufen. Das jedenfalls hat der Zeitungswissenschaftler Philip Meyer vor gut zehn Jahren in seinem Buch über das Verschwinden der Zeitung - und die Rettung des Journalismus - prophezeit. Und ob Meyer mit seiner konkreten Vorhersage nun richtig oder falsch oder nur knapp daneben liegen wird, richtig ist: Das Tageszeitungsgeschäft wird immer schwieriger.

Wie hart umkämpft der Zeitungsmarkt ist, hat sich schon früh in den USA gezeigt. Der amerikanische Fotograf und Schriftsteller Will Steacy hat sich mit vielen seiner Projekte dem gesellschaftlichen Wandel, der Erosion gewidmet. Von 2009 bis 2013 stand jenes Blatt im Mittelpunkt seiner fotodokumentarischen Arbeit, mit dem er aufwuchs: der Philadelphia Inquirer. Der kleine Will spielte als Kind zwischen den Druckerpressen. Schon der Großvater war dort Redakteur. Über fünf Generationen hinweg waren Familienmitglieder der Steacys Journalisten im Zeitungsgeschäft: Angefangen von einem Ur-Ur-Ur-Urgroßvater, der 1876 Herausgeber einer Zeitung war, bis hin zum Vater - der schließlich 2011 nach 29 Jahren in der Redaktion des Philadelphia Inquirer entlassen wurde. Zu dieser Zeit hatte der Um- und Rückbau des Blattes - immerhin drittälteste Tageszeitung in den USA, die als eine der ersten den Newsroom einführte, und ausgezeichnet mit nicht weniger als 18 Pulitzer-Preisen - längst ihren Lauf genommen. Die Redaktion war massiv geschrumpft, aus dem einst stolz "Tower of Truth" genannten Verlagsgebäude musste man ausziehen.

Mit der Entlassung des Vaters hatte sich für den Autor auch eine private Ebene in die Dokumentation hineingeschoben. So hat Will Steacy die Veränderung des Philadelphia Inquirer nicht nur fotografiert, er ging auch ins Archiv, suchte altes Bildmaterial und alte Geschichten heraus. Entstanden ist ein riesiges Kompendium aus Bild und Text. Jedes Foto ist mit Datum und Uhrzeit versehen. Vor einem Jahr erschien in Philadelphia eine 80-seitige Ausgabe, gedruckt auf Zeitungspapier, die 70 Essays von ehemaligen und derzeitigen Mitarbeitern enthielt.

Nun hat der Münchner Kurator Stefan-Maria Mittendorf im Rahmen des siebten Kunstprojekts der Kreativagentur hw.design das Projekt "Deadline" von Will Steacy in etwas kleinerem Umfang eingerichtet. Neben der Ausstellung, die 26 Zeitungsseiten präsentiert, erscheint auch eine Publikation mit einem umfangreichen Vorwort von Mittendorf. Beides wird an diesem Dienstagabend in der seit wenigen Monaten bestehenden Pop-up-Galerie easy!upstream in der Türkenstraße präsentiert. Ein guter Ort, der ebenso wie das "Deadline"-Projekt und die Arbeit der Design-Agentur, für Transformation und veränderte Kommunikationswege steht, genau wie die Tageszeitungen.

Vielleicht wird es in 25 Jahren tatsächlich keine gedruckte Zeitung mehr geben, weil alle Inhalte nur noch digital verbreitet werden. Vielleicht wird es nur noch sündteure Premium-Abos für Print-Nostalgiker geben. Vielleicht ist die Tageszeitung aber trotz und neben der Digitalisierung auch nicht tot zu kriegen. Etwas Zeit bleibt ja noch - 25 Jahre oder so.

Will Steacy: Deadline. Publikationspräsentation und Ausstellungseröffnung, Dienstag, 8. Dezember, 19 Uhr, easy!upstream, Türkenstraße 67, bis Freitag, 11. Dezember, jeweils 11-18 Uhr. www.hwdesign.de/agentur

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