Forum: Autoren:Kann und könnte

Elke Schmitter, neue Kuratorin des Literaturfests, im Literaturhaus

Mit Konzept und Sinn für die Wirklichkeit: die Kuratorin Elke Schmitter.

(Foto: Florian Peljak)

Kuratorin Elke Schmitter hat für das Forum: Autoren das Motto "ein wort gibt das andere" erdacht. Die Möglichkeiten der Sprache stehen im Fokus.

Von Antje Weber

Diese Frau liebt den Konjunktiv. Ihr erster eigener Lyrikband verriet das bereits: Er hieß "Windschatten im Konjunktiv". Schlägt man Elke Schmitters späteren Roman "Veras Tochter" auf, so tritt darin der Konjunktiv gleich auf der ersten Seite aus dem Schattendasein heraus; er stellt sich sozusagen, um im windschiefen Bild zu bleiben, der heranwehenden Romanwirklichkeit: "Worte wie ,sollte' oder ,müsste' drücken nicht aus, was man will oder wie man sich fühlt", heißt es da, "sie haben gar nichts mit einem selbst zu tun, sondern nur mit Konzepten: das sollte ich wollen, das müsste ich können, so würde ich sein."

Elke Schmitter, so könnte man also festhalten, ist eine Frau mit einem großen Möglichkeitssinn. Und: Die 55-jährige Autorin und Spiegel-Journalistin liebt die Sprache - und Konzepte. All diese Vorlieben kann sie als Kuratorin des "Forum:Autoren" nun aufs Schönste vereinen. Natürlich kommt bei der Wahl ihres Mottos "ein wort gibt das andere" auch die Philosophin Schmitter durch, die einst in München studierte. Ob die Kleinschreibung des Mottos Zufall sei, wollte Kulturreferent Hans-Georg Küppers bei der Pressekonferenz zum Literaturfest wissen. "Nein, Konzept!", konterte Schmitter blitzschnell. Ja, was sonst?

Welche Beziehungen bestehen zwischen Sprache, Dichtung und Politik?

Bei ihrem Motto "ein wort gibt das andere" geht es Schmitter, man ahnt es, um die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache; dabei schwingt für sie auch Ludwig Wittgensteins berühmter Satz "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt" mit. "Welche Beziehungen bestehen zwischen Sprache, Dichtung und Politik?", fragt sie zum Beispiel, und antworten werden darauf insbesondere die Nobelpreisträgerinnen Herta Müller und Swetlana Alexijewitsch, die gleich zu Beginn über "Sprache und Poesie in Diktaturen" diskutieren - und sich bei ihrer ersten Begegnung vermutlich einiges zu sagen haben.

"Wo treffen sich Sprache und Musik?", auch das fragt Schmitter. Als Antwort lässt sie zum Beispiel bei einem Symposium im Literaturhaus die neuseeländische Lyrikerin Hinemoana Baker maorische Songs und Gedichte vortragen; außerdem sollen bei einem Abend mit dem Mesconia Streichquartett Schubert-Gedichtvertonungen in einen Dialog mit Versen des Syrers Yamen Hussein treten. "Wie verändert die Digitalisierung unseren Umgang mit Sprache?", noch so eine Frage; Schmitter hat den Medienwissenschaftler Jochen Hörisch mit der Antwort beauftragt. Zu guter Letzt soll auf einem Übersetzertag über das Thema "Was können Übersetzungen?" gesprochen werden - und gesungen, denn Schauspieler Hanns Zischler übt mit Schauspielschülern einen "Dichtungschor" ein.

Fragen über Fragen also - und Antworten, die nicht vorhersehbar sind. "Ich will etwas lernen", sagt die Kuratorin, "am wichtigsten sind mir die Veranstaltungen, bei denen man nicht weiß, was rauskommt." Denn: "Ich langweile mich selbst so schnell, ich habe keine Geduld." Daher hat sie jede Menge interessanter Mitstreiter gewonnen und will mit ihnen "ins Offene rein". Dass manche Veranstaltungen - abgesehen von sicherlich problemlos abschnurrenden Lesungen von Katja Lange-Müller bis Raoul Schrott - auch ein gewisses Risiko bergen, ist Schmitter nicht nur bewusst, sie sucht es geradezu: An einem Abend wird sie sogar selbst vertonte eigene Gedichte singen. Wenn sie jedenfalls vor Begeisterung sprudelnd ihre höchst unterschiedlichen Gäste beschreibt, dann wirkt das so mitreißend, dass man sich sofort für sämtliche Veranstaltungen einschließlich Symposium anmelden möchte.

Schmitter kann vom so klugen wie umgänglichen Medienwissenschaftler Hörisch genauso schwärmen wie von der Lyrikerin Ulrike Draesner oder vom Philologen Jürgen Trabant, der nicht nur "fantastische Bücher" geschrieben habe, sondern auch "ein Super-Typ" sei. Sie erwartet neben vielem anderen gespannt den "irre anschaulichen" Vortrag von Mandana Seyfeddinipur, die als Leiterin eines Londoner Instituts für bedrohte Sprachen vom Verschwinden vieler Idiome erzählen wird - übrigens auf Deutsch. Das Symposium, bei dem dies geschieht, moderiert Schmitter zusammen mit der Schriftstellerin und Publizistin Hilal Sezgin, einer Tierrechtlerin und studierten Philosophin: "Die kommt beinhart aus der Aufklärung, ist extrem witzig und einer der schlauesten Menschen, die ich kenne."

Schnell in Kopf und Wort ist auch Schmitter selbst, eine unkonventionell denkende und flapsig formulierende Intellektuelle; selbst der seit Jahrzehnten immer anders und doch ähnlich kunstvoll-unordentlich hingewuschelte Haarschopf scheint in ihrem Fall Programm zu sein, will heißen: Konzept. Ehrfurcht soll ihre Literaturfest-Idee, sollen viele unbekannte und schwierig auszusprechende Namen jedoch nicht einflößen, das ist Schmitter sehr wichtig. "Die Leute sollen keine Schwellenangst haben", sagt sie, "es soll nicht akademisch sein!" Sie hofft vielmehr darauf, beim Symposium "gemeinsam zu denken", ja gar in einer "Gedanken-Sauna" zu sitzen. Die Zuhörer sollen dabei nicht nur schwitzen, sondern selbst mitreden; auch bei den spätabendlichen "Bänkelbars" im kleinen Hofspielhaus werden sich die Performer und ihre Gäste vermutlich zwanglos näherkommen.

Das passt zu dem, was Schmitter vor einem Jahr bei einer Preisverleihung der taz sagte, deren Chefredakteurin sie auch einmal war. Es ging in ihrer Rede um ehrenamtliches Engagement, es ging um die oft geringe Empathie in unserer Gesellschaft. Elke Schmitter pries die Tatkraft von Menschen, die nicht passiv bleiben. Jeder könne das, sagte sie, "vom Fühlen zum Denken und vom Denken zum Handeln zu kommen". Diese Frau, so könnte man sagen, schätzt also nicht nur die Möglichkeiten des Konjunktivs: Sie hat auch, beinhart, einen Sinn für die Wirklichkeit.

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