Focus: Generalüberholung unter altem Chef:Das Endspiel

Helmut Markwort hat sich auf den letzten Metern seines Schaffens eine Generalüberholung des Focus einfallen lassen. Sein langer Abschied belastet den Bund mit Wegbegleiter Burda.

Hans-Jürgen Jakobs

Ein Verleger, der von einer Biografin zum "Medienfürsten" geadelt wurde, ist harmonische Verhältnisse bei Hofe gewohnt. Wenn so jemand 70 Jahre alt wird, soll naturgemäß nichts den Ehrentag stören, sondern der Frieden einer fröhlichen Tafelrunde einziehen.

Focus: Generalüberholung unter altem Chef: Markwort (l.) und Burda am 16. Januar 1993 beim Start des Nachrichtenmagazins in der Druckerei in Offenburg.

Markwort (l.) und Burda am 16. Januar 1993 beim Start des Nachrichtenmagazins in der Druckerei in Offenburg.

(Foto: Foto: dpa)

Doch wenn Hubert Burda rund um den 9. Februar standesgemäß feiert, auch in der Münchner Residenz, hat sich ein Schatten über sein Reich gelegt. Für den sorgt ausgerechnet ein langjähriger enger Wegbegleiter, der ihm eine einst gefeierte Zeitschrift bescherte, die inzwischen aber das Sorgenkind des gutbürgerlichen Verlags aus Offenburg und München ist: Helmut Markwort, 73, und das Magazin Focus.

Die Geschichte vom "Ersten Journalisten" im Hause Burda, der nicht loslassen kann, gefährdet eine oft beschworene Freundschaft - und das feudale Idyll des Blätter-Patriarchen.

Chefredakteur Markwort hat sich auf den letzten Metern seines Schaffens eine Generalüberholung seines Werks einfallen lassen. Mit der Ausgabe vier am 25.Januar (möglicher Titel: die Finanznot der Kommunen) soll zu sehen sein, wie er den Niedergang seines Focus aufhalten will. Da aber spätestens im Juni - vielleicht auch viel früher - der bisherige Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer als Nachfolger bereit steht, soll sich Burda intern gegen vorherige große Sanierungsarbeiten ausgesprochen haben.

Was soll eine Konzeptänderung bei Focus jetzt, wo doch der Neue in Kürze ganz andere Ideen umsetzen will?

Doch noch hat Markwort die Macht. Zur lame duck, zur lahmen Ente, will er sich nicht machen lassen. Es handele sich um einen "permanenten Entwicklungsprozess" von Focus, der ,,überhaupt nichts mit dem Engagement des Kollegen Weimer zu tun'' habe, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. An der "Auffrischung" werde intern seit Frühjahr 2009 gearbeitet - und als im Oktober der Vertrag mit Weimer perfekt war, "haben wir ihn über diese Aktivität kollegial informiert". Zur Frage, was Burda von der Neuerung per 25. Januar hält, lautet die Antwort: "Unser Verleger Hubert Burda ist seit langem über die Aktivitäten der Redaktion informiert."

So sollen nun bei Focus offenbar zwei neue Einheiten, "Gesundheit" und "Gesellschaft", bisherige Einzelressorts zusammenfassen. Längere Erzählstorys sollen auf große Bilder folgen, die bisherige Kleinteiligkeit schwindet. Zum Heftende ist eine Doppelseite "Personalien" geplant, ganz so wie beim Rivalen Spiegel.

Die Änderungen folgen aus monatelangen internen Umbauarbeiten ("Projekt Z"). Alles in allem eher kosmetische Korrekturen in schwerer Not: Im vierten Quartal 2009 drohte Focus sogar die historische Auflagen-Tiefmarke von 600.000 Exemplaren zu verfehlen.

Der designierte Chefredakteur Weimer, dessen alter Arbeitgeber Ringier ihn offiziell noch nicht freigibt, dürfte dem Treiben mit einer Mischung aus Ohnmacht und Ingrimm beiwohnen. Er weiß sich offenbar der Unterstützung von Vorstand Philipp Welte sicher, der mit ihm die Rettung von Focus angehen will. Dann dürfte auch ein Werbe- und Marketingetat von rund 20 Millionen Euro frei sein. Sogar der Plan, Focus als "Hauptstadtmagazin" in Berlin erscheinen zu lassen, ist noch nicht vom Tisch. Die Focus-Sprecherin erklärt, von einem 20-Millionen-Budget und Berlin-Gerüchten nichts gehört zu haben.

Wenn die irrwitzigen Querelen rund um Focus nicht abkühlen, ist womöglich sogar Markworts Position als Herausgeber gefährdet. Zu groß ist intern der Ärger über den Publizisten, der kurz vor dem 17. Geburtstag des Blatts und dem 70. Geburtstag des Verlegers nach Meinung vieler überzogen hat.

Burda selbst hat deutliche Signale ausgesandt. Schließlich trat er im Dezember überraschend vom Vorstandsvorsitz zurück, ein Zeichen für den überfälligen Generationenwechsel. Von Markwort, für den ein Platz in einem zu installierenden Beirat ("Verlegergremium") angedacht war, wurde Rückzug erwartet. Öffentlich beschied der Verleger: "Bei Focus fängt jetzt eine neue Generation an, und die muss auch angreifen."

Doch zunächst mal greift Markwort an, der Mann, der vom Medium Magazin für sein Lebenswerk prämiert wird. Er macht weiter wie gehabt und will "planmäßig" zum 1. Oktober aus der Chefredaktion ausscheiden - was bedeuten würde, dass es vorher drei Chefs bei Focus gebe. "Er ähnelt Helmut Kohl", klagt ein hochrangiger Burda-Mann, "der hatte auch seine große Zeit, merkte aber nach 16 Jahren nicht, dass sie zu Ende ging." Der Eigentümer scheute bislang ein Machtwort zu Markwort - womöglich ein Fall von Feigheit vor dem Freund.

Lesen Sie auf Seite 2, warum Markwort seinen Freund Burda arm machen könnte.

Zwei gegen den Rest der Welt

Zu viel verbindet die beiden Kämpen, die sich vor mehr als vier Dekaden gefunden hatten. Der eine war das belesene Nesthäkchen einer badischen Druckerdynastie, der sich im Kampf mit zwei weniger intellektuellen Brüdern bewähren musste. Der andere: ein Theaterfreund aus Darmstadt, der Journalismus als Schaubühne entdeckte.

Zusammen fummelten sie 1967 Bild + Funk zur "kritischen Programmzeitschrift" um. "Freiheit" sei sein Wort gewesen, erklärte Markwort und trat der FDP ein. Als er freilich Redaktionsstatut plus Betriebsrat wollte, war Schluss. "Sie wollen mir meinen Laden wegnehmen", tobte Eigentümer Franz Burda. Markwort wurde beurlaubt.

Hubert Burda fand später, der Freund sei dem Vater zu ähnlich. Der Junior machte seinen Weg im Familienunternehmen und übernahm nach dem Tod des Patriarchen 1987 den Verlag. Markwort wiederum reüssierte bei Gong, gründete Objekte wie Ein Herz für Tiere und beteiligte sich an Privatradios. Als er 50 wurde, fragte ihn Burda, was er machen wolle - na klar, ein Nachrichtenmagazin, und zwar montags. Da war er wieder, der große Traum, die Welt aus den Angeln zu heben. Zwei gegen den Rest der Welt.

1993 kam Focus, das konservative Pendant zum Spiegel, an die Kioske und wurde zum Hit bei Anzeigenkunden. Hubert Burda, der ambitionierte Erbe, der mit der Boulevardzeitung Super gescheitert war, fühlte sich im Glück. Er war nicht mehr das "Schwarzwald-Springerle" oder der "Rheumadecken-Verleger" (Zeit-Verleger Gerd Bucerius) und schwärmte von der neuronalen Ästhetik seiner Kreation. "You made me rich", lobte er Markwort. Inzwischen muss Burda aufpassen, dass er eines Tages nicht sagt: "You made me poor".

Die Zeiten, in denen Focus satte Gewinne abwarf, sind längst vorbei - schon das strapaziert eine Freundschaft. Interne Planungen für 2010 sehen offenbar vor, dass bei einem Heftumfang von nur 100 bis 120 Seiten rund 20 bis 25 bezahlte Anzeigenseiten zu finden sind. Das neue Konzept, das Mit-Chefredakteur Uli Baur und zweimal Markwort himself bei Media-Agenturen präsentierten, löste alles andere als ein Erdbeben aus. Die Agenturen seien "sehr angetan" gewesen, so die Focus-Sprecherin. Um die Bilanz im Rahmen zu halten, sind zahlreiche Stellen in der Redaktion weggefallen, weitere werden folgen.

Hier kann womöglich nur ein wirklicher Neustart helfen - den der designierte Chefredakteur Weimer seit Wochen plant. Er will das Magazin Focus, das in Politik und Wirtschaft wegen seines bemühten Verbraucherjournalismus nur müde belächelt wird, zum ernstzunehmenden Debattenheft machen. Das Kunststück soll mit bekannten Fremdautoren gelingen. Nicht auszuschließen, dass Weimer an prominenter Stelle die Leser per Kolumne beglücken will.

Doch Markwort erklärte bereits, er schreibe seine Kolumne, sein "Tagebuch", weiter: "Vielleicht mögen es die Chefredakteure ja, die auch schreiben wollen." Zur Focus-Reform führte er aus: "Herr Weimer darf sich freuen, wenn er ein modernes Heft übernehmen kann." Natürlich könne der Nachfolger "noch zusätzliche Akzente setzen".

Von einem eleganten Übergang bei Focus, wie ihn der journalistische Aristokrat Burda schätzt, kann keine Rede sein. Es knirscht - und mancher zweifelt, ob es klug war, zum 15. Focus-Jubiläum Anfang 2008 den Vertrag des Gründers bis Ende 2010 verlängert zu haben.

Solche Fragen werden sich selbst am großen Verlegergeburtstag nicht vermeiden lassen.

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