"fmx/07" - Digitale Bildproduktion:Der neue Sex der Glaubwürdigkeit

Die "fmx/07" in Stuttgart ist eine Leistungsschau der Computerkreativen für Kino und Spiele. Inzwischen geht es nicht mehr um nette Grafik, sondern um Wirkung und einen Realismus, der die digitalen Bilder nicht mehr als solche erscheinen lässt. Vordenker: Roland Emmerich.

Bernd Graff

Der Mann ist ein Wanderer zwischen allen Welten. Als Person, als Geschichten-Erzähler und als Bild-Erfinder. Roland Emmerich, in Stuttgart geboren, arbeitet als Film-Regisseur und -Produzent in Amerika, dreht in Deutschland und Neuseeland und beschäftigt Studios in London. Er ist ein Kosmopolit deutscher Herkunft, der im Ruf steht (siehe "Independance Day") der patriotischste Regisseur Hollywoods zu sein.

"fmx/07" - Digitale Bildproduktion: undefined

Nun überbrückt Emmerich aber nicht nur Räume, er ist auch Zeitreisender in seinen Filmen. Derzeit beschäftigt ihn die Produktion eines Prähistorien-Dramas, das Menschen, Mammuts und Säbelzahntiger zeigt - 10 000 Jahre vor unserer Zeit. Immer hat Emmerich synthetische Bilder aus dem Computer und digitale Effekte benötigt, um seine Phantasien zu realisieren. Wenn man ihn dann aber fragt, was denn schwieriger in Bilder zu übersetzen sei: die Vergangenheit oder die Zukunft, dann antwortet Emmerich überraschend deutlich: "Selbstverständlich ist die Zukunft schwerer zu gestalten als die Vorzeit, weil wir die Zukunft ja noch nicht erlebt haben."

Den Einwand, dass eben diese unbekannte Zukunft weiten Spielraum für grenzenlose Kreativität eröffne, während die Fakten der Vergangenheit der Bild-Schöpfung ja enge Grenzen setzen, lässt Emmerich nicht gelten: "Im Film geht es doch nicht um schöne oder schön ausgedachte Bilder, sondern um Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit und Vertrauen." Und das Vertrauen des Zuschauers gewinne man nicht mit pittoresken Effekten und Brillanz der Technik. Sondern mit Relevanz: mit überzeugenden Charakteren, einem guten Plot und einer starken Besetzung. "Erst wenn die Bilder bedeuten, dass eine gezeigte Realität möglich ist, dann gelingt ein Film." Sagt"s und schwelgt in der Erörterung von Feinheiten der Computer-Animation für Mammut-Haar.

Roland Emmerich war einer der Gastredner der "fmx/07" in Stuttgart. Das ist nicht nur eine zum zwölften Mal ausgetragene Leistungsschau sowie eine der maßgeblichen Rekrutierungsveranstaltungen für den Nachwuchs auf dem inzwischen sehr weiten Feld der computergenerierten Bilder; die "fmx" ist vor allem so etwas wie eine neugierig aufgesuchte Insel der Reflexion und Selbstvergewisserung - ein Terrain abseits vom sich überschlagenden Normalbetrieb der Technologie-Entwicklung. Und dazu passt ein Roland Emmerich als elder statesman der digitalen Produktion natürlich wie ein gelassenes Mammut zu hektischen Aliens.

Tatsächlich boomt die Branche. Kaum ein Vortrag, der nicht damit endet, dass man händeringend Programmierer, Animatoren und Designer für alle Bereiche der Bilder-Welten benötige. Egal, ob sich jemand auf Flüssigkeiten, Kleidung, Haare, Wetter, Haut, Feuer oder Nebel spezialisiert hat. Was immer man an Details in Film- und Spiele-Bildern kennt: Die Schöpfer dieser Details haben derzeit keine Berufssorgen. Und doch: Der Ton, den Emmerich da angeschlagen hat, hallt durch die gesamte Veranstaltung. Ganz egal, ob Vertreter der Pixar- oder der Disney-Film-Studios sprechen, ob die Großen der Computerspiele-Hersteller oder die Macher, die nur kurz von ihren Monitoren aufschauen - überall taucht jetzt dieser Begriff auf: Glaubwürdigkeit.

"Es ist ja schon lange nicht mehr so, dass die Digitalisierung der Kino-Bilder immer nur für die blendenden Effekte wie Explosionen, Massenszenen oder spektakuläre Stunts eingesetzt wird", sagt Thomas Haegele, Leiter des Instituts für "Animation, Visual Effects und digitale Postproduktion" an der Württembergischen Filmakademie und Vorsitzender der "fmx". "Nein, die Digitalisierung hat die banalen Szenen und Gegenstände gleichermaßen erfasst. Auch außerhalb von Action-Filmen: Wetter, Gebäude, Kleidung sind computergeneriert. Man bemerkt das gar nicht mehr. Und genau das ist die brennende Frage: Wie schaffe ich es, die Bilder nicht künstlich aussehen zu lassen, sondern authentisch, relevant, passend. Wie mache ich sie den Inhalten dienstbar, ohne aufdringlich zu sein? Gerade darum ist die Digitalisierung im Augenblick so spannend: Man will sie nicht mehr sehen."

Um dieses Verschwinden der Technik im Dienst der Glaubwürdigkeit zu schaffen, hantieren Redner mit einem analytischen Besteck, das jedem gestandenen Strukturalisten das Wasser der Rührung in die Augen treiben würde: Man systematisiert die Film-Geschichte und baut an einem Arsenal der mächtigen Momente. Vorträge über Bild-Komposition und -Wirkung sezieren große Szenen des Kinos und plündern die Klassiker, ohne mit der falschen Wimper zu zucken: Kamera-Einstellungen bei Orson Welles" "Touch of Evil" (1958) werden studiert, um die Psychologie der Figuren zu durchdringen. Hitchcocks "Rear Window" (1954) bringt die hohe Kunst des Erzählens ohne Erzähler vor Augen, der "Manchurian Candidate" aus dem Jahr 1962 belegt, wie man Realitäten mischt, ohne den Zuschauer zu überfordern.

Wohlgemerkt: Derlei Erkenntnisse finden später Anwendung bei der Bildsynthese - für den Film wie für Computerspiele. "Alles, was mit Bildern geschieht, geschieht im Dienst der Story", hatte Joseph Olin, Präsident der "Akademie für interaktive Künste" eingangs als Losung ausgegeben. Machbar ist alles, heißt das. Man buhlt jetzt um Akzeptanz - und zeigt sich ebenso bereit wie gefügig für Inhalte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: