Flops im Blockbuster-Kino:Hollywood wird nervös

Film "After Earth" mit Will Smith im Kino

Jaden Smith als Kitai Raige im Film "After Earth" - einer der Flops des geplanten Blockbuster-Sommers 2013.

(Foto: dpa)

Riesige Aliens, eine verlassene Erde, das Weiße Haus in Trümmern, hat man alles schon gesehen. Der Erfolg teurer Projekte galt in Hollywood lange als garantiert, nun floppt eine Reihe aufwendig produzierter Filme. Hollywoods Reaktion? Man wird unruhig. Und plant die nächsten Blockbuster.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt eine interessante Profession in den Vereinigten Staaten. Sie wird mit etwa zehn Dollar pro Stunde entlohnt, man braucht dafür keine Ausbildung, kein Vorstellungsgespräch, keine Einarbeitung - die Aufgabe besteht darin, sich irgendwo anzustellen. Professionelle Schlangesteher warten an der Bar feiner Steakhäuser in New York, sie ziehen Nummern bei der Führerscheinstelle, sie lungern vor Clubs in Los Angeles. Hin und wieder formen sie eine Schlange bei Kinopremieren, damit es so aussieht, als würden viele Menschen "Lone Ranger" sehen wollen. Tatsächlich jedoch gehört der Film mit Johnny Depp zu den Flops des amerikanischen Kinosommers.

Der Ranger ist gar nicht so einsam, wenn es um Filme mit einem dreistelligen Millionenbudget geht, die keinen Erfolg an den Kinokassen haben - in Hollywood wird bereits vom "Sommer der Mega-Flops" gesprochen. Zwischen Mai und Juli kamen 17 "Tentpole-Movies" in die Kinos - so werden Filme genannt, die aufgrund phänomenaler Einspielergebnisse die Verluste riskanter Projekte ausgleichen. Sie sind die Zeltstangen, die dafür sorgen, dass es auch bei schlechtem Wetter schön trocken bleibt. Es kracht in diesen Filmen, die Protagonisten ballern mit riesigen Kanonen, sie fliegen in Raumschiffen herum, sie kämpfen gegen wütende Außerirdische, hungrige Fabelwesen und degenerierte Antagonisten. Wenn Roland Emmerich Regie führt, dann explodiert das Weiße Haus.

Allerdings wollen das in diesem Sommer zu wenige Amerikaner sehen, sieben der 17 prognostizierten Blockbuster floppten. "Lone Ranger" kostete 250 Millionen Dollar und spielte an den amerikanischen Kinokassen bislang gerade einmal 81 Millionen ein. Der Alien-Action-Streifen "Pacific Rim" (Produktionskosten: 180 Millionen) erreichte ebenso 68 Millionen wie Emmerichs "White House Down" (150 Millionen). Selbst Blockbuster-Garant Will Smith musste mit "After Earth" (Kosten: 130 Millionen, US-Umsatz bislang: 60 Millionen) einen Tiefschlag hinnehmen. Kürzlich setzte die Untoten-Polizisten-Ballerei "R.I.P.D." (130 Millionen) am wichtigen Startwochenende magere 12,6 Millionen um, am vergangenen Wochenende startete "The Wolverine" (Kosten: 100 Millionen) zwar ordentlich mit 55 Millionen Dollar Umsatz, blieb jedoch hinter den Prognosen von etwa 80 Millionen Dollar zurück.

Die Frage in Hollywood lautet: Warum funktionieren die Sommer-Blockbuster nicht? Die Strategie der bedeutenden Studios war in den vergangenen Jahren überaus erfolgreich und sorgte für finanzielle Stabilität. So paradox das klingen mag: Es war nicht so riskant, einen potenziellen Blockbuster mit einem Budget von 150 Millionen Dollar auszustatten und ihn mit weiteren 50 Millionen zu bewerben, als in fünf kleinere Filme jeweils 40 Millionen zu investieren. Der Erfolg der teuren Projekte galt als garantiert - so lange nur genügend Sachen explodierten und genügend Stars mitspielten, die ihre Filme in Marketing-Tourneen bewarben. So einfach war Popcorn- Kino.

In diesem Sommer klappt es jedoch nicht, die Filmindustrie könnte dadurch finanzielle Probleme bekommen. Steven Spielberg hatte vor diesem Szenario bereits im Juni gewarnt, als er an der University of Southern California mit Filmstudenten sprach: "Die Gefahr ist groß, dass es eine riesige Kernschmelze geben wird", sagte der Regisseur: "Es wird eine Implosion geben, bei der drei, vier oder gar ein halbes Dutzend Filme abstürzen."

In Hollywood bricht noch keine Panik aus, die Nervosität ist indes überall zu spüren. In den Cafés in West Hollywood wird heftig über die Gründe debattiert, es gibt zahlreiche Theorien: Es gebe zu viele Filme mit überdimensioniertem Budget innerhalb kurzer Zeit, sagen die einen. Waren es vor drei Jahren noch zehn, gibt es in diesem Sommer - rechnet man den August mit ein - 19 Tentpole-Filme. Produzent George Lucas dagegen macht die Entwicklung des Fernsehens verantwortlich. Kabelsender seien heutzutage "viel risikobereiter" als die Filmindustrie, weshalb die Menschen nicht mehr so viel Geld für Kinobesuche ausgeben würden.

Das Blockbuster-Imperium schlägt zurück

Eine andere Theorie: Viele der Filme in diesem Jahr seien einfach schlecht und nicht innovativ genug. Riesige Aliens, eine verlassene Erde, das Weiße Haus in Trümmern - hat man alles schon gesehen. Und sie seien zu teuer. Warum kostet ein Film wie "Lone Ranger" 250 Millionen Dollar? Der Komiker John Oliver vermutet: "Die Hälfte davon ist für das Make-up von Johnny Depp draufgegangen." Regisseur Steven Soderbergh, dessen Film "Behind the Candelabra" nicht im Kino, sondern auf dem Pay-TV-Kanal HBO lief, sagt: "Das Kino, wie ich es kenne, wird von den Studios angegriffen." Er vergleicht die Situation der Studios mit der von "Detroit vor dem Rettungspaket." Mittlerweile ist Detroit pleite.

Für derart fatalistische Aussagen ist es noch zu früh. Zum einen gibt es die Möglichkeit, dass mancher Film die Produktionskosten in Europa oder Asien einspielt. Zum anderen gab es immer noch viele erfolgreiche Filme. Die lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen: die Fortsetzung erfolgreicher Projekte wie etwa die Zeichentrickfilme "Monsters University" (256 Millionen Umsatz in den USA) und "Despicable Me 2" (276 Millionen) oder Superhelden-Streifen wie "Iron Man 3" (407 Millionen) und "Man of Steel" (285 Millionen). Dazu gibt es Low-Budget-Horror-Überraschungen wie "The Conjuring" (41 Millionen am Starwochenende bei 13 Millionen Produktionskosten) und "The Purge" (64 Millionen bei Kosten von drei Millionen).

"Die Bruchlandungen werden für einen Wechsel der Paradigmen sorgen", prognostiziert Spielberg. Kollege Soderbergh allerdings befürchtet, dass dieser Wechsel nicht dafür sorgen werde, dass innovative Filme für Nischenpublikum oder unabhängige Produktionen gefördert würden. Im Gegenteil: Die Hegemonie der Blockbuster sei "eine Flugbahn, die sich nur schwer umkehren lässt." Die Konzentration werde nur noch stärker werden, die Risikobereitschaft der Studios weiter sinken.

Diese Befürchtung wird durch die Ankündigung der Blockbuster für 2014 genährt, es gibt vor allem Superhelden-Filme und Fortsetzungen: "Amazing Spider-Man 2", "The Expendables 3", "Transformers 4", "The Fast and The Furious 7". Für 2015 sind bereits zwei Mega-Blockbuster angekündigt: der siebte Teil der Star-Wars-Saga und das Aufeinandertreffen von Batman und Superman. Zusammengefasst: Heiliges Kryptonit, das Blockbuster-Imperium schlägt zurück.

Noch ist der Sommer nicht vorbei. In der kommenden Woche kommt "Elysium" in die Kinos, ein Science-Fiction-Kracher mit einem Budget von mehr als 110 Millionen Dollar. Wer derzeit durch Los Angeles spaziert, der kann durchaus paranoid werden und glauben, von Hauptdarsteller Matt Damon verfolgt zu werden: Er ist auf der Titelseite zahlreicher Zeitschriften, er tritt in Fernsehsendungen auf, die Stadt ist zugepflastert mit martialischen Plakaten. Es sieht indes nicht aus wie die hoffnungsfrohe Werbung für einen garantiert erfolgreichen Actionfilm. Es wirkt wie der verzweifelte Versuch, einen scheinbar verlorenen Sommer doch noch zu retten. Für die Anstell-Profis dagegen könnte der kommende Donnerstag wieder ein lukrativer Arbeitstag werden.

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