Filmvorstellung:Der ganz banale Wahnsinn

Detlef Bothes Erstlingswerk "Feiertag" erzielt mit minimalen Mitteln eine große Wirkung.

Von Andreas Schätzl

Kennt man alles von sich selbst: Silvester ist doch was Besonderes und soll gebührend befeiert werden. Zum Beispiel auf einer verschneiten Hütte irgendwo in den Bergen. Warum also darüber einen fast eineinhalbstündigen Spielfilm machen, wenn der Plot nicht was besonders Aufregendes zu bieten hat?

Filmvorstellung: Der eine Ort

Der eine Ort

(Foto: Foto: Detlef Bothe / Film)

Antwort: Der Plot hat was Aufregendes. Nur weiß man das am Anfang nicht, ahnt es auch nicht - und braucht es zudem nicht: Denn trotz aller Alltäglichkeit (individuelles Ankommen von drei Paaren in dem Wintersportort per Auto oder Zug, Beziehungs-Kabbeleien oder vorsichtiges Kennenlernen bei der Anfahrt, gegenseitiges Bekanntmachen, Aufstieg zur Hütte) und eben gerade wegen ihr läuft der Film mit einer absolut selbstverständlichen Nonchalance an und zieht den Zuschauer sofort "rein".

Ganz realitätsnah

Das liegt zu einem guten Teil an den Schauspielern. Profis trafen hier auf Schauspielstudenten oder Fast-Laien, alle lebten und arbeiteten während der Dreharbeiten an den beiden Drehorten (Hütte und Bauernhof), man bildete also kein typisches Team mit seinen üblichen Funktionen, sondern lebte ständig zusammen, war für Kleidung, Maske, Essen selbst verantwortlich.

Die vier im Film spielerisch aufgeworfenen Fragen - Was bedeutet Freundschaft für dich? Was Liebe? Wovor hast du am meisten Angst? Wie willst du sterben? - dürften die sechs Protagonisten auch diesseits des Zelluloids ab und an beschäftigen. Realismus pur für reine Realität.

Der zweite schnelle Zugang zur Synopsis tut sich über die beiden Handlungsstränge auf: Das sind zum einen die sechs Silvesterurlauber, typische Figuren eines urbanen Jetzt, zum anderen Sam, ein zutiefst frustrierter, einsiedlerischer Bauer, der in naher Zukunft seinen einzigen Rückhalt, seinen Hof, verlieren soll.

Dogma versus Doku

Die beiden Welten werden stilistisch klar markiert: Der Hüttenaufenthalt der Gruppe ist im nervösen, lebendigen, vor- und zurücktreibenden Dogma-Stil gedreht, Sam wird im klaren Doku-Stil beobachtet. Auch Farben und Licht differieren.

Dabei ist so vieles von der Handlung vorhersehbar: Die drei Pärchen wechseln im Laufe des "Hüttenzaubers" (inklusive richtig traumhaft eigefangenem Jahreswechsel) jeweils die Partner, neue finden zueinander, wenigstens fürs Hier und Jetzt. Und mit Sam geht es sichtlich, nachgerade spürbar bergab, in Richtung Katastrophe. Alles total normal - und deshalb umso unauffällig-zwingender.

Zunächst im Hin- und Her-Switchen zwischen beiden Ereignisströmen, dann durch deren engeres Zusammenweben entwickelt sich eine Spannung, der man sich einfach nicht zu entziehen vermag - eine natürliche, unangestrengte, unhysterische Spannung.

"Kein Budget"

Zu den Drehbedingungen äußert sich Regisseur-Neuling Detlef Bothe, bisher als Darsteller zum Beispiel in "Schlafes Bruder", "Ballermann 6" oder "99 Euro" aktiv und auch in "Feiertag" (der er als "Dogma-Doku-Drama" bezeichnet) einer der Protagonisten, kurz und lakonisch: "Zwölf Tage, kein Team, kein Budget." Was Besonderes also. In jeglicher Hinsicht.

"Feiertag": Deutschland, Regie / Buch / Produktion: Detlef Bothe, Kamera: (DV) Alex Traumann und Detlef Bothe, Co-Produktion Österreich: George Lenz, Verleih: Detlef Bothe, Musik: u. a. von Iggy Pop, 82 Minuten. Ausgezeichnet mit dem Sonderpreis der Jury auf dem Münchner Filmfest 2002

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