Agonie
Zwei junge Männer in Wien: Ein halbstarker Herumtreiber mit Tribal-Tattoos und ein Jura-Student mit schlechten Noten. David Clay Diaz' sehenswertes Debüt lebt von dem Rhythmus, mit dem es diese beiden Leben parallel erzählt. Sekundenlange Blackscreens zwischen den Perspektivwechseln legen sich wie ein Leichentuch auf den Film. Denn am Ende, das wissen wir, wird einer der beiden zum Mörder.
Paula
Wenn es ganz schwierig ist, sich überhaupt einen Platz zu erobern, hat das Mittelmaß keine Chance. Christian Schwochow erzählt, wie Paula Modersohn-Becker (Carla Juri) dem Expressionismus den Weg bereitete, obwohl doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum jemand fand, sie solle ihre zarten Mädchenhände überhaupt zum Malen benutzen. Ihre Farben finden in die Bilder, die Konturen in die Geschichte hinein - ein Film, der tatsächlich nicht nur von einer Frau, sondern von einem Werk handelt.
Rogue One: A Star Wars Story
Neues von "Star Wars", der sicherlich am längsten andauernden militärischen Auseinandersetzung, seit es Blockbuster gibt. "Rogue One" heißt der aktuelle Frontbericht aus den fast schon unendlichen Annalen des Konflikts, in dem Gareth Edwards von der Mission erzählt, die Pläne des imperialen Todessterns zu erbeuten. Leider bleibt das formelhaft und leblos, man fiebert mit keinem der Protagonisten wirklich mit. Und am Ende des Geballers bleibt vor allem ein Gefühl zurück: Kriegsmüdigkeit. (Lesen Sie hier eine ausführliche Filmkritik.)
Shut In
Da hat Farren Blackburn einen Horrorfilm gedreht, der außer Naomi Watts in der Hauptrolle nichts anzubieten hat. In der ersten Hälfte rumpelt es nachts im Haus, in der zweiten rennen Mütter und Kinder voreinander weg. Beides sorgt nicht für Spannung, sondern wirft bloß die Frage auf, warum so wenig Inspiration verlangt wird, wenn es darum geht, der Schwemme von dieser Sorte Genrefilmen noch einen mehr hinzuzufügen.
So weit und groß - Otto Modersohn
"Wie oft ist mir bei ihr als wüchsen mir Flügel!", schwärmte Otto Modersohn (1865-1943) von Ehefrau Paula. Otto: Meister lyrischer Landschaftsmalerei. Paula: Pionierin der Moderne von Weltrang. Aus Anlass des aktuellen "Paula"-Biopics von Christian Schwochow gibt es die Wiederaufführung des ganz aus Zeitdokumenten gefügten, Leben und Werk reichhaltig auffächernden Otto-Portraits von Carlo Modersohn aus dem Jahr 2010.
Das unbekannte Mädchen
Als es einmal spät abends an der Tür der Hausarztpraxis klingelt, in der Jenny (Adele Haenel) arbeitet, weigert sich die junge Ärztin zu öffnen. Und erfährt am nächsten Tag, dass die junge Frau, die geklingelt hatte, tot ist - womöglich ermordet wurde. Weil sie sich schuldig fühlt, stellt Jenny auf eigene Faust Ermittlungen an. Das mündet im Film von Jean-Pierre und Luc Dardenne aber nicht in einen Krimi, sondern fügt sich zu einem Gesellschaftsporträt der Ausgegrenzten. Ein weiteres Meisterwerk der Regie-Brüder ist hier nicht entstanden, aber es ist immer wieder beeindruckend, mit welcher Härte und Klarheit sie moralische Konflikte darlegen.
Austerlitz
In statischen schwarz-weißen Aufnahmen filmt Sergei Loznitsa die Touristenströme in der Gedenkstätte des KZ Sachsenhausen. Der einzige Kommentar ist das Verhalten der Besucher, die unaufhörlich Bilder machen. Losznitsa filmt weniger das KZ als dessen Verschwinden in diesen Bildern. Die Losznitsas Kamera dann sammelt und zu einem neuen Bild neu zusammensetzt. Film eines Sammlers, übers Sammeln.