Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

"Overboard" stellt kühn das Original von 1987 auf den Kopf - und in "Hereditary" geraten die Geister außer Kontrolle.

Von den SZ-Kinokritikern

12 Tage

1 / 10
(Foto: Grandfilm)

In französischen Psychiatrien müssen Zwangseingewiesene regelmäßig einem Richter vorgeführt werden, der über Rechtmäßigkeit und Verlängerung der Einweisung entscheidet. Der Dokumentarist und Photograph Raymond Depardon hat einige solcher Sitzungen gefilmt. Unendlich komplexer und unfassbar schmerzvoller Film über die Unzugänglichkeit des Wahnsinns und die Unzulänglichkeit der Gesellschaft, die ihn definiert.

Aus einem Jahr der Nichtereignisse

2 / 10
(Foto: Wolf Kino)

René Frölke und Ann Carolin Renninger begleiten den schrulligen 90-jährigen Willi, der auf seinem Bauernhof in Norddeutschland lebt, im ständigen Kampf mit dem Rollator und seiner Katze. Sonst passiert nicht viel. Wunderbare, sehr lustige Beobachtung eines Lebens, über dem der Staub liegt, der aber in den körnigen 8- und 16-mm-Aufnahmen im Licht tanzt.

Die brillante Mademoiselle Neïla

3 / 10
(Foto: dpa)

Professor Mazard lehrt an der Uni Assas in Paris, er ist ein reaktionäres Arschloch der alten Schule. Zu Beginn seiner Vorlesung greift er die junge Neïla heraus. Sie ist eine Frau, hat algerische Wurzeln und kommt fünf Minuten zu spät in den Saal. Der frech sprudelnde Rassismus Mazards kommt nicht gut an, und um nicht seine Professur zu verlieren, muss er die Studentin trainieren für die übers ganze Land verstreuten Rhetorikwettbewerbe. Mit dieser Konstellation geht Yvan Attal in seiner Multikultikomödie auf Nummer sicher. Zu den Mentoren des Films gehören auch Lévi-Strauss und Gainsbourg.

Das ist erst der Anfang

4 / 10
(Foto: WILD BUNCH GERMANY GmbH)

Weihnachtszeit in Palm Springs. Es gibt eine Krippe, Elfen wuseln herum, Weihnachtslieder erklingen. Warum Ron Sheltons lahme Gaunerkomödie im Juni ins Kino kommt, muss man nicht verstehen. Auch sonst ist das Timing eher suboptimal. Morgan Freeman spielt den chauvinistischen Manager eines Seniorenheims, der Frauen "mein Pfläumchen" nennt. Da der Schauspieler aktuell der sexuellen Belästigung beschuldigt wird, wirkt das Ganze noch befremdlicher, als es ohnehin schon ist.

Hereditary - Das Vermächtnis

5 / 10
(Foto: AP)

Auf ihrer langsamen Fahrt ins Modellbauzimmer entwickelt die Kamera einen Sog, und das ist nur die erste von vielen Irritationen, die sich nach dem Tod der alten Dame mehren. Einfamilienhaus oder Miniaturkunstwerk, reale Trauer oder übersinnlicher Horror, Familiendrama oder Teufelswerk, die Übergänge sind fließend in Ari Asters Spielfilmdebüt. Lange wahren Toni Collette und Gabriel Byrne eine beunruhigende Balance, nur gegen Ende geraten die Geister außer Kontrolle.

Lost in the Living

6 / 10
(Foto: UCM.ONE)

Das Langfilmdebüt von Robert Manson beginnt als klassisches Berlin-Abenteuer. Zusammen mit seiner Band kommt der junge Ire Oisín in die Stadt, um das Nachtleben zu erkunden. Als er Sabine trifft und mit ihr abgelegene Orte entdeckt, verwandelt sich der Film in eine stimmungsvolle Kontemplation über das Sich-Treibenlassen und die Flüchtigkeit menschlicher Begegnungen.

Overboard

7 / 10
(Foto: Kinostar Filmverleih GmbH)

Ich hab eine Idee, sagt Eva Longoria, die ist poetisch und bedeutet Gerechtigkeit. Sie ist die beste Freundin von Anna Faris, die sich mit einem reichen Playboy-Nichtsnutz angelegt hat und deshalb von ihrem Arbeitgeber gefeuert wurde. Aber nun ist der Nichtsnutz über Bord gefallen und kriecht mit Gedächtnisverlust an Land. Also reklamiert, auf Longorias Geheiß, Anna Faris ihn als ihren Mann und gaukelt ihm eine falsche Familie vor, in der er sich nützlich machen kann. Rob Greenbergs Film legt ungerührt den sadistischen Aspekt der Komik bloß. Die Paarkonstellation aus dem Original-"Overboard"-Film, 1987 mit Goldie Hawn und Kurt Russell, hat er kühn auf den Kopf gestellt.

Papst Franziskus

8 / 10
(Foto: dpa)

Für seine Papstdoku hatte Wim Wenders exklusiven Zugang zum Vatikan und zum Pontifex. Der spricht direkt in die Kamera, zu den Gläubigen im Kinosaal. Seine Botschaft ist erfreulich, solange es um Umwelt, Geflüchtete und Zorn auf die Reichen geht, und konservativ bei Gender-Fragen. Wenders spricht im Off, als Zeremonienmeister einer päpstlichen Filmpredigt, über der viel Weihrauch liegt.

Sternenjäger

9 / 10
(Foto: Universum Film)

Wer heute noch einen sternenübersäten Nachthimmel sehen will, muss die Lichter der Zivilisation hinter sich lassen und in die Einsamkeit fahren, am besten in die Wälder Norwegens oder in die chilenische Atacama-Wüste. Die Doku von Christian Schidlowski folgt fünf Abenteurern auf der Jagd nach seltenen Himmelsphänomenen. Eine wahre Orgie von Zeitraffer-Aufnahmen, dazu Sphärenklänge und Sternenmythen der jeweiligen Ureinwohner. Speziell für Menschen, die auch im Planetarium mächtig Spaß haben.

Vom Ende einer Geschichte

10 / 10
(Foto: Wild Bunch)

Ist das Leben nichts als eine sehr persönliche Fiktion, zusammengesetzt aus Halbwissen und Sehnsüchten? Jim Broadbent spielt Tony, dessen Erinnerung auf den Prüfstand gestellt wird. Der alte Herr hat überraschend geerbt, das Tagebuch eines Freundes, der sich das Leben genommen hat. Ritesh Batra hat den Roman von Julian Barnes mit viel Gefühl für Zwischentöne verfilmt, alles meisterlich gespielt.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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