Filmsatire:Vom Neid zerfressen

Toni Colette spielt die Filmschurkin des Jahres - in Amanda Sthers Gesellschafts-Satire "Madame" über reiche Amerikaner in Paris.

Von Doris Kuhn

Zwei Amerikaner in Paris. Das klingt beschwingt, erinnert an ein Musical von Vincente Minnelli, und wenn die Schauspieler Harvey Keitel und Toni Collette auf Mieträdern durch die schöne Stadt fahren, sieht es auch kurzfristig nach Vergnügen aus. Dann spottet Collette über Harvey Keitels lahmes Tempo, Keitel wird mürrisch, sie fährt allein davon, er setzt sich an den Straßenrand und es fängt an zu regnen.

Ganz ähnlich wird es den Film hindurch weitergehen. Sobald Toni Collette den Mund aufmacht, verfinstert sich die Sonne, so bissig, so schamlos selbstgefällig sind ihre Sätze, wenn auch gepaart mit einer Treffsicherheit, dass man trotzdem darüber lachen muss. Collette und Keitel spielen in "Madame" das Ehepaar Anne und Bob, reich, sexuell uninspiriert, in Paris aus ebendiesem Grund: Vielleicht hilft ein Luxusurlaub in der Stadt der Liebe, war der Gedanke, zumindest vordergründig. Hintergründig denkt Bob hauptsächlich daran, dass er kein Vermögen mehr hat, falls ihm nicht ein Pariser Museum seinen letzten Caravaggio abkauft.

Anne, nichts ahnend von der drohenden Pleite, plant derweil ein Dinner für die versnobte Kunstszene. Kurz bevor die Gäste kommen, schneit zusätzlich Bobs Sohn aus erster Ehe in die Mietvilla. Dieser Steven ist ein junger Autor, der erfolgreich darüber geschrieben hat, wie Anne seine Eltern auseinanderbrachte: Sie war ursprünglich Bobs Golftrainerin. Daran erinnert er sie gern, überhaupt nimmt er kein Blatt vor den Mund, er torpediert mit boshaftem Frohsinn jede von Annes Eitelkeiten.

Im Moment allerdings torpediert er ihr Dinner allein durch seine Anwesenheit, denn um die Balance an der Tafel wieder herzustellen, braucht Anne einen weiteren Gast. In der Eile muss dafür die Haushälterin Maria herhalten, eine voluminöse Spanierin, die nichts von dieser Idee hält, sich letztlich aber der Order von Madame unterwirft. Sie bekommt ein Kleid, eine Frisur und die Anweisung, so unauffällig wie möglich aufzutreten, damit niemand merkt, dass sie sonst eigentlich die Teller abräumt.

Damit hat Regisseurin Amanda Sthers die Konstellation geschaffen, die den Film bestimmt. Die Hexe Anne, das Aschenputtel Maria, Steven als Motor, der dafür sorgt, dass deren Ballbesuch auch Folgen zeitigt. Denn das Dinner verläuft nicht, wie Anne es sich wünscht. Die zehn Gäste, angetreten in Erwartung der üblichen blasierten Runde, werden mit einer Frau konfrontiert, die tatsächlich Spaß hat: Maria betrinkt sich, erzählt frivole Witze, sie ist von Unauffälligkeit weit entfernt. Natürlich wird davon ihr Tischnachbar betört, und Steven befeuert diese Wirkung, indem er ihm heimlich weismacht, sie sei eine spanische Prinzessin, inkognito in Paris.

Von da an wird es furchterregend, denn Amanda Sthers zeigt, wie die aufblühende Affäre zwischen Maria und ihrem Verehrer das Monster in Anne weckt. Toni Colette macht sich diese Aufgabe so bedingungslos zu eigen, dass sie zur hassenswertesten Filmschurkin des Jahres aufsteigt. Sie droht, sie erpresst, sie bestraft in den folgenden Tagen, während Maria sich sanft auf die Liebe beruft. Schon mit der Wahl der Schauspielerinnen hat Sthers diese Schlacht gut bestückt. Maria wird wuchtig, aber friedfertig von Rossy de Palma gespielt, die man aus den frühen Filmen von Pedro Almodóvar kennt, Toni Collette tritt als mageres Schmuckstück auf, dem die Missgunst ins Gesicht geschrieben steht.

Dieser Gegensatz wird von Sthers mit einem ausführlichen Blick auf die Klassenverhältnisse unterfüttert. Der Film spielt in einer Gesellschaft internationaler Wichtigtuer, in der zwischen den Menschen scharfe Grenzen gezogen werden und die richten sich nach dem Kontostand. Daneben wird hier das alte Klischee von den fröhlichen Dienstboten und der tristen Herrschaft bemüht, aber das reicht, um Maria ziemlich attraktiv zu machen.

"Madame" bleibt eine Liebesgeschichte, in der Romantik, Berechnung, Neid oder Eigennutz beleuchtet werden, alles Themen, die mit der Liebe verbunden sind. Aber durch seine strenge Aufteilung der Welt und durch Toni Collettes skrupellose Darbietung der Madame ist der Film gleichzeitig eine Gesellschaftssatire, die nicht bloß Heiterkeit hervorruft, sondern mindestens noch Wut, Schmerz und Staunen.

Madame, F 2017 - Regie & Buch: Amanda Sthers. Mit Toni Collette, Harvey Keitel, Rossy de Palma, Tom Hughes, Michael Smiley. StudioCanal, 92 Min.

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