Filmkunst:Die Pflege der Zeichen

Das Münchner Underdox-Festival zeigt Filme der Fotografin, Filmemacherin und Installationskünstlerin Corinna Schnitt. Sie filmt gern falsche Idyllen, etwa in Kalifornien, und zeigt den Zusammenprall des Banalen mit dem Hochartifiziellen.

Von Fritz Göttler

Der Putzfimmel treibt diese Filme an, alles wird regelmäßig gesäubert, Räume und Kleider und Verkehrszeichen - der reinliche bürgerliche Alltag, und wie solche Reinlichkeit manchmal dann in Kleinlichkeit umschlägt. Der Mythos von clean!

Der Fotografin, Filmemacherin, Installationskünstlerin Corinna Schnitt widmet das Münchner Experimentalfestival Underdox sein diesjähriges Halbzeitprogramm im Filmmuseum. Corinna Schnitt ist Professorin für Film und Video an der Hochschule für Gestaltung in Braunschweig, aber professoral sind ihre Filme allenfalls darin, dass mal Habermas' Theorie des kommunikativen Handelns zitiert wird - in einer Berglandschaft zwischen nackten Frauen und einem Wanderer - oder dass ein Film in einen Blick auf Vermeers "Schlafendes Mädchen" mündet.

Zehn Filme aus den vergangenen zwanzig Jahren werden am Donnerstag von Corinna Schnitt persönlich vorgestellt, und sie ist auch in einigen der Filme persönlich mit von der Partie - klopft Wäsche aus! Was man zu sehen kriegt, ist allergewöhnlichstes bürgerliches Leben aus Deutschland, den Niederlanden oder Kalifornien, aber die metikulös abgezirkelte Kamera-arbeit sprengt alle falschen Idyllen immer wieder auf, der Zusammenprall des Banalen mit dem Hochartifiziellen schlägt erschreckend komische Funken. Schönheit steckt nicht mehr im Auge des Betrachters, sie schaut sich selbst hinter die Maske. In "Living a Beautiful Life" sieht man ein hochklassiges amerikanisches Westküstenmusterpaar, er Navypilot, sie Mustergattin, ein stilgerechtes Haus mit Kaminfeuer, Pool und Papagei, und dann sagt der schöne Mann ganz lässig: "Von Zeit zu Zeit möchte ich von schönen, sexy Frauen umgeben sein . . . Eine Geliebte, eine heiße Geliebte, für ein paar Monate."

Ein Endzeit-Touch steckt in diesen Filmen, der an Buñuel erinnert oder an die "Twilight Zone" - Schrecken des Stillstands. In "Zwischen vier und sechs" fährt Corinna Schnitts Kamera einen Vorort ab, der wie von Thomas Demand gebastelt wirkt, an jedem kleinen Weg ein Verkehrszeichen, das von einer Kleinfamilie liebevoll geputzt wird.

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