Filmgeschichte:Deutscher Niagara

Filmgeschichte: Wolfgang Jacobsen: Erich Pommer. Produzent zwischen Kunst, Industrie und Unterhaltung. Jüdische Miniaturen 208. Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin 2017. 81 Seiten, 8,90 Euro.

Wolfgang Jacobsen: Erich Pommer. Produzent zwischen Kunst, Industrie und Unterhaltung. Jüdische Miniaturen 208. Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin 2017. 81 Seiten, 8,90 Euro.

Eine kleine Studie zum großen Filmproduzenten Erich Pommer, der meist im Schatten seiner Regisseure stand. Unter seiner Aufsicht gediehen Werke wie "Das Cabinet des Dr. Caligari" und "Metropolis". Er selbst warnte vor einer deutschen "Niagara-Kopie".

Von Fritz Göttler

"Ein Volk muss wissen, wo sein Niagara liegt." So formulierte es programmatisch Erich Pommer, der große deutsche Produzent, der das Kino von den Zwanzigern an prägte, 1922, in einem Aufsatz in der Zeitschrift Das Tage-Buch. Es ging darum, was deutsches Kino anstreben, sich zutrauen könnte - und das war eben keineswegs der Versuch, das omnipotente Hollywoodkino nachzumachen. Ein Versuch so unsinnig wie der, den Niagara-Fall zu kopieren. Aber: "Die reine Bewunderung, die man in Paris und auch in London für das deutsche Manuskript, die deutsche Regie, das deutsche Schauspieler- und Künstlermaterial hegt, gab uns den Beweis, daß wir, wenn auch auf anderen Gebieten, ebenso Unnachahmliches, Einzigartiges, ja Unübertreffliches haben, wie Amerika in seinem Niagara-Fall."

Es hat seinen Charme, wie hier ein Naturwunder in eins gesetzt wird mit den Produktionsverhältnissen der Kinematographie. Was Pommer selbst zu dieser Unübertrefflichkeit beitrug, skizziert Wolfgang Jacobsen in seinem kleinen Band der "Jüdischen Miniaturen" des Hentrich & Hentrich Verlags. Ein Pommer-Porträt, in dem auch eine Figur aufscheint, die nur selten die regieautorenlastige Filmgeschichtsschreibung interessiert - der Produzent als kreatives Zentrum.

Pommer war mit seiner Decla der Mann hinter Caligari und Mabuse

Das Handwerk hat Pommer in der Frühzeit des Kinos gelernt, in der deutschen Filiale der französischen Eclair, in der Heiratsurkunde firmiert er als "Filmfabrikbesitzer". 1915 wurde die Decla gegründet, die Pommer nach Kriegsende kräftig expandieren ließ. Hier entstand das legendäre "Cabinet des Dr. Caligari", hier schuf Fritz Lang seine frühen Meisterstücke "Der müde Tod", und "Dr. Mabuse, der Spieler". 1921 wurde die Decla von der Ufa einverleibt, Pommer wurde Leiter der Ufa-Produktionen. Sein "Niagara" sollte der zweiteilige Nibelungen-Film werden, dann der gehypte "Metropolis", mit dem die Ufa sich freilich übernahm und zum Sanierungsfall wurde. Pommer wechselte zur amerikanischen Konkurrenz, beim Film "Hotel Imperial", mit Pola Negri, wurde sein Name erstmals im Vorspann genannt. "Der Produzent trat aus dem Hintergrund ins öffentliche Licht." Schon 1927 ging's zurück zur Ufa, Pommer manövrierte sie durch die frühen Tonfilmturbulenzen, mit dem Supererfolg "Der blaue Engel". 1933 entließ die Ufa ihre jüdischen Mitarbeiter, Pommer und seine Frau emigrierten in die USA, über Paris und London, dort tat er sich mit Charles Laughton zusammen, produzierte Hitchcocks "Jamaica Inn".

Nach Kriegsende kam er zur "re-education" zurück, um eine deutsche Filmproduktion wieder auf die Beine zu stellen, in Berlin und München. Hollywood war immer noch Niagara. Pommer gründete die deutsch-amerikanische Intercontinental, deren erster Film war "Nachts auf den Straßen", eine Fernfahrer-Verführungs-Geschichte, der alte Hans Albers und die junge Hildegard Knef. Regie Rudolf Jugert, am Drehbuch schrieb Helmut Käutner mit. Im Vorspann wird der Film ausgewiesen als "ein Eric Pommer Film".

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