Filmfestival:Leben im Widerspruch

Dragon Iranisches Filmfest

Realität trifft Symbol trifft Groteske in Mani Haghighis Film "A Dragon Arrives!"

(Foto: Cinema Iran)

Die dritte Ausgabe von "Cinema Iran" führt in ein Land, in dem die Aufbruchshoffnung und die Angst vor Repression und Rückschritt sehr nahe beieinander liegen

Von Thomas Jordan

Es ist nur ein zart melancholisches Lächeln, das über das Gesicht des alten, im belgischen Exil lebenden Persischlehrers huscht, als er seiner erwachsenen Schülerin den Unterschied zwischen den Farsi-Schriftzeichen für die Ausdrücke "omid" (Hoffnung) und "no omid", (keine Hoffnung) erklärt. Der Übergang kann fließend sein, wenn es um den Umgang mit Kunst und Kultur im Iran geht. Das zeigt der Dokumentarfilm "I for Iran", der iranischstämmigen Belgierin Sanaz Azari, einer von acht Spiel- und Dokumentarfilmen, die bei der dritten Ausgabe des Iranischen Filmfestivals München im Gasteig zu sehen sind. Unter dem Kino-Liebhaber, Präsident Hassan Rohani darf im Iran wieder die Hoffnung auf größere künstlerische Freiheiten aufkeimen, zugleich fürchtet man den Gegenschlag konservativer Kräfte.

Nur einer der vielen Widersprüche, die das aktuelle iranische Kino bestimmen, wie Silvia Bauer, die Organisatorin des Festivals, betont. Einen "postnationalen Blick" auf den iranischen Film will sie mit ihrer Veranstaltung wagen: Neben Filmen, die im Iran selbst entstanden sind, umfasst die Auswahl auch Werke im Ausland lebender iranischstämmiger Regisseure. Das Festival setzt sich mit dem schwierigen Verhältnis zwischen Diaspora und Herkunftsland auseinander, das vom Kulturbruch im Zuge der islamischen Revolution im Jahr 1979 herrührt. Eine "Sollbruchstelle zwischen der jüngeren und der älteren Generation der Iraner", wie Bauer sagt. Das Leitmotiv des "Cinema Iran" lautet dann auch "Begegnung der Generationen": Drei Viertel der iranischen Bevölkerung sind jünger als 40 Jahre.

Neben den acht Filmen präsentieren eine Fotoausstellung und die Lesung der deutsch-iranischen Autorin Shida Bazyar die gesamte Bandbreite der Widersprüche des iranischen Films. Eine blond gefärbte Afrofrisur sticht dabei aus dem Großstadtdschungel von Teheran heraus: Sie gehört zu Valderrama, einem Jungen, der von ganz unten kommt und sein Glück in der Hauptstadt sucht. Wie sein großes Vorbild, der kolumbianische Fußballstar Carlos Valderrama, will auch er den sozialen Aufstieg über den Sport schaffen und schlägt sich dazu mit Gelegenheitsarbeiten durch. Der Regisseur Abbas Amini lüftet dabei in seiner Inszenierung des harten sozialrealistischen Stoffs zu keinem Zeitpunkt den Schleier des Märchenhaften. Auch so eine Ambivalenz des iranischen Films: Sein Protagonist ist Underdog und schillernder Paradiesvogel zugleich.

Einen Blick auf die Widersprüche am anderen Ende der sozialen Hierarchie ermöglicht die Fotoausstellung "Iran: Generation Post-Revolution". Die Fotografien von Kaveh Rosthamkhani gewähren intime Einblicke in die Alltags- und Feierkultur der jungen iranischen Oberschicht, in der sich der Wunsch nach mehr staatlichen Freiheiten im privaten Raum der Hauspartys sein Refugium geschaffen hat. Die Ausschnitte werden dort tiefer und die Schleier gelöster, Zeit und Energie für politische Proteste bleibt kaum.

Im stärksten Film der Auswahl des "Cinema Iran", "Lantouri", von Reza Dormishian, dessen Hauptdarstellerin Maryam Palizban am Samstagabend für ein Filmgespräch in den Gasteig kommt, stoßen die sozialen Unterschiede im Iran brutal aufeinander: Das Drama, das auch im Programm der diesjährigen Berlinale war, kreist um die prominente Menschenrechtsanwältin Maryam. Ausgerechnet sie, die jahrelang gegen Vergeltungsjustiz gekämpft hat, erstreitet sich das Recht, dem Kriminellen Pasha, der sie aus enttäuschter Liebe mit Säure begossen hat und erblinden ließ, das gleiche Schicksal zuzufügen. Dormishians hoch-ambivalenter Spielfilm kombiniert in atemlos geschnittenen Sequenzen die Frage nach der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz mit Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und der Gleichheit der Geschlechter.

Zum Schluss lohnt noch einmal der Blick auf Sanaz Azaris Selbstversuch, die Kultur ihrer Eltern neu zu entdecken. In ihrem Dokumentarfilm bündeln sich viele der Widersprüche, die das diesjährige "Cinema Iran" ausmachen. Ihr alter Farsi-Lehrer, der aus der Generation der vorrevolutionären Schah-Zeit stammt, lehrt sie am Ende noch ein drittes persisches Schriftzeichen, das wie ein Ausweg aus dem Hoffnungs-Dilemma wirkt: "Omid-Wär" - der Farsi-Ausdruck für jenen Zustand, in dem zwar nicht ungetrübte Hoffnung herrscht, wohl aber Anzeichen dafür vorliegen, dass es sich lohnt, hoffnungsvoll zu sein. Die Qualität der Filmauswahl des "Cinema Iran" gibt dazu berechtigten Anlass.

Cinema Iran, Mi., 6., bis Mo., 11. Juli, Gasteig, Vortragssaal der Bibliothek, weitere Infos: www.cinema-iran.de

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