Film:Schwein gehabt

Der Autor und Illustrator Helme Heine hat weltweit 25 Millionen Bücher verkauft. Einige seiner berühmtesten Figuren, die jetzt im Kino ein neues Abenteuer erleben, hat er in Schwabing entwickelt

Von Barbara Hordych

Südafrika hat Helme Heine geprägt. Mitte der Sechzigerjahre wanderte der gebürtige Berliner dorthin aus. In den zwölf Jahren, die er in Johannesburg lebte, durchlief er die Metamorphose vom Betriebswirtschaftler zum Künstler, der in seiner neuen Heimat nicht nur das politisch-literarische Kabarett "Sauerkraut" gründete, sondern bald auch eine satirische Zeitschrift herausbrachte und als Zeichner, Regisseur, Bühnenbildner und Schauspieler arbeitete. Dort lernte er auch seine zweite Frau Gisela von Radowitz kennen, die später Co-Autorin vieler seiner Bücher werden sollte. Mit 36 wurde er Vater - seine Frau brachte ihre acht und zehn Jahre alten Kinder mit in die Ehe. Deutlich älter also als die Vorschulkinder, die von Donnerstag an den Start des Animationsfilms "Mullewapp - Eine schöne Schweinerei" um die drei berühmten Bilderbuchhelden Franz von Hahn, Johnny Mauser und den dicken Waldemar erleben können.

"Ich schreibe und male sowieso nie für eine festgelegte Altersgruppe, sondern erzähle Geschichten mit elementaren Themen für jedes Lebensalter", sagt der schlaksige und braun gebrannte Mann mit den strahlend blauen Augen in einem Münchner Café. So war es auch schon mit seinem ersten Kinderbuch, dem 1976 erschienenen "Elefanteneinmaleins". Darin legt ein Elefant bis zu seinem 50. Lebensjahr jährlich einen Kloß; mit der einsetzenden "Midlife-Crisis" werden die Klöße immer weniger - bis mit 100 Jahren gar kein Kloß mehr da ist. Und der Elefant weiß, dass sein Leben bald vorbei sein wird. Helme Heines kleines Erstlingswerk zu den großen Themen Wachsen, Werden und Vergehen wurde von der Stiftung Buchkunst mit dem Preis "Schönste deutsche Bücher" ausgezeichnet. "Trotzdem bemängelte es die Kritik zunächst als zu philosophisch für Kinder", sagt Heine. Dabei verstünden Kinder sehr wohl, dass es im Leben "eine Weile aufwärts und dann irgendwann abwärts" gehe. Bezeichnenderweise werde sein Bilderbuch nicht nur in Kindergärten, sondern auch in Altersheimen gerne gelesen, sagt Heine. Der ganz entspannt resümiert: "Meine Bücher sind eben eher Long- als Bestseller". Übersetzt in 35 Sprachen, bringen sie es auf eine Auflage von weltweit 25 Millionen.

MULLEWAPP - EINE SCHÖNE SCHWEINEREI

Fiese Kinostars: Für den neuen Animationsfilm "Mullewapp - Eine schöne Schweinerei" schuf Helme eine saulustige Wildschweinbande.

(Foto: Studiocanal)

Eigenwillig und selbstbewusst verhielt sich Heine schon immer, wenn es um sein künstlerisches Werk ging. Mit den Zeichnungen und dem Text zum "Elefanteneinmaleins" im Gepäck flog er seinerzeit zur Frankfurter Buchmesse, wo er dann Gertrud Middelhauve sein Buch zeigte, die es sofort für ihren Verlag kaufte. "Ich biete Verlegern keine Ideen, sondern nur fertige Werke an, egal ob Roman oder Bilderbuch", sagt Heine. "Von Auftragsproduktionen halte ich nichts, auch wenn dadurch das Risiko immer bei mir liegt."

Sein wohl berühmtestes Werk ist der Bilderbuchklassiker "Freunde" aus dem Jahr 1982. Schon 1977 war Heine mit seiner Familie nach Deutschland zurückgekehrt, zunächst nach Schwabing. In dieser Zeit entstand die Idee zu einem Buch mit dem Thema Freundschaft. "Ein Großteil meiner Leser kann ja gar nicht lesen, also musste ich ein Symbol für die Freundschaft schaffen, das auch Kindern klar macht, worum es geht. Da fiel mir das Fahrrad ein". Um es zum Laufen zu bringen, ist das Zusammenspiel der drei ungleichen Charaktere erforderlich - der Hahn sitzt auf dem Lenker wie auf einer Stange, Maus und Schwein treten die Pedale. "Franz gibt die Richtung vor, der pfiffige Johnny hält die Balance, der dicke Waldemar wirkt durch seine Körperlichkeit", erklärt Heine. Selbstverständlich kommt das Fahrrad als zentrales Freundschafts-Symbol auch im neuen Abenteuer der Mullewapper Helden in vielfältiger Form zum Einsatz: Es kann fliegen, schwimmen und zum Schluss sogar als Tannenzapfenkanone fungieren.

Film: Helme Heine, 75, lebte einige Jahre in Schwabing. Heute wohnen er und seine Frau in Neuseeland.

Helme Heine, 75, lebte einige Jahre in Schwabing. Heute wohnen er und seine Frau in Neuseeland.

(Foto: Helme Heine)

Im Mittelpunkt der Geschichte steht dieses Mal der dicke Waldemar, dessen Geburtstag auf Mullewapp mit einer großen Torte gefeiert werden soll. Doch auf die hat es auch das fiese Wildschwein Horst von Borst mitsamt seiner Bande abgesehen, die die Mullewapper in Angst und Schrecken versetzen. "Anders als beim ersten Film war ich jetzt nicht mehr so stark in die Entwicklung des Drehbuchs involviert. Aber die Antagonisten, die Wildschwein-Bösewichter, stammen von mir", sagt Heine. Wie auch bei seinen anderen Figuren habe er sehr darauf geachtet, sie "rund" zu machen. Wovor könnten beispielsweise die wilden Keiler Angst haben? "Denken Sie nur an die Angst der Vampire vor Knoblauch, genau so suche ich bei meinen Figuren nach der Achillesferse", sagt Heine. Auch ihr Wohnumfeld richte er gedanklich ein und überlege sich ihre Vorlieben: Wie etwa ist das Mauseloch eingerichtet, in dem Johnny Mauser lebt: Schläft er in einer Hängematte oder in einem richtigen Bett? Und der dicke Waldemar - was für eine Musik würde er hören? "Vermutlich Beethoven, der ist ähnlich kraftvoll."

Ganz wichtig sei ihm auch die Körpersprache, "sie sagt so viel über einen Charakter aus", sagt Heine. In seinem Studio hänge ein großer Spiegel, vor dem er ausprobiere, wie jemand sitze oder stehe. So schlägt Bello, der alte Hofhund und Militär auf Mullewapp, beim Ja-Sagen immer die Hacken zusammen. Nur wenn Körpersprache und Figur zusammenpassten, stelle sich beim Betrachter das Gefühl ein, dass es stimmig ist. "Ein Bilderbuch ist für mich kein Buch mit Bildern, sondern immer eine inszenierte Geschichte", sagt Heine, der dabei auch auf seine eigene Bühnenerfahrung zurückgreifen kann. Ähnlich wie beim kleinen grünen Drachen Tabaluga, den er gemeinsam mit Peter Maffay kreierte. "Es war schön, wieder in mein altes Theatergeschäft zurückzukehren, ich habe mir ja nicht nur die Geschichten, sondern auch die Kostüme und das Bühnenbild für das Musical ausgedacht". Übrigens hängt besagter Spiegel in einem Haus in der Bay of Islands - denn Neuseeland ist seit 25 Jahren die Wahlheimat von Helme Heine und seiner Frau.

Und wie hält er seine eigene Balance, zwischen Down Under und Europa, respektive München? Drei oder vier Monate im Jahr verlassen er und seine Frau Neuseeland, um in Europa die Kinder und Enkelkinder zu besuchen und jeweils gezielt ein Land oder eine Region zu bereisen, erzählt Heine. Dieses Jahr seien sie in Südtirol und Norditalien unterwegs, da lag ein Abstecher nach München natürlich nahe. Begeistert war er beispielsweise von der Sorolla-Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle. "Ich trage meinen Skizzen- und einen Notizblock immer bei mir; so halte ich Ideen und Eindrücke fest, die ich später in eine neue Form gieße." Wer weiß also, wohin es die Mullewapper Freunde auf ihrem Fahrrad demnächst noch verschlagen wird.

Mullewapp - Eine schöne Schweinerei; Regie: Theresa Strozyk, Tony Loeser; Buchvorlage: Helme Heine, von 14. Juli an im Kino

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