Film:Rückkehr in die Provinz

Die Tragikomödie "Back for Good" der Münchnerin Mia Spengler

Von Salomé Meier

Am Anfang stand die Idee einer Figur: Angie (Kim Riedle) ist eine jener merkwürdigen, schillernden Figuren unserer Medienwelt, die berühmt sind, ohne dass man genau wüsste, warum eigentlich. Ihr Name ziert die Schlagzeilen von Boulevardzeitungen, fragwürdige Bilder kursieren im Internet und ihr Leben möchte sie in einer Reality-Fernsehsendung vermarkten.

Nach einem öffentlich inszenierten Drogenentzug kehrt Angie, die bei keiner ihrer vermeintlichen Freundinnen Unterschlupf findet, zu Mutter Monika (Juliane Köhler) in die schwäbische Provinz zurück. Neben der Mutter, die ihre skandalträchtige Tochter nur widerwillig bei sich aufnimmt, gibt es noch Angies pubertierende Schwester Kiki (Leonie Wesselow). Als die Mutter einen Zusammenbruch erleidet und ins Spital muss, fällt der zurückgekehrten Tochter die Aufgabe zu, sich um Kiki zu kümmern. In "Back for Good" unternimmt die Regisseurin Mia Spengler den Versuch, die Geschichte einer jungen Frau zu erzählen, von der wir normalerweise nur Posen sehen - und es gelingt ihr dabei, eine komplexe Hauptfigur und eine witzige Tragikomödie zu entwickeln.

Der Film der in München geborenen und heute in Hamburg lebenden Mia Spengler wurde im vergangenen Jahr in der Kategorie "Perspektive Deutsches Kino" auf der Berlinale gezeigt und erhielt diverse Auszeichnungen und Nominierungen, etwa den Förderpreis der DEFA-Stiftung oder den internationalen Filmkritikeraward Fipresci. Diese Woche startete "Back for Good" in den deutschen Kinos. Zur Filmpremiere in ihrer alten Heimatstadt kam die Regisseurin nach München, um abends im Kino Monopol zusammen mit den Schauspielerinnen Kim Riedle und Juliane Köhler ihr Werk vorzustellen. Beim Treffen am Nachmittag hat Mia Spengler gerade noch einen Clip mit den 15-jährigen Youtuberinnen Lisa und Lena für deren Kanal gedreht. Und mit ihnen über Frauen im Filmbusiness und die Bedeutung von Youtube für Teenager auf der ganzen Welt diskutiert. In Spenglers Film ist es Kiki, die Figur der jüngeren Schwester, die ebenfalls einen eigenen Youtube-Kanal hat, mit dem sie - wie die ältere Angie - um Bestätigung und Aufmerksamkeit durch die Außenwelt wirbt.

Back for Good

Eine Szene aus dem Film mit Angie (Kim Riedle, links) und ihrer Schwester Kiki (Leonie Wesselow).

(Foto: Falko Lachmund)

Das Drehbuch zu "Back for Good" schrieb Mia Spengler im Rahmen ihres Abschlusses an der Filmakademie Baden-Württemberg zusammen mit Stefanie Schmitz. Die Faszination für die Figur Angie, die Kim Riedle entgegen ihrem eher zurückhaltenden Naturell im wirklichen Leben auf beinahe unheimliche Weise überzeugend spielt, war für sie getragen von einem emotionalen Interesse: Wie kommt man dazu, sich derart zu exponieren? Was steckt hinter dem Streben nach medialer Aufmerksamkeit um jeden Preis? "Da war eine Vermutung, dass sich hinter all der Maskerade und Inszenierung - dem ganzen Schein und Sein der Filmbranche - ein Mensch verbirgt, der sich sehr nach Liebe und Zuneigung sehnt", erzählt Spengler.

Mia Spengler

Regisseurin Mia Spengler.

(Foto: Oskar Sulowski)

Die psychologische Spurensuche, die Spengler für die Geschichte von Angie betrieben hat, merkt man dem Film an. Dabei habe sie auch viel über sich gelernt, sagt die junge Regisseurin. Doch nicht nur Angie entwickelte sich so zu einem runden Charakter; auch die beiden anderen Protagonistinnen, Mutter Monika und Schwester Kiki, offenbaren angesichts der unverhofften Rückkehr Angies ein komplexes und nicht unproblematisches Beziehungsgeflecht. Jede der Protagonistinnen hat eine bestimmte Krankheit. Aber anstatt den Fokus auf das Leiden zu richten, um Mitleid zu evozieren, thematisiert Spengler Krankheit in "Back for Good" als Machtinstrument, das sich einsetzen lässt, um eigene Interessen zu realisieren.

Am deutlichsten wird dies im Verhalten der Mutter, die sich mit ihren wohl psychosomatisch bedingten Zusammenbrüchen die Aufmerksamkeit und Zuneigung ihrer Töchter erzwingt. Zugleich installiert sie so ein Wertesystem in ihrer Familie, das die Töchter übernehmen. Spätestens da wird klar, dass "Back for Good" sich nicht lediglich lustig macht über C-Promis wie über einschlägige Reality-TV-Formate, sondern dass es sich eine Tragikomödie mit viel Feingefühl für die Brüche und Stärken ihrer Figuren handelt. Und so hält mit Mia Spengler eine neue Stimme in der deutschen Filmbranche Einzug, auf deren nächste Geschichte man bereits gespannt sein darf.

Back for Good, täglich 19.15 Uhr bis 6. Juni im Monopol-Kino, Schleißheimer Straße 127

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: