Film:Monströse, heile Welt

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Wo adrette Barbie-Frauen Kochbücher besprechen und selbstsichere Männer Clubabende veranstalten: Nicole Kidman gerät in Frank Oz' Remake von "Die Frauen von Stepford" in eine trügerische Idylle.

Von Hans Schifferle

Die Risse im amerikanischen Traum hat der Bestseller-Autor Ira Levin in seinen beiden wohl bekanntesten Romanen dargestellt. In "Rosemary's Baby" hat er den heimlichen Horror einer jungen Frau in einem düsteren New York aufgezeigt, in "Die Frauen von Stepford" hat er den subkutanen Schrecken des Zusammenlebens in den idyllischen suburbs porträtiert.

(Foto: Foto: dpa)

Bryan Forbes' erste Verfilmung des "Stepford"-Romans von 1974 mit Katharine Ross und Paula Prentiss war nicht nur böse Satire, sondern auch ein genuiner Horrorfilm über Männer, die sich aus Angst vor der women's lib automatische Frauen basteln wie einst bei E. T. A. Hoffmann. Der Film, in dem die ganze Paranoia der Siebzigerjahre wiederzufinden ist, die modischen und moralischen Exzesse, ist über die Jahre zu einem Kultfilm geworden, vor allem bei Schwulen und Lesben. Es folgten einige Sequels und TV-Ableger, der Begriff Stepford-Frau ist in Amerika gar zu einem Synonym geworden für eine gekünstelte, neurotisch auf Perfektion bedachte Hausfrau.

Und jetzt ist das große Hollywood-Remake da, mit Nicole Kidman in der Hauptrolle, die immer seltsam fremd wirken kann in einer Mischung aus Power und Zerbrechlichkeit.

Eigentlich hat die Kidman schon mal eine Stepford-Frau gespielt, eine Stepford-Frau aus eigenem Antrieb allerdings, in Gus Van Sants unterschätztem "To Die For", in dem das Karrierestreben zum Amoklauf wird.

Adrette Barbie-Frauen

An "To Die For" erinnert sie zu Beginn des neuen Stepford-Films von Frank Oz. In der Rolle der Joanna Eberhard ist sie eine hartgesottene, aber irgendwie fremdbestimmte TV-Macherin, die für geschmacklose Shows über den Geschlechterkampf verantwortlich ist. Als eine ihrer Shows spektakulär schief geht, wird sie im Sender gnadenlos abgesägt und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Um zur Ruhe zu kommen, zieht sie mit ihrem Mann Walter und den Kindern ins malerische, neureiche Kaff Stepford.

Die abgeschottete community, die von dem herrlich bizarren Paar Glenn Close und Christopher Walken geleitet wird, wirkt wie die hyperrealistische Imitation eines konservativ-lieblichen Norman-Rockwell-Amerikas, wie der Cyberspace einer fast monströs heilen Welt, in der im Buchclub adrette Barbie-Frauen Kochbücher besprechen und selbstsichere Männer verspielte Clubabende veranstalten. Ein Deluxe-Kosmos im Stil des High Camp, ein Americana dot.com.

Das ist nun ein besonderer Dreh im neuen Film und wahrscheinlich die wichtigste Aktualisierung, die Drehbuchautor Paul Rudnick und Regisseur Oz am Sujet vornehmen: die latente Unzufriedenheit gerade der Powerfrauen mit ihren Karrieren und die heimliche Sehnsucht nach gefestigten Beziehungen und alten Familienstrukturen wie in den Fifties.

Guruhaft crazy

Sich in eine Ordnung fallen zu lassen, aufzugehen in süßen nichtigen Dingen wie der Kunst der Dekoration oder stilsicherer Kleidung, das ist verlockend, verführerisch, nostalgisch. Zumal auch noch der Sex der Stepford-Paare gut zu sein scheint, wie hysterisch-heftiges Stöhnen beweist. "Let the healing begin..."

Die Wiedergeburt der Frau zeigen Oz und Rudin als komische psychosoziale Regression. Stepford erscheint als eine wilde Mischung aus einer Kommune, die mit Vorgestrigem experimentiert, und einer Irrenanstalt, in der gerade die Leiter besonders crazy sind. Close und Walken haben tatsächlich etwas Guruhaftes, sie sind gewissermaßen die High-Tech-Utopisten eines schwelgerischen Konservatismus im gender-Labor von Stepford.

Wie nun eine staunende Joanna und ein recht begeisterter Ehemann Walter, der immer nur die zweite Geige gespielt hat, sich in der neuen Umgebung bewegen, das erinnert allein durch die Kidman an Kubricks "Eyes Wide Shut": die Ehe- und Sexkrise als Action-Analyse, als tänzelnde Chance am Abgrund.

Schönes Trio

Eine andere, sehr schöne Aktualisierung ist die Mitwirkung eines schwulen Paares. Der smarte, High Camp liebende Architekt Roger Bannister, der von seinem machohaften Lover nach Stepford gebracht wurde, beteiligt sich mit Hingabe an den Aktionen der Girls. Mit Joanna und einer weiteren New Yorker Intellektuellen, der von Selbstzweifeln zerfressenen Schriftstellerin Bobby Markowitz, gespielt von Bette Midler, bildet er ein schönes Trio, das kleinen neugierigen Kindern gleich das seltsame Terrain von Stepford erkundet. Unter Stepfords schimmernder Oberfläche der Perfektion schlummert das Chaos.

Als Joanna merkt, dass sie in der Twilight Zone einer New Economy und neuen Harmonie gelandet ist, muss sie sich auf ihren scheinbar schwachen Mann verlassen. Und da hapert's, an einem neuen Männerbild mangelt es, das sich im titanenhaften Showdown zwischen Patriarchat und Matriarchat, bei dem die Plotwendungen und Geschlechterrollen im Overkill rotieren, eigentlich herausbilden müsste. Matthew Broderick als Walter bleibt leider zweitrangig, eine Marionette, die angeblich Fäden zieht.

"I can do better", hieß am Anfang Joannas TV-Show, in der sich Männer und Frauen gegenseitig ausspielen. Das Komische, auch im Sinne von merkwürdig und unheimlich, am neuen Stepford-Film, den man als Kritik am konservativem Bush-Amerika sehen kann, ist die Skepsis am "do better". Die gefräßige Sehnsucht und das gleichzeitige Festhalten am Status quo ergeben eine Kombination, die einem wie damals bei Levin und Forbes den Boden unter den Füßen wegziehen kann.

THE STEPFORD WIVES, USA 2004 - Regie: Frank Oz. Buch: Paul Rudnick, nach Ira Levins Roman. Kamera: Rob Hahn. Produktionsdesign: Jackson De Govia. Mit: Nicole Kidman, Matthew Broderick, Bette Midler, Glenn Close, Christopher Walken. UIP, 93 Min.

© SZ vom 15.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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