Film "Femme Fatale":Trau keine unter dreißig!

Brian De Palma zieht alle Register in dem Film "Femme Fatale" mit Antonio Banderas und Rebecca Romijn-Stamos. Mit Trailer!

FRITZ GÖTTLER

Dieser Film ist ein Comeback, und das in jeder Hinsicht. Eine Rückkehr nach Paris, in die Hauptstadt des Kinos, ins Reich des Déjà-vu, wo die Zeiten sich überlagern und die Perspektiven sich multiplizieren, aus denen von ihnen erzählt werden kann.

Film "Femme Fatale": Millionenschwerer Schmuck soll einer Frau vom Körper geklaut werden, in einem Spiel von Verführung und Täuschung.

Millionenschwerer Schmuck soll einer Frau vom Körper geklaut werden, in einem Spiel von Verführung und Täuschung.

(Foto: SZ v. 03.03.29-30.2003)

Déjà-vue steht allerdings auf den Plakaten, die in diesem Film auftauchen, denn Brian De Palma wandelt den gern zitierten Terminus ab, in die Femininform. Mit "Femme Fatale", der mit einiger Verspätung nun in die deutschen Kinos kommt, hat er gewissermaßen ein grandioses Gegen-Projekt geschaffen zum Kultfilm "Amélie Poulain".

In beiden Fällen geht es darum, wie man aus den unterschiedlichsten Teilchen ein Bild zusammensetzt von einer Frau und von der Stadt, in der sie lebt, und von den Träumen, die dies Leben prägen. Traum ist nicht Tiefe, sondern oberflächliche Erregung, notierte in seinen Cahiers Paul Valéry, und nahm auf verblüffende Weise De Palmas Kino vorweg: "Handeln ohne zu wollen ... wollen ohne zu können ... wissen ohne gesehen zu haben ... sehen ohne vorherzusehen ..." Wie kann man neue Bilder schaffen, fragt De Palma, wie kann man Bilder neu schaffen.

De Palma hat sicher keine Angst vor dem Déjà-vu, er bekennt sich zur Macht der Oberflächlichkeit und zum Spiel der Illusionen - und er übernimmt das fest umrissene Bild der femme fatale, wie es überliefert wird in Kino- und Kunstgeschichte.

Lässig hingestreckt auf einem Diwan, mit dem Rücken zu uns, den Blick in einen Spiegel vor sich gerichtet, der ihren Körper reflektiert. Venus vor dem Spiegel, beispielhaft realisiert von Velázquez - das Bild wird zitiert in der ersten Einstellung, aber aus dem Spiegel ist ein Bildschirm geworden, und dort sieht die Frau eine Szene aus "Double Indemnity", dem schwarzen Klassiker von Billy Wilder.

Die entscheidende Szene, wenn Barbara Stanwyck sich als femme fatale bekennt und dem von ihr in Bann geschlagenen Fred McMurray in den Bauch schießt. Ich bin verdorben, erklärt sie ihm, in einer Mischung aus Selbstmitleid und Verachtung und - immer noch - Lust und Begehren.

Frau ohne Gewissen, femme fatale ... Die Frau vor dem Bildschirm - Laure, gespielt von Rebecca Romijn-Stamos - erkennt sich wieder in der Frau im Film, ein Effekt, der vertraut ist aus den Filmen von Brian De Palma. Das Kino ist für ihn ein fröhliches Doppelspiel, eine unaufhörliche Spiralbewegung, die sich in sich selbst verliert - hier im Rhythmus von Ravels Bolero, den Ryuichi Sakamoto so schamlos variiert wie De Palma die Motive der Filmgeschichte.

Die Lässigkeit aber trügt in dieser Szene, die Frau ist die volle Konzentration. Sie hat eine Aufgabe zu erledigen, einen spektakulären Coup. Ein millionenschwerer Schmuck soll einer Frau vom Körper geklaut werden, in einem Spiel von Verführung und Täuschung. Und man wird sich nie sicher sein, als Zuschauer, ob man den Zeitpunkt mitgekriegt hat, an dem dieses Spiel wirklich begann. Nach einem letzten Briefing reißt der Partner den Vorhang des Zimmers auf - und gibt den Blick frei direkt auf den roten Teppich des Filmfestivals von Cannes. Starregisseur Régis Wargnier ist auf dem Weg zur Gala seines Films "Est - Ouest", mit Sandrine Bonnaire und einem Starlet, das ein Schlangengeschmeide trägt. In den Posen einer Pressefotografin tänzelt Laure um sie herum, lockt sie weg vom Geschehen ...

Es ist der Film eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat - nach dem kommerziellen und Kritiker-Fiasko von "Mission to Mars" hatte Brian De Palma sich aus Amerika abgesetzt und nach Paris verzogen, er hat die Stadt durchstreift und ihre Orte fotografiert, hat die Kirche Notre Dame de la croix de Ménilmontant entdeckt und - in Erinnerung womöglich an eine ähnliche Kirche in seinem Film "Obsession" - eine Geschichte entwickelt, die noch kühner ausschwingen sollte als alle seine Filme bisher. Es ist ein Film, der an die Wirklichkeit der Träume glaubt und an die Möglichkeit einer zweiten Chance, und der daher dem Zuschauer die Vertrauensfrage stellt, um die man eigentlich nie herumkommt, wenn man das Kino ernst nimmt. Der Diebstahl endet erst mal in einem Blutbad, Laure flieht mit dem Schmuck und ihre Komplizen haben das Nachsehen. In Paris sucht sie eine neue Identität, aber dann wird Paris selbst das Reich hinter den Spiegeln für diese neue coole Alice. Sie erkundet, den Heldinnen von Rivette gleich, geheimnisvolle Orte und überlebt, die Verbeugung vor Hitchcock, der erwartete Vertigo-Effekt, einen "tödlichen" Sturz in die Tiefe. Sie findet Aufnahme in einer Familie und nimmt einen Mann ins Visier, der perfekt ist für ihre Pläne - Antonio Banderas als Paparazzo, der zum Fotokünstler wurde.

Man muss De Palma bedingungslos folgen in diesem Film, in die finstersten Kaschemmen, in die gemeinsten Intrigen. "Die Empfindung", so ein weiteres Valéry-Notat zum Traum, "wird nicht durch Urteile traktiert, die sie entweder annullieren oder klären und transformieren. Sie beherrscht vielmehr alles und verbreitet sich überall." Keine Frage der Moral also, aber De Palma betrügt uns auch nicht, er versorgt uns mit genügend Zeichen, um sich in seinem Traumspiel zu orientieren. Ein paarmal baut er, zugegeben, die Stücke seines Puzzles ein wenig anders zusammen, als es in Wirklichkeit war, Wargniers Film war halt nicht in Cannes, sondern in Locarno zu sehen. Und dass der Titel eigentlich in den Plural gesetzt gehört, wollen wir ihm nachsehen. Da geht es uns wie dem Fotokünstler Banderas - den das Leben gewissermaßen zum Eunuchen macht, der, seinen Apparat in der Hand, die Welt von draußen im Blick behält.FEMME FATALE, USA 2001 - Regie, Buch: Brian De Palma. Kamera: Thierry Arbogast. Schnitt: Bill Pankow. Musik: Ryuichi Sakamoto. Mit: Antonio Banderas, Rebecca Romijn-Stamos, Peter Coyote, Gregg Henry, Rie Rasmussen, Edouard Montoute, Eriq Ebouaney, Thierry Frémont, Fiona Curzon, Daniel Milgram, Régis Wargnier, Sandrine Bonnaire, Gilles Jacob. Solo Film, 112 Minuten.

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