Film: "Die Geisha":Dem Himmel sei Dank für kleine Mädchen

Rob Marshall hat mit den chinesischen Stars Zhang Ziyi und Gong Li Arthur Goldens Bestseller "Memoiren einer Geisha" verfilmt.

Fritz Göttler

Pädagogisch eher unkorrekt ist die entscheidende Szene dieses Films. Ein Mädchen wird auf offener Straße von einem freundlichen Onkel angesprochen, er beugt sich zu ihr hinunter und plaudert, kauft ihr ein Eis mit himbeerroter Soße... Und das Mädchen verguckt sich in ihn, er wird der Mann ihres Lebens und ihrer Träume. Sie beginnt eine Karriere als Geisha, wird ein Superstar im Bezirk, und darf ihm dann, nach etlichen Jahren, in ihrer fragilen, puppenhaften Porzellanschönheit wieder entgegentreten in einem Park, auf einer Party der High Society, in einem Kirschblütenregen.

Die Geisha

Beeindruckend: Der Tanz von Zhang Ziyi in "Die Geisha".

(Foto: Foto: rtr)

Thank heaven for little girls ... An der Verführungsszene hakt die Geschichte der "Geisha" sich fest, an der hier angesprochenen Dialektik von Liebe und Selbstverleugnung, Ausbeutung und Fremdbestimmung, Frauenlust und Männerdominanz - auch die Rolle des guten Onkels muss da neu gesehen werden. The chairman wird er immer nur genannt, makellos verkörpert vom japanischen Weltstar Ken Watanabe.

Die Männer sind namenlos in dieser Geschichte, werden durch ihren Beruf, ihre soziale Funktion bezeichnet. Die Frauen machen ihre Körper zum Kapital, sie verkaufen ihre Unschuld an den Höchstbietenden unter den geilen Greisen - wir haben keine Wahl, klagen sie. Das ist brutal und inhuman, und doch darf man die Vorzeichen der fremden Kultur nicht außer acht lassen - was es bedeutet, sich auf diesen Job, dieses Leben einzulassen, in einer Gesellschaft, die Selbstverwirklichung nicht unbedingt ganz oben platziert.

Das Leben als Performance, darum geht es auch in diesem Film, das Leben als Kunstwerk. Die Geisha-Existenz, das ist einer der härtesten Berufe im Showbusiness. Es ist diese natürliche Beziehung zu seinem geliebten Broadway, die Regisseur Rob Marshall an der Geschichte fasziniert, zu jener "Die Show ist einfach alles"-Tradition, für die er lebt und werkelt. Vom falschen Weg, auf den er sich mit seinem erfolgreichen - und widersinnigerweise oscarprämierten - Musical "Chicago" hat setzen lassen, will er auch mit seinem zweiten Film, der nicht "Kyoto" heißt, sondern "Memoirs of a Geisha", nicht abkommen.

Er inszeniert auch diesmal mit dicken Unterstreichungen und Ausrufezeichen, ohne die Musical-Diskretion, die man zum Beispiel an Minnelli so liebt. Der amerikanischen Kritik hat das nicht gefallen, und schon vor dem Start kamen zudem höchst unwillige Stimmen aus Japan und China dazu: weil er für die Hauptrollen nicht japanische Schauspielerinnen, sondern drei chinesische Topstars nahm - Zhang Ziyi, Gong Li und Michelle Yeoh. Was sowohl die Japaner wie die Chinesen als Brüskierung empfanden: Alle Asiaten schauen irgendwie gleich aus, sagt der Film, und Hollywood weiß am besten wie.

Ansonsten ist "Die Geisha" eine fernöstliche Aschenputtel-Geschichte. Das Mädchen Chiyo wird aus der Provinz an eine Geisha-Mutter aus der großen Stadt verkauft, in ein Gewerbehaus im Hanamachi, im Bezirk. Als man ihre Qualitäten entdeckt, wird sie, Zhang Ziyi, zur Geisha hintrainiert, mit Kosmetik und Tanz und Gesang, sie lernt die tricks of the trade und nimmt den Namen Sayuri an.

Und sie wird in einen internen Machtkampf verwickelt zwischen Stiefmutter, einer bösen Stiefschwester - großartig: Gong Li - und der guten Fee, Michelle Yeoh. Sie fungiert als Objekt der Blicke und der Liebe - aber mit Prostitution, so die Botschaft des Business, hat das nichts zu tun. Später, wenn der Krieg die Glamourgesellschaft zerbrochen hat, gewinnt sie Natürlichkeit zurück. Und muss, im Dienst des nationalen Wiederaufbaus, nun wirklich als Prostituierte anheuern, um einem US-Besatzungsoffizier Konzessionen zu entlocken für die Onkel.

Was das Geisha-Leben an Leiden bedeutet, weiß man aus den Filmen von Mizoguchi oder Naruse. Anders als diese kennt Rob Marshall keine Zurückhaltung in den Emotionen, er inszeniert das Schicksal Sayuris als fernöstlich-feminine Oliver-Twist-Version. Das Hollywoodkino als Prokrustesbett, in dem individuelle Subtilitäten, nationale Charakteristika, historische Details ignoriert werden - das ist ein alter Vorwurf. Auch Steven Spielberg, der einer der Produzenten und treibende Kraft des "Geisha"- Projekts war, wird er gerade gern gemacht bei seinem Film "Munich", der nächste Woche in unsere Kinos kommt.

"Munich" ist inspiriert von den Ereignissen in Folge des Olympia-Attentats 1972, aber er nimmt sich die berechtigte Freiheit, die Ereignisse umzuformen in ein dichtes filmisches Trauma. Und was den Umgang mit nationalen Stereotypen angeht, könnte Rob Marshall sich auch an Ang Lee orientieren, der Zhang Ziyi eine ihrer ersten großen Rollen gab in "Tiger & Dragon" und nun den Kernmythos Amerikas erforschte, das Cowboyleben, in "Brokeback Mountain".

Man kann natürlich nicht ernsthaft etwas sagen gegen die konzentrierte Präsenz von Zhang Ziyi, Gong Li und Michelle Yeoh auf der Leinwand. Aber Rob Marshall mag sich bei aller Begeisterung nicht einlassen auf die fremde Gesellschaft und ihre Rituale, er sucht nie die Ordnung, die die andere Kultur konstituiert, sondern wirbelt alles durcheinander mit seiner kreativen Konfusion - und riskiert es, dass der Unterschied verschwimmt zwischen Geisha und Prostitution. "Eine Geschichte wie die meine", sagt Sayuri, "sollte nie erzählt werden. Meine Welt ist so verboten wie zerbrechlich. Ohne ihre Geheimnisse kann sie nicht überleben."

MEMOIRS OF A GEISHA USA 2005 Regie: Rob Marshall Buch: Robin Swicord, Doug Wright Nach dem Roman von Arthur Golden Kamera: Dion Beebe Musik: John Williams Schnitt: Pietro Scalia Mit: Zhang Ziyi, Ken Watanabe, Michelle Yeoh, Gong Li, Koji Yakusho, Youki Kudoh Warner, 144 Minuten.

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