Film "Diana" startet in Großbritannien:Zu berühmt für die Liebe zu einem Normalsterblichen

Der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel hat die Lebensgeschichte von Princess Diana mit Naomi Watts in der Hauptrolle verfilmt. Dabei konzentriert er sich ausgerechnet auf ein Abenteuer Dianas, über das nicht nur er am wenigsten weiß - ihre Liebe zum Herzchirurgen Hasnat Khan.

Von Alexander Menden, London

Es gibt zwei Szenen in Oliver Hirschbiegels "Diana", in denen der Regisseur seine Protagonistin zur Erlöserfigur macht. Einmal gestattet die Prinzessin, umgeben von einem Wald aus Kameras, einem blinden Mann, dessen größter Wunsch es ist, sie zu treffen, ihr Gesicht abzutasten. Später fährt sie in einem Konvoi durch das kriegsverwüstete Bosnien und erblickt am Straßenrand einen Friedhof. "Halt an!" ruft sie dem Fahrer zu, springt aus dem Wagen und eilt zu einer Frau, die an einem Grab trauert. "Dein Sohn?", fragt Diana, deren reine Anwesenheit scheinbar den Schmerz der Mutter lindern kann.

Gut möglich, dass diese Situationen auf wahren Begebenheiten beruhen. Doch erst durch Hirschbiegels Inszenierung gewinnen sie etwas entschieden Jenseitiges. Die selige Rührung, die sich in den Zügen des blinden Alten abzeichnet, grenzt an Ekstase, und schwellende Sphärenklänge überfluten gänzlich die Tonspur: Diana, Trösterin der Mühseligen und Beladenen.

Königliche Hände mit heilender Wirkung

Der Unfalltod der Princess of Wales am 31. August 1997 in einer Pariser Unterführung gilt als der Augenblick, in dem die britische "stiff upper lip" zu zittern begann. Es ist britische Sprachregelung, dass die Briten sich durch dieses Ereignis ermächtigt fühlten, vor dem Tor des Kensington Palace nicht nur Blumen niederzulegen, sondern auch hemmungslos zu weinen. In Wirklichkeit war es die Prinzessin selbst, die diese Schleuse der öffentlichen Emotion öffnete.

Wenn Diana Aidspatienten umarmte und angesichts von kriegsversehrten Kindern feuchte Augen bekam, griff sie auf eine verdrängte britische Tradition zurück. Bis zu den verkniffenen Viktorianern war es Teil der Staatsräson gewesen, bei öffentlichen Anlässen Gefühl zu zeigen. Der Berührung durch königliche Hände schrieb man Heilwirkung zu.

Ob Oliver Hirschbiegel so historisch denkt, sei dahingestellt. Der deutsche Regisseur ist jedenfalls nach eigener Aussage, anders als viele seiner Landsleute, kein Royalist. Und wenn er Diana stellenweise hemmungslos überhöht, macht er nicht nur ein Zugeständnis an ihr verklärtes Image. Er weicht damit vordergründig auch vom narrativen Kurs seines Films über ihre letzten Lebensjahre ab. Denn "Diana", der an diesem Donnerstag in London Premiere feierte (in Deutschland ab 9. Januar 2014), erzählt vor allem eine Liebesgeschichte

Vom "Untergang" zu "Diana"

Bereits 2000 veröffentlichte Kate Snell ein ziemlich spekulatives Buch über Dianas wenig bekannte Affäre mit dem pakistanischen Herzchirurgen Hasnat Khan. Khan selbst war der Autorin damals ebenso wenig behilflich wie jetzt den Produzenten des Films, der auf Snells Buch basiert. "Diana" stütze sich auf "Klatsch und Tratsch von Dianas Freunden, die von einer Beziehung reden, über die sie nicht viel wussten", sagte Khan jüngst in einem Interview mit der Mail on Sunday. Er will sich den Film nicht ansehen.

Nun stand mangelnder Zugang zu Primärquellen dem Erfolg eines Films noch nie entgegen, wie Stephen Frears' "Die Queen" zeigte, mit dem das Publikum unweigerlich Vergleiche ziehen wird. Zudem hat Oliver Hirschbiegel mit der Vermenschlichung historischer Gestalten Erfahrung. Bei "Der Untergang" mit Bruno Ganz als emotionalem Hitler brachte ihm das Kritik und Häme ein. Und auch wenn Prinzessin Di das diametrale Gegenteil zum Diktator ist, bleibt die Frage, ob "Diana", ausgehend von den wenigen gesicherten Fakten, eine interessante, erhellende Geschichte erzählt.

Gebrochene Herzen und andere Plattitüden

Wir schreiben das Jahr 1995. Diana Spencer und Charles Windsor leben getrennt. Die Prinzessin, gespielt von Naomi Watts, hat den Kensington Palace bezogen, den Hirschbiegel als goldenen Käfig mit Interieurs aus Architectural Digest inszeniert. Einsam sitzt sie am Flügel vor seidenen Draperien und spielt stockend die Mondscheinsonate. Nur die Vertraute Sonia (Juliet Stephenson) und die irische Akupunkteurin Oonagh (Geraldine James) bieten ihr Gelegenheit, ihr Leid zu klagen. "Das schwerste ist es doch, Liebe annehmen zu können", sagt Oonagh weise, während sie Nadeln in Dianas Füße steckt.

Naomi Watts ist nach Helen Mirren als Queen und Meryl Streep als Maggie Thatcher der dritte Weltstar, die sich an eine Figur aus der jüngsten britischen Geschichte wagt. Eine Kombination, die sich als so wirksam erwiesen hat, dass schon vor der Premiere darüber spekuliert wurde, ob wohl auch Watts mit einer Oscar-Nominierung rechnen könne.

Auf jeden Fall macht sie ihre Sache gut. Während sich etwa Meryl Streep Gesten und Sprechweise ihrer Figur ganz und gar zu eigen machte, verzichtet Naomi Watts auf allzu viel Imitation, auch weil sie Diana so gar nicht ähnlich sieht. Sie hat sich mimische Manierismen beigebracht - der scheue Lidschlag, gefolgt vom Aufwärtsblick mit seitlich geneigtem Kopf. Die aufeinander gepressten Lippen, die stets ein Lächeln zu unterdrücken scheinen. Im Film übt Diana das alles, als sie sich auf das berühmte TV-Interview über ihre Scheidung im November 1995 vorbereitet. Diese Prinzessin ist eine Darstellerin ihrer selbst.

Sollbruchstellen einer Beziehung

Als Oonaghs Mann nach einer Bypass-Operation im Krankenhaus liegt und Diana sie dort besucht, lernt sie Hasnat Khan kennen. Naveen Andrews, bekannt als Sayid aus der Fernsehserie "Lost", spielt den Chirurgen als aufrechten, ganz seiner Arbeit verschriebenen Mann, der aber auch Jazz, Fußball und Zigaretten liebt. Diana ist sofort hin und weg. Was folgt, ist eine zunächst tastende, dann immer leidenschaftlichere Annäherung zweier Menschen aus zwei verschiedenen Welten. Von da an dreht sich alles nur noch um die Frage: Sind diese beiden Welten vereinbar?

Es folgt eine lange Reihe von Ablenkungsmanövern, Verkleidungen und geliehenen Autos, mit deren Hilfe das Paar seine Beziehung geheim zu halten versucht. Die Konstellation erinnert an die Komödie "Notting Hill". Mit dem Unterschied, dass dort Hollywoodstar Julia Roberts und Buchhändler Hugh Grant trotz vieler Verwicklungen ein Happy End winkt.

"Diana" steuert, soviel historische Genauigkeit muss sein, unweigerlich auf eine Tragödie zu. Sie reist nach Pakistan, um den Segen seiner strengen Mutter einzuholen, und lässt ihre Beziehungen spielen, um Hasnat einen Job in den USA zu verschaffen, damit sie dort zusammenleben können. Sie denkt, sie tue ihm einen Gefallen, wenn sie den berühmtesten Herzchirurgen, Professor Barnard, um Hilfe bittet. Hasnat wird sich das wütend verbitten. Das, was für normale Menschen schwierig wäre, fällt Diana leicht. Dafür kann sie nicht wie normale Menschen auf die Straße gehen. Das sind dann die Sollbruchstellen der Beziehung.

Plattitüden und Gespräche wie aus einem Arztroman

Da nichts über das Privatleben Khans und Dianas bekannt ist, hat Drehbuchautor Steven Jeffreys bis dahin allerdings völlig freie Hand, sich auszumalen, was hinter den Vorhängen von Kensington Palace vor sich ging. Wenn man Jeffreys glauben darf, dann führten Diana und Hasnat dort vor allem Gespräche, die direkt aus einem Arztroman stammen könnten.

Bei ihrem ersten gemeinsamen Dinner fragt Diana den Chirurgen ernsthaft, ob es wirklich so etwas wie ein gebrochenes Herz gebe? "Auch wenn meine Kollegen nicht zustimmen", antwortet Hasnat, "Ich glaube, dass Maria Callas an gebrochenem Herzen gestorben ist." Er habe als Chirurg "Macht über den Tod", sagt Diana bewundernd, während Hasnat bescheiden abwehrt: "Du vollziehst die Operation nicht, sie vollzieht dich." Beim Besuch eines diesigen Strandes, verspricht Diana: "Diese Welt gehört uns. Diese, und auch die Welt da draußen." Und Onkel Samundar fasst es netterweise noch einmal für Hasnat und das Publikum zusammen: "Gott hat dich zweifach gesegnet, mit einem guten Job und einer wundervollen Freundin. Aber kannst du beides haben?"

Solche Plattitüden untergraben Hirschbiegels Versuch, Diana als ebenso einsame wie komplexe Gestalt zu zeichnen. Als Frau, die einfach zu viel Liebe zu geben hatte, ganz gleich, ob sie sich heimlich in Hasnats Wohnung schleicht und sie putzt, oder als Quasi-Heilige mutig vor der Weltpresse durch Minenfelder läuft, um Kinder vor Verstümmelungen zu bewahren. In einer Szene hetzt eine Meute brüllender Paparazzi Diana durch eine Londoner Einkaufsstraße. Sie flieht und kauert sich unter Blitzlichtgewittern in ein Taxi, das Gesicht auf den Knien: Ein Bild, das besser als tausend banale Worte die Frage beantwortet, ob die Beziehung der berühmtesten Frau der Welt zu einem Normalsterblichen möglich gewesen wäre.

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