Film:Komödie: Könnte Bayern nicht doch alleine?

Film: Entspannt sitzt Eisi Gulp im Hintergrund der Film-Klappe, die hier weiß-blau daherkommt.

Entspannt sitzt Eisi Gulp im Hintergrund der Film-Klappe, die hier weiß-blau daherkommt.

(Foto: Claus Schunk)

Diese Frage wird im Film "Austreten" vom Ministerpräsidenten aufgeworfen. Es folgen Konflikte zwischen Dialekten und ein Roadtrip durch Bayern.

Von Valentina Finger

Es ist schon ein äußerst unerwartetes Bild: Der bayerische Ministerpräsident schlurft in Schlappen durch das Gras, auf zwei Kartoffeln schälende Landsleute zu. Um die drei herum gibt es nichts außer einer Wassermühle, Baumwipfel und Wiesen, ein Lagerfeuer knistert neben dem Tischlein, im Hintergrund rauscht ein Bach. Dieses Idyll ist das, was man durch die Kamera sieht und hört. Doch in Wahrheit wuseln noch sieben weitere Personen um das Trio herum. Sie hantieren mit Klemmbrettern, Film- und Tonvorrichtungen, diskutieren über das korrekte Drapieren von Kartoffelschalen, und immer wieder hört man jemanden rufen: "Noch mal bitte!"

Am häufigsten kommt diese Anweisung von Andreas Schmidbauer, dem Kameramann und Gründungsmitglied von Schmidbauer-Film. Wer Heimatfilme mag, kennt die Gruppe aus dem Chiemgau, bestehend aus sieben Cineasten zwischen 22 und 26 Jahren, vielleicht von ihrem Überraschungshit "Hinterdupfing", der es 2014 hierzulande bis an die Spitze der Kinocharts deutscher Filme schaffte. Mitten im oberbayerischen Nirgendwo, im Mühltal zwischen Nußdorf am Inn und Samerberg im Landkreis Rosenheim, haben die jungen Filmemacher kürzlich mit den Dreharbeiten zu ihrer neuen Komödie "Austreten" begonnen, die im Sommer 2017 in die Kinos kommen soll.

Ein Missverständnis bildet die Ausgangslage der Geschichte: Weil sich der bayerische Ministerpräsident auf einer Pressekonferenz unklar ausdrückt, entfacht er einen Medien-Hype um die Frage, ob der Freistaat aus Deutschland austreten soll. Um dem Trubel um seine Person zu entkommen, flieht er aufs Land. Dort beginnt die eigentliche Handlung, die sich aus Konflikten in der Familie, diversen Dialekten und einem Roadtrip quer durch Bayern zusammensetzt.

Obwohl es naheliegt, hat die Rahmenhandlung nichts mit dem geplanten EU-Austritt des Vereinigten Königreichs zu tun. "Als wir die erste Idee hatten, war der Brexit noch gar nicht aktuell. Wir haben uns die Frage gestellt: Worüber hat jeder Bayer schon einmal in irgendeiner Form nachgedacht?", sagt Tanja Schmidbauer, die 2003 mit ihrem Bruder Andreas und ihrem Cousin Thomas Schmidbauer mit einer Lego-Filmkamera den Grundstein für das jetzige Filmteam legte.

Ihre Antwort lautete: Bayerns Souveränität. Während in der politischen Welt des Films zum Beispiel der B-7-Gipfel der bayerischen Regierungsbezirke tagt, versucht der Ministerpräsident, sich wieder in einer Welt jenseits der Politik zurechtzufinden. Gespielt wird er von Markus Böker, der bereits als Nebenfigur in "Hinterdupfing" zu sehen war. Ein Vorbild für die aktuelle Rolle hat er sich nicht genommen: "Seehofer ist schwer kopierbar, für Stoiber hätte ich bloß ein paar Ähms einbauen müssen. Ich stelle mir lieber vor, wie ich selbst als Ministerpräsident sein könnte", sagt der 50 Jahre alte Schauspieler.

Dreharbeiten wie Urlaub

Das Umland des ersten Drehorts kennt Böker noch von seiner Zeit als Ermittler Ulrich Satori bei der TV-Serie "Die Rosenheim-Cops". Dreharbeiten an solchen Sets fühlen sich für ihn immer an wie Urlaub: "Als der Eisi vorhin im Liegestuhl saß und Zeitung gelesen hat, habe ich ihn gefragt: Arbeitest du, oder machst du Ferien?" Eisi ist der Münchner Kabarettist Eisi Gulp, der derzeit auch wieder als chaotischer Vater des Protagonisten in der Krimi-Verfilmung "Schweinskopf al dente" im Kino zu sehen ist.

Er und Hubert Schlemer spielen die beiden Mühlenbesitzer, bei denen der Ministerpräsident erstmals lernt abzuschalten. Viele andere Rollen übernehmen die Mitglieder von Schmidbauer-Film selbst. Weil man auf diese Weise flexibler ist - und weil man als Independent-Team, trotz eines finanziellen Polsters aus Fördergeldern und den Einnahmen von "Hinterdupfing", sparen muss.

Film: Keine Frage: Die Komödie "Austreten" ist eine durchweg bayerische Produktion. Gedreht wurde unter anderem in Nußdorf am Inn.

Keine Frage: Die Komödie "Austreten" ist eine durchweg bayerische Produktion. Gedreht wurde unter anderem in Nußdorf am Inn.

(Foto: Claus Schunk)

Auch den Verleih machen sie wieder in Eigenregie. Außer Tanja und Andreas Schmidbauer ist keiner aus der Gruppe beruflich in der Filmbranche aktiv: Thomas Schmidbauer und Christoph Obermair sind Polizisten, Andreas Obermeier arbeitet als Mechatroniker, Maximilian Schaffner als Konfektionär und Maurice Back hat Japanologie studiert. "So wie andere Fußball spielen, machen wir Filme. Wir wollen uns daran nicht bereichern", sagt Tanja Schmidbauer, die Produktion an der Münchner Filmhochschule studiert und in "Austreten" die Tochter des Ministerpräsidenten spielt.

Jeder inszeniert mit

Die Dreharbeiten - im Herbst soll der komplette Film im Kasten sein - führen die sieben von ihrer Heimat am Chiemsee mitunter nach München, Franken oder an ein Hopfenfeld in der Holledau. Auf ihrer Kinotour zu "Hinterdupfing" hätten sie viele Orte gesehen, an denen sie gerne einmal drehen wollten, erzählt Tanja Schmidbauer. Außerdem hätten sie einen Aufruf via Facebook gestartet, wobei Fans aufgefordert wurden, Fotos von geeigneten Locations einzusenden. Über solche Umwege sind sie auch auf die alte Mühle gekommen, wo sich die ersten Szenen im Drehplan abspielen.

Dort werden für die nächste Aufnahme neue Holzscheite angeschleppt und Kartoffelknödel aus Fertigteig geformt. Der Ministerpräsident und die Mühlenbesitzer sitzen bereit. Weil Andreas Schmidbauer als hauptberuflicher "Stereoscopic Technician", ein wichtiger Mitarbeiter am Set eines 3-D-Films, ein Profi ist, steht er hinter der Kamera. Ansonsten ist die Rollenverteilung im Team sehr offen. "Unser Set funktioniert anders als die meisten. Jeder inszeniert bei uns mit, wo er kann", sagt Tanja Schmidbauer. Passenderweise fragt Hubert Schemel irgendwann spaßeshalber: "Wer ist eigentlich der Regisseur?" Und es ist kein Wunder, dass die Antwort prompt und einstimmig lautet: "Wir alle."

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