Film: Böses Schneewittchen

Foto: Weltkino

Rooney Mara gehört zu den spannendsten Darstellerinnen in Hollywood. Jetzt ist sie im Lolita-Drama "Una & Ray" zu sehen.

Dass ältere Männer auf junge Frauen stehen, ist kein Geheimnis. Aber die Liebe zwischen einem dreizehnjährigen Mädchen und einem erwachsenen Mann - das ist ein Tabu. Der schottische Dramatiker David Harrower hat eine solche Beziehung in seinem Theaterstück "Blackbird" von 2005 thematisiert. Dieses ist die Grundlage des Spielfilms "Una & Ray", das Kinodebüt des australischen Regisseurs Benedict Andrews, das seit Donnerstag im Kino läuft. Im Stück treffen sich Una und Ray 15 Jahre nach ihrer Affäre wieder, der Film erweitert diese Begegnung durch Rückblenden, die wie Erinnerungsfetzen zwischen den beiden hängen. Ray ist damals verurteilt worden, musste ins Gefängnis, hat sich mittlerweile ein neues Leben aufgebaut. Una hat ihre erste sexuelle Erfahrung nie richtig verarbeitet. Sie wird von der wunderbaren amerikanischen Schauspielern Rooney Mara gespielt, die zu den spannendsten Darstellerinnen der jungen Hollywoodgeneration gehört. Entdeckt hat sie der Regisseur David Fincher. Er gab ihr zunächst eine kleine Rolle in seinem Facebook-Drama "The Social Network", als Exfreundin von Mark Zuckerberg. Dann besetzte er sie für sein Remake des Bestellers "Verblendung" von Stieg Larsson, diesmal in der Hauptrolle als Lisbeth Salander, wofür sie 2012 eine Oscarnominierung als beste Hauptdarstellerin bekam. Sie hat etwas Schneewittchenhaftes, so wie einst Audrey Hepburn, spielt ihre Figuren aber mit einer ungeheuren Kraft. Das kann man in dem kleinen Independentfilm "Una & Ray" fast noch besser sehen als in den großen Blockbustern, die sie gedreht hat. Die grazile Rooney Mara wirkt auf den ersten Blick wie ein verletztes Reh, scheuer Augenaufschlag, devote Gesten. Sobald der Zuschauer sie aber in eine Schublade gesteckt hat, dreht sie den Spieß um und entwickelt sich zu einer Frau, die mit aller Gewalt ihre Vergangenheit verstehen will. Was ist ihr damals passiert? War der Mann ihr Peiniger oder ihr Liebhaber? Aus einer Frage, die aus moralischer Sicht blitzschnell zu beantworten ist, macht sie ein kompliziertes Rätselspiel, welches das Drama schließlich zum Thriller werden lässt.