Film:Bilder auf Goldgrund

Somnium

Joe Ramirez: "Somnium".

(Foto: Joe Ramirez)

Joe Ramirez zeigt in Berlin "Somnium". Der Film basiert auf einer Erzählung des Astronomen Johannes Kepler, projiziert wird er auf eine Scheibe aus Gold.

Von Dorion Weickmann

Der Saal ist dunkel, so schwarz, dass niemand den Nachbarn erkennt. Vorne geht ein Vorhang auf und gibt den Blick auf eine Goldscheibe frei. Stille senkt sich über das Publikum, eine Art meditativer Andacht. Während das Gold beinahe zu atmen scheint, bevor zarte Farbflechten über seine Oberfläche gleiten. Sie schimmern dunkelblau und purpurrot, um im nächsten Moment wie Nebelschwaden davonzuziehen. Dann tauchen am Bildrand links und rechts die Umrisse eines Bergmassivs auf, in der Mitte strömt ein Fluss dahin und entführt den Betrachter in eine andere Welt - in einen Kosmos voller Träume und Albträume.

Erdacht hat ihn der amerikanische Freskenmaler und Möbelbauer Joe Ramirez, der, wie er sagt, in Berlin gestrandet ist, als Ateliers und Wohnräume noch erschwinglich waren. Dass sein Projekt, die "Gold Projections", je Museumsreife erlangen könnte, erschien undenkbar. Jahrelang tüftelte er an der Installation, die aus zwei Komponenten besteht: einer mit Blattgold veredelten Holzscheibe von zweieinhalb Metern Durchmesser, auf die digitales Filmmaterial projiziert wird. Der Regisseur Wim Wenders und der Fotograf Jim Rakete wurden auf Ramirez aufmerksam und stellten sich sofort als "Paten" dieses Werks zur Verfügung, das nun noch bis 19. Januar in der Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum zu sehen ist.

Was einer Zeitreise gleichkommt, denn die "Gold Projections" sind eine Hommage an die mittelalterlichen Meister, auf deren Gemälden sich das Firmament noch goldfarben über Heiligenköpfen wölbt. Der Film wiederum steht für die Moderne, seine Bilder erinnern zugleich an Georges Méliès' erste Überblendungs-Experimente bei der Adaption von Jules Vernes "Reise zum Mond" und an die nostalgischen Phantasmagorien eines Andrej Tarkowski. Knapp zwei Stunden dauert "Somnium", Ramirezʼ filmische Interpretation einer Erzählung des Astronomen Johannes Kepler, der sich 1608 eine Mondfahrt ausmalte. Was Joe Ramirez daraus macht, betört Herz und Verstand und alle Sinne. Und wirkt so intensiv nach wie Stanley Kubricks "A Space Odyssey".

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