"Fikkefuchs" im Kino:Der verunsicherte Mann

"Fikkefuchs" im Kino: Zwei Typen, die wollen, aber nicht können: Rocky (Jan Henrik Stahlberg, links) und Thorben (Franz Rogowski) im Film "Fikkefuchs".

Zwei Typen, die wollen, aber nicht können: Rocky (Jan Henrik Stahlberg, links) und Thorben (Franz Rogowski) im Film "Fikkefuchs".

(Foto: Alamode Film)

Der Film "Fikkefuchs" zeigt Männer, die nicht mehr mit Frauen umgehen können. Er ist die düstere Vision einer Gesellschaft, die nichts aus der #MeToo-Debatte gelernt hat.

Von Julian Dörr

Ist das noch ein Kompliment? Oder ist das schon Sexismus? Zwischen den Enthüllungen der vergangenen Wochen, von Harvey Weinstein über Kevin Spacey bis zu Louis C.K., und der Debatte über sexualisierte Gewalt spitzte immer wieder diese Frage durch: Was darf ich als Mann noch? Es wurde gewarnt vor sterilen, sexbereinigten Geschlechterverhältnissen, vor "amerikanischen Zuständen", in denen Männer und Frauen einander nicht mehr trauen. Wo Männern geraten wird - nach Vorbild des US-Vizepräsidenten Mike Pence - nicht mehr alleine mit einer Frau im Aufzug zu fahren. Der eigenen Sicherheit wegen.

Alltäglicher Sexismus auf der einen Seite. Verunsicherte Männer auf der anderen. Eines der entlarvendsten und vielsagendsten Zitate aus der Sexismus-Debatte der vergangenen Wochen stammt vom US-amerikanischen Schauspieler Andy Dick. Der sagte, nachdem er wegen sexueller Belästigung von einem Filmset geworfen worden war, in einem Interview mit dem Hollywood Reporter: "Ich kenne den Unterschied nicht zwischen sexueller Belästigung und dem Versuch, ein Date zu bekommen." Alles schwierig, alles kompliziert. Sicherlich, Andy Dick ist ein Einzelfall. Eine Zuspitzung, ein pathologischer Grenzenüberschreiter. Seine Unsicherheit im Umgang mit Frauen aber ist etwas, das man gerade bei vielen Männern auf die ein oder andere Weise spüren kann.

Diese große männliche Verunsicherung bekommt nun einen eigenen Film. Er heißt "Fikkefuchs", läuft gerade in den deutschen Kinos an und hat damit das Glück, zum absolut richtigen Zeitpunkt zu kommen.

"Fikkefuchs" erzählt die Geschichte von Rocky, der einmal der "größte Stecher von Wuppertal" war und heute mit Pissfleck auf der Jeans im Squash-Club jungen Frauen hinterhersteigt. Eines Tages steht Vielleicht-Sohn Thorben vor seiner Berliner Wohnungstür. Er ist aus der Psychiatrie abgehauen, hat in den ersten Filmminuten schon versucht, eine Kassiererin zu vergewaltigen, und mindestens sieben Frauen das Wort "Fotze" entgegengespuckt. So weit also die Ausgangslage.

Thorben will von Rocky lernen, wie man mit Frauen umgeht. Was heißt: Wie man sie ins Bett bekommt. Wie man sie willig macht. Für Sex bezahlen will Thorben nämlich nicht. Er will, dass sie ihn wollen. In Pornos sähe das alles so einfach aus. Und in echt? Alles schwierig, alles kompliziert. Auch Thorben kennt den Unterschied nicht zwischen sexueller Belästigung und dem Versuch, ein Date zu bekommen.

"Fikkefuchs" ist Satire, ein zugespitzter Film über Männer in der Krise. Er zerlegt diese Typen, deren Leben von Sexismus vergiftet wurden. Sie scheitern an ihren Vorstellungen von Männlichkeit ebenso wie an ihrem gestörten Verhältnis zu Frauen. Man könnte "Fikkefuchs" also als einen zynischen Kommentar zur aktuellen Debatte lesen. Sexisten sterben einsam, oder so.

Es geht bei sexualisierter Gewalt nicht um Sex, es geht um Gewalt

Die Männer in diesem Film sind total verloren, nicht nur Rocky und Thorben, auch die anderen traurigen, penisgelenkten Gestalten, die sich irgendwann zusammenrotten, in einer Mischung aus Selbsthilfegruppe und Pick-up-Artist-Meisterklasse. Die Frauen hingegen sind kühl und abweisend, immer Herrinnen der Lage, immer haben sie die Oberhand, stark und selbstbestimmt, wie die Kneipenbesitzerin, die Rockys und Thorbens frauenfeindliche Ausflüsse pariert.

Das alles ist komisch überzeichnet, keine Frage. Der Film zieht seinen Witz aber aus der Tatsache, dass hinter den Karikaturen Rocky und Thorben eine real existierende, männliche Skepsis gegenüber dem Feminismus steckt. Gegenüber dieser - aus der Perspektive dieser Männer - überregulierenden und verbietenden Macht, die das schöne, einfache und aufregende Leben weniger schön, weniger einfach und weniger aufregend macht. Eine Skepsis, die auch zwischen den Zeilen vieler Beiträge und Kommentare zur aktuellen Debatte lauerte. Tonfall in etwa: Sicher, Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt sind schlimm, verachtens- und bestrafenswert. Aber bitte, liebe Feministinnen und Feministen, nehmt uns doch jetzt nicht die Erotik aus dem Flirten, die Ungewissheit, die Spannung, den Spaß.

Als ob, wer das eine wolle, das andere zwangsläufig akzeptieren müsse. Als ob Aufregung und Knistern nur dann existieren könnten, wenn zumindest die Möglichkeit einer sexuellen Übergriffigkeit in der Luft hinge. Es geht bei sexualisierter Gewalt nicht um Sex, es geht um Gewalt.

Die Männer in "Fikkefuchs" sind verunsichert. Verunsichert von einer Welt, die Typen wie sie aussortiert hat. Verunsichert von den Frauen, die Typen wie sie nicht mehr gebrauchen können. Rocky und Thorben verstehen das nicht. Für sie ist alles schwierig, alles kompliziert. "Fikkefuchs" ist so etwas wie die düstere Vision einer Gesellschaft, die nichts aus der #MeToo-Debatte gelernt hat. Eine Gesellschaft, in der die Männer vor der angeblichen Komplexität der Beziehungen zwischen Männern und Frauen kapitulieren. Und sich auf ihre Unsicherheit zurückziehen. Doch die ist meistens nichts weiter als eine Ausrede. Wer grundsätzlich zu Empathie fähig ist, der spürt ganz genau, wo die Grenze verläuft zwischen harmlosem Schäkern und einem unangebrachten Übergriff.

Rocky und Thorben sehen diese Grenze nicht. Weil ihnen die Voraussetzung dazu fehlt. Die Voraussetzung, dass man sich mit dem sexistischen System beschäftigt. Und mit der eigenen Position darin. Mit den gesellschaftlichen Hierarchien. Mit Privilegien, Abhängigkeiten und Machtgefällen. Dass man seine Rolle reflektiert, als Vorgesetzter, als Kollege, als Typ an der Bar. Und das ist das Einzige, was kompliziert ist: die eigene Rolle zu hinterfragen. Und dabei zu erkennen, warum eine Hand auf dem Knie eben nicht immer einfach nur eine Hand auf dem Knie ist, eine intime Frage eben nicht immer einfach nur eine intime Frage.

Wer sich auf die Ausrede der Unsicherheit zurückzieht, der verhindert, dass aus der aktuellen Sexismus-Debatte tatsächlich ein Kulturwandel folgen kann, weil der eben nur in den Menschen passiert. Wer sich auf die Ausrede der Unsicherheit zurückzieht, der verhindert eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt miteinander leben können.

Wenn man denn so will, kann man aus "Fikkefuchs" also eine sehr deutliche Antwort lesen auf die große Frage nach der Unsicherheit der Männer im Spiel der Geschlechter: Lieber Mann, du bist nicht unsicher. Das ist eine Ausrede. Der Unterschied zwischen sexueller Belästigung und einem Flirt ist nicht fließend. Im besten Fall bist du zu faul, dich mit deiner Rolle im Alltagssexismus auseinanderzusetzen. Zu faul, um dich ins unangenehme, an Privilegien rüttelnde Kleinklein der Debatte zu begeben. Im schlimmsten Fall, und da wären wir wieder bei Rocky und Thorben, bist du einfach ein Arschloch.

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