Festivals:Der Blues bebt

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Er hat den Blues: Jesper Munk, Liebling der Münchner Szene. (Foto: Puria Safary)

Junge Musiker entdecken den Reiz eines Musikstils

Von Dirk Wagner, München

Die Plakate in der Fassbar beim Tollwood-Festival erinnern an eine Konzertreihe, die europaweit die Rockmusik inspirierte: das 1962 gegründete "American Folk Blues Festival" von Horst Lippmann und Fritz Rau. Bei dem hatten die Rolling Stones erstmals ihre afro-amerikanischen Vorbilder live erlebt, denen sie dann wirkungsvoll nacheiferten. Rau bekundete später, dass der Blues eben nicht die oft behauptete Vorgeschichte zum Jazz sei, sondern eine ganz eigene Stilrichtung, mit der die Stones sich anfangs auch deutlich vom Rock'n'Roll unterschieden.

Mittlerweile ist es aber ausgerechnet der Rock'n'Roll und seine Spielarten wie Punk, die einem über die Jahre auf Straßenfesten verstaubten Blues wieder neues Leben einhauchen. Für Musiklehrer, die solchen Blues berechnen mögen, als wäre er ein gleichschenkliges Dreieck, ist das freilich nichts. Zu oft erinnert das, was seit Jahren in der Muffathalle oder in Riegsee bei Murnau als Deep Blues gefeiert wird, an Punkrock, der direkt in die Magengrube geht. Und wenn jemand wie Elli de Mon aus Italien mit ihrem Bottleneck über die Saiten gleitet, während ihre Stimme sich von der großen Liebe verabschiedet, wird auf dem "Raut Oak Fest" vor allem eines deutlich: Bluesmusiker lamentieren nicht mal, wenn sie ihr Leid klagen. Vielmehr sind sie sexy und leidenschaftlich wie The Pack a. D. aus Kanada, The Magick Godmothers aus England oder wie Teleferik aus Frankreich, die in Bayern beweisen wollen, dass der Blues auch außerhalb seiner amerikanischen Heimat gedeiht. Und zwar so erotisierend wie beim New Yorker Blues-Punker Jon Spencer, mit dem auch schon die Münchner Blues-Entdeckung Jesper Munk arbeiten durfte. Mittlerweile ist Munk ein gefeierter Musiker, dem zumindest in München eine wieder wachsende Blues-Fangemeinde zu Füßen liegt.

Aber so richtig weg war der Blues ja eigentlich nie. Blues-Experten wie Carl Ludwig Reichert von Sparifankerl präsentierten schon lange einen zeitgenössischen, urbanen Blues. Unterstützung fand Reichert in der Münchner Underground-Szene, die von wunderbar unmodischen Vollblutmusikern wie Andi Sturm von Born Bavarian, Stani Kirov von den Karamasov Brothers oder Andi Blab von Sitter geprägt wurde. Drei Generationen spielen nun mit Reichert beim zweiten Glockenbach-Blues-Festival am 30. Juli. Ina, die bei Muddy What? die Mandoline spielt, zählt dabei noch zu den jüngeren Musikern. Der Bassist und Sänger Marc Bücherl von Lovewash darf dagegen schon auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken. Die führte ihn vom Tölzer Knabenchor über The Walk zu In Palumbia, der wohl coolsten Band der Stadt, aus der letztlich auch G Rag Y Los Hermanos Patchekos hervorging. Viel Blues gibt es auch am 15. Juli mit Jesper Munk als Support des Allman Brothers Band-Gitarristen Warren Haynes beim Tollwood zu hören. Und das nur wenige Meter entfernt von den Plakaten in der Fassbar, wo täglich von 17 Uhr an bei freiem Eintritt Blues gespielt wird.

Jesper Munk und Warren Haynes , Fr., 15. Juli, 18 Uhr, Tollwood; Raut Oak Rest , Fr.-So., 22.-24. Juli, Riegsee; Glockenbach-Bluesfestival , Sa., 30. Juli, Glockenbachwerkstatt, Blumenstraße 7

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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