Festival in Garmisch:Schönste Verheißungen

Anne Schwanewilms singt Lieder von Richard Strauss und Hugo Wolf

Von Klaus Kalchschmid, Garmisch

Richard Strauss hat in seinem langen Leben jede Menge auftrumpfende, manchmal auch opulent überzuckerte Lieder geschrieben, aber gleichermaßen zahlreiche ganz zurückhaltend intime oder psychologisch ungemein genaue und moderne. Zu Letzteren zählen vor allem diejenigen, die er der wahnsinnigen Ophelia widmete. Im Konzertsaal Richard Strauss des Kongresshauses verzichtete Anne Schwanewilms bei ihrem Liederabend mit Malcolm Martineau am Flügel fast ganz auf den großen Effekt. Denn sie hatte hauptsächlich weniger bekannte Strauss-Lieder aufs Programm gesetzt - und dazwischen beziehungsreich sechsmal Mörike-Vertonungen von Hugo Wolf. Sie begann und endete (mit der Zugabe von "Morgen") ungemein leise, verhalten und melancholisch mit der Beschwörung geheimer Liebe in der Nacht, ob in "Traum durch die Dämmerung" oder "Nachtgang", gefolgt von "Du meines Herzens Krönelein" und "Ach Lieb, ich muss nun scheiden".

Untröstliches von Wolf, darunter "Das verlassene Mägdlein" und "Der Genesende an die Hoffnung" folgte, bevor Schwanewilms die sommerlich "goldene Fülle" des gleichnamigen Lieds und die "Liebe zum Licht" mit ihrem so kostbar schönen, unverwechselbaren Timbre ebenso fein wie leuchtend Ereignis werden ließ.

Nach der Pause war die Luft herrlich geschwängert vom Duft weißen Jasmins (op. 31/3) und roter Rosen (op. 31/1 und op. 36/1), bevor Anne Schwanewilms tief in den Wahnsinn Ophelias abtauchte und mit dem feierlichen "Gesang Weylas" und "Verborgenheit", zwei der schönsten und berühmtesten Liedern Hugo Wolfs, beglückte. Stets wurde sie dabei großartig differenziert von Malcolm Martineau begleitet, der seinem Steinway immer leuchtendere Facetten abgewinnen konnte und immer dann zu Hochform auflief, wenn er mit nur wenigen Tönen die Stimme stützen, fein abtönen oder konterkarieren durfte. Resignation war dann wieder das Thema der letzten Strauss-Lieder nach Gedichten Hermann von Gilms: "Die Nacht", "Allerseelen" und vor allem "Geduld", in der das Klavier so sprechend in sich kreist, dass es dem Zuhörer in Verbindung mit dem ergreifenden Text fast das Herz zuschnürt. Heißt es da doch: "Und stündlich fordert eine Totenglocke der Träne letztes Fahrgeld für das Grab."

Wie die Sopranistin in einem elsässischen Volkslied (op. 49/8) vom Singen ins hintergründig verlockende, geheim begehrende Summen verfiel, mal den Pianisten, mal das Publikum anschmachtete oder am Ende mit einem leisen Juchzen die Arme hochriss: Das ließ diesen Abend beim diesjährigen Richard-Strauss-Festival in Garmisch zur schönsten Verheißung werden für künftige Aufführungen des "Rosenkavaliers" im Nationaltheater. Dort wird Anne Schwanewilms im Februar kommenden Jahres dreimal die Marschallin singen.

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