Festival:Experimente

Festival: Interessant, aber nicht wirklich zum Jazz Sommer passend: Gato Preto.

Interessant, aber nicht wirklich zum Jazz Sommer passend: Gato Preto.

(Foto: PR)

"Jazz Sommer"-Finale im Bayerischen Hof

Von Oliver Hochkeppel und Dirk Wagner

Jetzt ist also auch der - einschließlich der "Klavier Sommer"-Beteiligungen - 26. Jazz Sommer im Bayerischen Hof schon wieder Geschichte. Im vierten Jahr unter der Ägide von Katarina Ehmki als Programmchefin erlebte man eine experimentelle Dehnung des Jazz-Begriffs. Schon beim Auftakt mit Anti-Jazzer (Bob Geldof) und Fusion-Legenden (Mike Stern und Randy Brecker), erst recht am Ende.

Ist doch der Gitarrist und Sänger Arto Lindsay seit jeher keiner festen Kategorie zuzuordnen. Vor allem mit der zwölfsaitigen Danelectro-Gitarre, klanglich irgendwo zwischen Bohrmaschine und Staubsauger angelegt, drang er wie mit einem Pürierstab in die Musik ein und zerlegte jedes Klangkonstrukt, das seine Band aufzubauen wusste. Also etwa die rhythmischen Duelle des Perkussionisten Marivaldo Paim und des Drummers David Frazier jr., der sein Schlagkit um zusätzliche E-Pads erweitert hat. Die luftigen Keyboardeinlagen von Paul Wilson. Und die Bass-Linien von Melvin Gibbs, der sein Instrument mit Effektgeräten wie dem Moogfooger auch mal ins Sphärisch-Elektronische transformierte. Aber natürlich ist es zugleich auch genau umgekehrt: Mit schmerzenden Dissonanzen konterkariert die Formation Harmonien von Lindsey, die in ihrer Schönheit kaum zu überbieten sind.

Nach 75 Minuten, die sich vor allem auf das neue Album "Cuidado Madame" stützen, war eigentlich alles gesagt. Niemand hätte das vertraglich vereinbarte zweite Set vermisst, an das Lindsay nun aber erinnert wurde. Also kehrte er nach längerer Pause erst solo, dann mit Band auf die Bühne zurück und zelebrierte sichtlich unvorbereitet, was Jazz im Kern ausmacht: Die Improvisation, die vor den Augen und Ohren der Gebliebenen eine neue Musik entstehen ließ, die im Bewusstsein des möglichen Scheiterns das erste Set tatsächlich noch überbot. Als habe man sich zuvor nur aufgewärmt, kochte die Band nun regelrecht über.

Für viele der (andere) Höhepunkt des Jazz Sommers war dann der Auftritt von Dominic Miller. Der Ausnahme-Sympath unter den Gitarristen hatte - dem Haus treu verbunden - den einzigen freien Tag während seiner Tour mit Sting dafür geopfert und lieferte mit seinem neuen Programm "Silent Light" (sein Debütalbum für ecm) einen souveränen Querschnitt durch sein multistilistisches Schaffen - von Lateinamerikanischem über Musette-Artiges oder gar Keltisch Anmutendes bis zu Pat-Metheny-Jazzigem und seinen Sting-Songs.

Dafür funktionierte es diesmal erstmals mit dem zum Abschluss präsentierten Newcomer nicht wirklich. Gato Preto, das Dancefloor-Projekt der sprechsingenden und ein bisschen trommelnden Frontfrau Carmen Brown, begleitet nur von Djembe, Electronics und zwei (ausnehmend hübschen) Tänzerinnen, ist eher etwas für einen jungen hippen Laden als für den eher mondänen Nightclub des Bayerischen Hofs. Vielleicht wäre diese in Düsseldorf zusammengebastelte Melange aus Afro-Beats, Electro-Groove, Rave und Hip-Hop ins Rollen gekommen, wenn genug tanzendes Publikum da gewesen wäre; die entsprechende Community kommt aber nicht hierher. Und dem Jazz-Connaisseur fehlt bei der Sache recht schnell die Variabilität, die Spontaneität und irgendein Harmonie-Instrument. Im nächsten Jahr also bitte fürs Finale wieder etwas Konzertanteres.

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