Festival:An der schönen blauen Elbe

jazz echo

Kundige Moderation: Keine Geringeren als Roger Cicero (li.) und Gregory Porter erklärten, was auf der Jazz-Echo-Bühne vor sich ging.

(Foto: Bundesverband Musikindustrie)

Hamburg wird für ein paar Tage Hauptstadt des Jazz, Münchner Label räumen die Echos ab und glänzen beim Hafenfestival

Von Oliver Hochkeppel, Hamburg/München

Am Wochenende hatte sich Hamburg wieder zur deutschen "Hauptstadt des Jazz" erklärt. Fanden doch binnen dreier Tage die Verleihung des Echo Jazz und das Elbjazz Festival statt. Nun, man ist eben in Hamburg, nicht anders als in München oder Berlin, schnell bereit, Realitäten auszublenden, die nicht zur Imagekampagne des Stadtmarketings passen. Denn was die Musiker-, die Hochschul- wie die Clubszene betrifft, sind immer noch Berlin und Köln die Jazzhauptstädte, und auch München oder Stuttgart darf man da vorne sehen. Zwei Festivals, ein mächtiger Veranstalter, die NDR-Bigband und die Elbphilharmonie-Konzerte sind ohne Unterbau nur Katzengold. Zumal beim Elbjazz das Festival der Star ist. Mit der sonst unzugänglichen Blohm & Voss-Werft, dem Hansahafen und der Katharinenkirche als zentralen Spielorten ist es ein echtes Hafenfestival, dessen Ambiente seinesgleichen sucht. Dafür sind die Wege beschwerlich, und das in zweieinhalb Tagen dicht zusammengedrängte, mit Stars und Könnern gespickte Programm nur häppchenweise zu erhaschen. Mit 15 000 bis 20 000 Besuchern verschafft es dem Jazz dafür eine sonst selten erreichte Hörerschaft.

Vielleicht wird es ja mit dem Echo Jazz auch noch etwas. Rein als Veranstaltung - immerhin vom NDR als live-Stream in Radio und Internet sowie als Zusammenfassung im Fernsehen übertragen - war es diesmal so unterhaltsam und gelungen wie nie. Was vor allem daran lag, dass man nach gescheiterten Experimenten mit vom Jazz unbeleckter Senderprominenz die Moderation diesmal in die richtigen Hände gelegt hatte: Roger Cicero erwies sich als souveräner, lässiger und kompetenter Gastgeber, der noch dazu überzeugende Unterstützung durch den charismatischen Sänger und Preisträger als erfolgreichsten Künstler des Jahres erhielt, den Amerikaner Gregory Porter.

Trotzdem bleibt der Versuch des Bundesverbands Musikindustrie, mit einer an den amerikanischen Grammys orientierten Gala dem medial stiefmütterlich behandelten Jazz Aufmerksamkeit zu verschaffen, auch im sechsten Anlauf zwiespältig. Nach einem Krisenjahrzehnt hat die Branche nicht gerade viel Geld für die Jazz-Nische übrig; das bisschen geht dann für den schönen Schein drauf. Für die Sieger der natürlich undotierten Preise wie auch für Journalisten gibt es nicht einmal die Fahrtkosten. Als Industriepreis gehen Verkaufszahlen in die Wertung ein, immerhin gibt es, anders als bei den Pop- oder Klassik-Echos, eine auch mit unabhängigen Fachleuten besetzte Jury, die dafür sorgt, dass es vornehmlich die trifft, die es künstlerisch verdient haben.

Wobei nicht nur der Schweizer Andreas Schaerer, vor einem Jahr Sieger des Münchner BMW Welt Jazz Awards und nun Preisträger in der Kategorie "Sänger des Jahres International", bei den sieben musikalischen Einlagen von Klaus Doldingers Passport über Branford Marsalis bis zu Nils Wülker genau den Jazz jenseits des Mainstreams vermisste, der doch in den wichtigsten Kategorien ausgezeichnet worden war. Gegen die Angst der Fernsehmacher, ihre Quotensucht und chronische Unterschätzung des Publikums scheint eben kein Kraut mehr gewachsen.

München war übrigens wieder einmal als eine Art heimliche Hauptstadt präsent. Zwar gab es zum ersten Mal keinen Münchner Musiker als Echo-Preisträger, dafür räumten die Münchner Labels ab wie noch nie. Allein Act bekam die Rekordzahl von acht gut geschrieben, dazu kamen drei für Enja/Yellowbird, zusammen die Hälfte aller vergebenen. Und zieht man die Echos für US-Stars der Major Labels in den internationalen Kategorien ab, also Leute wie Pat Metheny, Chick Corea oder Ambrose Akinmusire, die natürlich nicht kamen (nur der oft in Deutschland weilende Branford Marsalis gab sich als Stargast die Ehre), ist die bayerische Dominanz beängstigend. Dabei hätte Act-Chef Siggi Loch nach eigener Aussage gerne ein paar Echos sozusagen innerhalb Münchens weitergereicht, um damit einen Kardinalfehler der Sache zu überwinden: Ecm, das immer noch wichtigste Innovativ-Label, macht beim Echo nicht mit. Einige von dessen Künstlern waren dann beim Elbjazz zu erleben, genau wie die Weilheimer Kreativköpfe um Micha Acher und Stefan Dettls La Brass Banda als Prime-Time-Act auf der Hauptbühne. Vielleicht sollte man sich mal über ein Isarjazz Festival Gedanken machen.

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