Keiner weiß genau, warum, aber frustrierte ostdeutsche Frauen zieht es vorzugsweise in die Gegend von München. Sie sagen dort in breitestem Sächsisch die S-Bahn-Haltestellen an: "Nächsdo Höld: Mörionblöhds", sie suchen sich einen Job als Politesse oder verzehren in Wolfratshausen Weißwurst zum Frühstück. Glücklicher, so scheint es, wird dadurch niemand.
Auch Laura Mahler ist so eine frustrierte ostdeutsche Frau. Die Ex-Konditorin verlässt die Ex-DDR, nachdem ihr Ex-Verlobter sie extrem gemein behandelt hat. Sie reist traurig nach München und trottet dort mit hängenden Mundwinkeln im Park herum.
Beginnt jetzt die Realität für die 27-jährige Frau? Nein, hier beginnt das Märchen. Laura begegnet dem Mann ihres Lebens, Alexander Saalfeld, der sich natürlich auf den ersten Blick in sie verliebt.
Wir sind schließlich nicht in der Realität, sondern in der neuen Telenovela Sturm der Liebe, die von heute an 100 Folgen lang in der ARD zu sehen ist. Nach dem Erfolg von Bianca - Wege zum Glück (ZDF) und Verliebt in Berlin (Sat 1) hat nun also auch das Erste eine Langlauf-Saga.
Mit dem Schmalz-Projekt soll das ARD-Nachmittagsprogramm, das bislang die höchsten Zuschaueranteile in der eher reiferen Altersklasse der Fliege-Fans hatte, auch für jüngere Kreise attraktiv werden.
Stets das gleiche Muster
Herz-Schmerz auf allen Kanälen: Telenovelas kommen beim deutschen Publikum in diesen komplizierten wirtschaftlichen und politischen Zeiten gut an.
Die Serien-Schmonzetten mit garantiertem Happy-End, die in Lateinamerika seit Jahrzehnten erfolgreich laufen, funktionieren stets nach dem gleichen Muster: Eine unterprivilegierte, frustrierte, junge Frau versucht in der Traumwelt der Reichen, Schönen und Erfolgreichen Fuß zu fassen.
Sie verliebt sich in den schönen Kronprinzen einer Familiendynastie, der aber unglücklicherweise bereits an eine reiche Kronzicke vergeben ist. Der Kampf um die Herzen zieht sich im schlimmsten Fall über 250 Folgen hin, bis es zur Traumhochzeit kommt. Denn natürlich gelingt es Aschenputtel (so sollte der ARD-Liebessturm zunächst heißen), den Angebeteten zu erobern.
Das musste ja so kommen
Was in Mexiko oder Brasilien die Putzfrau aus den Favelas ist, ist in Sturm der Liebe eine ostdeutsche Konditorin. Und was in der Latino-Vorlage der Sohn des Rinderzuchtbarons ist, ist in der öffentlich-rechtlichen Variante der Chef eines oberbayerischen Hotels.
Dort, im Hotel Fürstenhof, fängt Laura als Küchenhilfe an und trifft wie durch ein Wunder jenen Alexander aus dem Park wieder. Es stellt sich heraus, dass die Liebe ihres Lebens ihr Chef ist und außerdem bereits verlobt. Das musste ja so kommen.
Hauptdarstellerin Henriette Richter-Röhl, die aus Ost-Berlin stammt, wünschte sich eigenen Angaben zufolge als Kind, später einmal Bananenverkäuferin zu werden. Daraus wurde nichts, stattdessen ging sie nach München und heuerte beim Marienhof an, eine Art Bananenrepublik, wo sie drei Jahre lang wirkte.
Für die Rolle in Sturm der Liebe - gedreht wird in München - unterbrach sie ihr Schauspiel-Studium in Graz. Dass sie jetzt in der ARD-Telenovela die Herzen zum Glühen bringt, schien unausweichlich. Denn Henriette Richter-Röhl hat das perfekte Gesicht für das Cover eines Fernseh-Romans: Sie wirkt sanft, verletzlich, romantisch.
So sehen sie aus, die armen, vom Leben gebeutelten Mädchen, die sich in den Telenovelas durchkämpfen. "Eine Telenovela steht und fällt mit der Hauptdarstellerin, mit ihr muss man mitleiden können", sagt ARD-Sprecher Burchard Röver. Folgerichtig wird Ex-GZSZ-Sternchen Yvonne Catterfeld demnächst in einer Telenovela antreten: Diese wird Braut wider Willen heißen und von November an auch in der ARD zu sehen sein.
Sogar RTL bastelt nun an so einem TV-Groschenroman und Sat 1 an einem Nachfolger für Verliebt in Berlin. Die Fans von Bianca - Wege zum Glück wiederum fiebern gerade dem dramatischen Ende entgegen; das Finale wird mit einem 90-Minüter am 2. Oktober gefeiert.
Ein paar Tage später startet Julia - Wege zum Glück, und im Frühjahr2006 beginnt das ZDF zusätzlich noch mit der Ausstrahlung von Tessa.
Sturm der Liebe. - ARD, vom heutigen 26. September an, immer montags bis freitags, 15.10 Uhr.