Feridun Zaimoglu über Hegemann:"Abschreiben ist nicht originell"

Er kennt Plagiatsvorwürfe aus eigener Erfahrung: Feridun Zaimoglu spricht über über seltsame Literaturkritik und die Fräuleins der Saison.

Interview: C. Schmidt

"Ich gönne so etwas nicht meinem schlimmsten Feind", sagt Feridun Zaimoglu rückblickend. 2006 war dem in Kiel lebenden Schriftsteller unterstellt worden, er habe große Teile seines Romans "Leyla" einem vierzehn Jahre zuvor erschienenen Buch entlehnt. Umso mehr wundert sich Zaimoglu nun, dass im Fall von Helene Hegemann andere Maßstäbe angelegt werden.

SZ: Herr Zaimoglu, was löst die Debatte um "Axolotl Roadkill" bei Ihnen aus, der Sie sich schon selbst gegen den Vorwurf des Plagiats wehren mussten?

Feridun Zaimoglu: Mir fällt auf: Während damals eine große Bereitschaft bestand, mich vorzuverurteilen, wird in diesem Fall versucht, das Delikt kleinzureden. Für mich stellte sich hier die Frage: Warum halten sich bemerkenswert viele Damen und Herren in der Literaturkritik so gerne am Rande der Schmutzlache auf, in der das Fräulein der Saison badet? Was ich in einigen Zeitungen las, war Schund aus der Feder derer, die sich der Literaturkritik zuschlagen. Was führen die eigentlich für ein ödes Leben? Aber das war ja bei einem ähnlich gelagerten Buch auch schon der Fall.

SZ: Sie sagen Delikt, andere sprechen von Remix oder Sampling? Es herrscht Begriffsverwirrung, wobei sich die Argumente umgekehrt haben. Wurde am Anfang die Authentizität des Buches gelobt, so gilt nun dessen Intertextualität als höchste Tugend.

Zaimoglu: Ich habe einen Vorschlag: Man sollte einen neuen Preis ausloben, den Jugend-Sample-Preis, und dann könnten jene Kritikerinnen und Kritiker, um die es geht, bei der Preisverleihung in der ersten Reihe stehen und sich die Hände blutig klatschen. Aber diejenigen, die der Meinung sind, dass es besser ist, seine Bücher selber zu schreiben, sollten mit diesem Pipifax bitte nicht belästigt werden. Denn abschreiben ist nicht originell, sondern schäbig. Das geistige Eigentum ist nicht Verhandlungsmasse von entfesselten Kleinbürgern.

SZ: Als Ihnen vorgeworfen wurde, Sie hätten abgeschrieben, hat keiner gesagt: Was für ein genialer Kunstgriff, der unseren Voyeurismus entlarvt!

Zaimoglu: Wir sind nicht in der Bildungsanstalt. Es geht nicht um Wissenshuberei und Jungintellektualität. Leute wie ich stehen da als Spießer und Spaßbremsen, weil sie etwas ganz Selbstverständliches aussprechen: Klau ist Klau. Wir sind hier in der Literatur, und das ist kein Affenzirkus, wir hören hier nicht Kirmespop. Hier geht es darum, dass man Schriftsteller als Volltrottel hinstellt, wenn man so verstiegen argumentiert wie im vorliegenden Fall. Dieser ganze Blödsinn mit Sample und Pop -da kann ich nur sagen: Je höher das Äffchen steigt, desto mehr es sein Ärschlein zeigt.

SZ: Sie würden also keinen Unterschied machen zwischen nur geklaut und gut geklaut?

Zaimoglu: Ich sage nichts über die Qualität des Buches. Mir geht es nur darum, dass jeder Maßstab verlorengegangen ist. Man kann das Buch gut finden, aber der Punkt, an dem für mich das Lob nicht mehr in Ordnung ist, wird erreicht, wenn man darüber jene abwertet, die um jedes Wort in ihren Büchern kämpfen.

SZ: Haben Sie von der damaligen Kampagne Blessuren davongetragen?

Zaimoglu: Ich habe mir immer wie ein naiver Provinzler gesagt: Die Wahrheit kommt irgendwann ans Licht. Das klingt natürlich völlig ungeschmeidig. Man hat von mir Coolness erwartet, aber ich bin nicht cool und habe schon einige Zeit gebraucht, um mich von dieser Lüge zu erholen. Um mir nicht den Vorwurf der Larmoyanz einzuhandeln, habe ich manchmal Stärke vorgegaukelt und abends im Hotelzimmer nach der Lesung die Faust geballt.

SZ: Als Theaterautor haben Sie ja durchaus Erfahrungen mit Montagetechniken. Man denke an Ihre Wedekind-Neuschreibung "Lulu live".

Zaimoglu: Ganz genau. Theater ist ein anderes Medium, Wort ist Wort, aber Schauspiel besteht aus viel mehr als nur der Magie des Wortes, für die wir zuständig sind. Die Puppen tanzen lässt der Regisseur. Das ist für mich als Autor keine Einbuße an Souveränität.

SZ: Sie haben keinen Computer, also auch kein Internet, keine E-Mail. Klingt reichlich schrullig. Warum verzichten Sie auf diese Arbeitsmittel?

Zaimoglu: Es hat nichts mit Nostalgie oder Koketterie zu tun und ist in keinster Weise eine Aussage. Es geht vielmehr darum, so konzentriert wie möglich die Geschichte zu Papier zu bringen, und das klappt bei mir am besten auf der Schreibmaschine. Ich habe es mit dem Computer versucht, und ich wurde geschwätzig. Es gab zu viele Möglichkeiten. Hier habe ich es ganz altmodisch damit zu tun, dass ich ein Blatt Papier in eine Walze einspanne. Punkt.

SZ: Nun ist aber der Computer auch ein Informations- und Rechercheinstrument, das Ihnen fehlt.

Zaimoglu: Genau. Deshalb nennen mich manche meiner Bekannten grinsend den Onkel Horst aus Kiel, wenn ich mal wieder mit meinem Rollkoffer vom Bahnhof zum Hotel eile. Denn einen Führerschein besitze ich auch nicht.

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