Feminismus-Debatte:Ich und ich

Ministerin Kristina Schröder und die anderen Neocon-Girls wollen keinen vermeintlichen Frauenjoker, sie sehen sich lieber als Individuum. Für die Erfolglosen gilt: Selber schuld. Fangen wir also wieder mal von vorne an?

Barbara Gärtner

Feminismusdebatten können einem das Feministinsein verleiden. Da gibt Familienministerin Schröder dem Spiegel ein geistarmes Interview, plaudert über Röcke und darüber, ob sie sich von einem Mann zum Essen einladen lässt. Dazu verkürzt sie den Feminismus auf Thesen aus den Siebzigern. Das kann man unreflektiert finden, ihrem Ministeramt unangemessen oder auch strategisch. Aber was davon bleibt, ist wieder nur die Schwarzer-Keule. Wie beim Kniesehnenreflex springt die Diskussion sofort auf die eine Frage: Wie hältst du es mit Alice Schwarzer? Der Ton dazu ist schrill. "Bizarrer Sexstreit", kreischte Bild, als ginge es um abwegige Praktiken.

Nationales Zentrum Frühe Hilfen

Meine Leistung, mein Erfolg: Mit der Argumentation, dass Frauen selbst für ihre geringeren Einkünfte verantwortlich sind, entlässt Kristina Schröder die Politik aus aller Verantwortung. Dass die Ministerin der Frauenquote ihren Job verdankt, weiß sie dabei selbst.

(Foto: dpa)

Dabei hatte man eben noch den Eindruck, der Feminismus habe sich erfolgreich abgeschafft, so wie es das Ziel einer jeden Emanzipationsbewegung sein sollte: Das mieslaunige Draufrumreiten wird unnötig, wenn die strukturellen Ungerechtigkeiten aus der Welt sind, oder wenn derart flächendeckend sensibilisiert wurde, dass auch diejenigen aufhorchen, die gar nicht betroffen sind. Ein ideal role taking, über das sich Habermas freuen könnte, er wünschte sich ja immer Diskurse, bei denen der eine die Position des anderen einnimmt, seine Argumente versteht und, ja auch: artikuliert.

Horst Seehofer, der Patriarch und ewig Andere, hat sich also beim CSU-Parteitag für die Frauenquote verausgabt.

Die vorangegangene Debatte über die Quote war wunderlich. So argumentierte etwa Margit Munk, die 26 Jahre alte Vorsitzende der JU Günzburg, im Brusthoch-Dirndl gegen eine Quotenregelung: "Wir wollen demokratisch in ein Amt gewählt werden, durch unser Können und Engagement, durch unser Wissen und vielleicht a bisserl auch durch unseren Charme, was wir als Frauen ja immer mehr haben." Der Saal lachte, sie lächelte - ein politischer Redebeitrag, vorgetragen mit Wiesn-Bedienungs-Witz: a bisserl frech, ziemlich fesch.

Und dann wurde die Quote gegen den Willen der jungen Parteidamen installiert - obwohl doch gerade ihre Karriere damit zur Vorfahrtsstraße planiert werden könnte, während ausgerechnet jene älteren Herren, die in der Vergangenheit nicht eben im Ruf standen, Frauen karrieremäßig einfädeln zu lassen, für den 40-Prozent-Frauenpflichtanteil in Bezirksvorständen und in der Landesspitze stimmten. Es sind Männer, die Frauen sonst gern zu verstehen geben: Ihr habt doch die Merkel, was wollt ihr noch? Und: Im Iran ginge es euch schlechter!

Zu diesen Gentlemen-Gönnern gehören auch Thilo Sarrazin und seine Freunde vom Deutschland-darf-sich-nicht-abschaffen-Stammtisch. Dort vernimmt man Besorgnis in Frauenangelegenheiten, über unterdrückte "Kopftuchmädchen" etwa. Doch dabei geht es kaum einmal um die Bildungschancen von Migranten-Jugendlichen, rekonstruierte Jungfernhäutchen, Ehrenmorde oder Zwangsverheiratung, sondern meist nur um die kulturelle Überlegenheit des Sprechers. Solange man an den muslimischen Männern herumkritteln kann, muss man sich nicht mit den eigenen Töchtern befassen.

So wird der Feminismus instrumentalisiert, die Frauenbewegung hat sich institutionalisiert, hat Funktionärinnen geschaffen, die nun in Ämtern sitzen und in den Universitäten, und die Klagen sind leiser geworden. Seit der zweiten Frauenbewegung hat sich der Feminismus bis zur Handlungsunfähigkeit in viele Feminismen ausdifferenziert, da werden dekonstruktive, quere und postkoloniale Strömungen diskutiert, da keilen die Stillmamis gegen Fläschchenmütter, es geht um das Binnen-I (FeministInnen) und den Gender Gap (Feminist_innen), während im Fernsehen allein in der vergangenen Woche zwei Kommissarinnen im Krimi (Tatort am Sonntag, In aller Stille am Mittwoch) als Rabenmütter hingestellt werden, weil sie neben den Knirpsen eben auch einen Job haben.

Alleine? Als Gruppe?

Natürlich kann man Alice Schwarzer vorwerfen, sich als Queen-Mum des deutschen Talkshowfeminismus zu promoten, aber gilt dann nicht auch für die konservativen Mädchen, dass sie dasselbe mit ihrem Antifeminismus praktizieren? Kristina Schröder, Margit Munk und die anderen adretten Neocon-Girls, sie wollen keinen vermeintlichen Frauenjoker, sehen sich lieber als Individuum: Meine Leistung. Mein Erfolg. Bloß nicht teilen. Für die anderen, die Erfolglosen, die, die auf Gleichbehandlung pochen, gilt: Selber schuld. Das antwortet Schröder auch auf die Frage nach dem Gender Pay Gap: "Viele Frauen studieren gerne Germanistik, Männer dagegen Elektrotechnik - das hat dann eben Konsequenzen beim Gehalt." Perfide an dieser Argumentation ist, dass die Ministerin die Politik aus der Verantwortung entlässt. Diese Rhetorik erinnert an Margaret Thatchers Satz: "There is no such thing as society." Machtstrukturen gibt es da nicht.

Die Quote hat Deutschland verändert

Fangen wir also wieder einmal von vorne an? Wo steht die Diskussion heute? Wer noch glaubt, Alice Schwarzer sei die einzige Verkünderin des Feminismus, der sollte mal ein wenig im Internet surfen. Es gibt feministische Diskussionsforen und Blogs, und wenn sich Schröder und Schwarzer derartig missverstehen, wie Anfang vergangener Woche, dann wird dort wütend geschäumt und sachlich debattiert.

Feminismus ist populärer geworden, schon vor zwei Jahren rumorte eine mittelaufgeregte Debatte. Bücher waren damals erschienen von jungen Frauen, die sich Mädchen nannten (Die Alphamädchen, Neue deutsche Mädchen), aber nicht so wütend waren wie die Riot Grrls aus den Neunzigern. Die neuen Girls wollten zeigen, wie das geht: Frausein mit Forderung und trotzdem cool und nett. Schon damals konnte man neugierig Platz im Bücherregal bereithalten für all die Folgebücher, die so etwas gewöhnlich nach sich ziehen würde. Zwei davon sind nun herausgekommen, sie kommen ohne Einpeitschargumente aus und sind deshalb lesenswert.

Marlene Streeruwitz hat bei Fischer den Erzählband Das wird mir alles nicht passieren... veröffentlicht. "Wie bleibe ich Feministin" heißt der Band im Untertitel, eine Antwort geben die sprachknappen Geschichten von neun Frauen und zwei Männern natürlich nicht. Stattdessen berichten sie von Selbstaufopferung und Schuldzuweisungen, vom Ringen um Autonomie. Wie kann ich für andere da sein, mich kümmern, ohne mich darin zu verlieren - ein Dilemma, auf dem sich die feministische Moralphilosophie einst in ihrer Kritik an Lawrence Kohlberg gründete.

Was hat die Lebensführung mit dem Geschlecht zu tun, und was mit der Macht, darum geht es Streeruwitz. Sie reißt im Buch Einzelschicksale an (auf der Website www.wie.bleibe.ich.feministin.org können sie von den Lesern fortgeschrieben werden), doch Streeruwitz erzählt sie wie Modellanordnungen von heutigen Frauenleben. Sie sind selten schwach, aber nie glücklich, über eine verheulte Fernsehmoderatorin, frisch getrennt, heißt es: "Jeder bekam das zurück, was er eingesetzt hatte, es war schließlich nur eine Lebensgemeinschaft gewesen. Sie hatte alle Rechnungen aufbewahrt."

Ein Dankeschön an die grauhaarigen Herren

Theorie-Nachschub versammelt dagegen das Buch Feminismus aus der Klaus-Theweleit-Reihe "Absolute" des Orange Press Verlags. Zwar hat die Herausgeberin Gudrun Ankele Kanonisches wie Olympe de Gouges Deklaration "Die Rechte der Frau" von 1791 aufgenommen, doch es gibt auch schöne Entdeckungen, etwa Mina Loys "Feministisches Manifest" von 1914 oder einen Songtext von Eva Jantschitsch, die unter dem Pseudonym Gustav formidable Popmusik macht. Es sind keine Mainstreampositionen, viele der Manifeste und Deklarationen erfüllen aber einen selbstgestellten Auftrag, ein fundamentales Anliegen des Feminismus: Gesellschaftskritik. Das Buch ist ein gutes Argument gegen die Geschichtsvergessenheit, die jeder Frauen-Diskurs aufs Neue aufzeigt, wenn wieder eine Generation glaubt, ganz von vorne anfangen zu müssen, mit der Definition der Geschlechterbeziehungen und dem Vokabular, um bloß nicht mit den alten Latzhosenträgerinnen verwechselt zu werden.

Kristina Schröder wird in den Büchern ihre Vorurteile bestätigt finden. Garstige Texte, ja männerfreie Utopien gehören dazu. Aber sie könnte lernen, dass nicht alle so wie sie "Frau", "Mutter" und "Beziehung" mit "VaterMutterKind" gleichsetzten. Dass es verschiedene Lebenskonzepte und verschiedene feministische Stimmen gibt. Spricht Schröder von der Quote, dann so, als müsse sie sich danach die Hände waschen. Dass Schröder der Quote ihren Job verdankt, in dem sie nun alleine brillieren oder scheitern kann, weiß sie selbst.

Die Quote hat Deutschland verändert: die Grünen haben sie 1979 eingeführt, die SPD 1988. Der weibliche Unions- Nachwuchs hat auf Demokratie gepocht und die Regelung deshalb abgelehnt, dabei verkraftet die Demokratie gewisse Einschränkungen schon lange, etwa das Wahlalter ab 18 Jahre oder die Staatsbürgerschaft. Die jungen Frauen wollen es alleine schaffen, als Individuen, nicht als Teil einer Peergroup. Das ist der ewige Diskurs: Sieht man die Gesellschaft als viele Einzelne oder als verschiedene Gruppen. Den Frauen der CSU kann man nun trotzdem gratulieren. Vielleicht sind die ja bald, dank Quote, so viele, dass sie tatsächlich Mehrheiten versammeln können. Dafür ein Dankeschön an die grauhaarigen Herren.

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