Fall Polanski:Ex-Staatsanwalt gesteht Lüge

Bizarre Wende im Fall Polanski: Ein ehemaliger Staatsanwalt, der den Richter zur Haftstrafe für den Regisseur gedrängt haben will, outet sich als Lügner - er wollte die Sache nur "ein bisschen aufpeppen".

Der frühere US-Staatsanwalt David Wells, der vor mehr als 30 Jahren den verantwortlichen Richter zu einer Haftstrafe für Starregisseur Roman Polanski gedrängt haben will, hat sich als Lügner geoutet. Er habe nie mit dem Richter gesprochen, sagte Wells dem US-Nachrichtensender CNN.

Roman Polanski, dpa

Der französisch-polnische Filmemacher Roman Polanski hat zugegeben, im Jahr 1977 ein 13-jähriges Mädchen betrunken gemacht und vergewaltigt zu haben.

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"Ich habe diese unbedachten Äußerungen nur gemacht, um die Sache ein bisschen aufzupeppen." Der Staatsanwalt hatte im vergangenen Jahr in dem Dokumentarfilm "Roman Polanski: Wanted and Desired" gesagt, er habe damals den Richter Laurence Rittenband von der Notwendigkeit einer Haftstrafe für Polanski überzeugt, obwohl die Verteidigung zuvor bereits eine mildere Lösung ausgehandelt hatte.

Wells' Äußerungen weckten den Verdacht, der Richter habe sich beeinflussen lassen. Für Polanski war die Darstellung in der Dokumentation Anlass, eine Einstellung des Verfahrens zu beantragen. Über den Antrag ist noch nicht entschieden.

Der französisch-polnische Filmemacher hatte 1978 zugegeben, im Jahr zuvor ein 13-jähriges Mädchen betrunken gemacht und vergewaltigt zu haben. Als es Anzeichen gab, dass der Richter sich nicht an die Vereinbarung mit der Verteidigung halten würde, war Polanski kurz vor Urteilsverkündung aus den USA geflohen. Wells hatte mit dem Verfahren nicht selbst zu tun, war aber am gleichen Gericht tätig.

Talkmasterin und Schauspielerin Whoopi Goldberg löste derweil mit einer Solidaritätsbekundung eine Welle der Empörung in den USA aus. In der Fernsehshow "The View" sagte Goldberg Medienberichten zufolge, das Polanski zur Last gelegte Sexualdelikt sei keine "gewaltsame Vergewaltigung" gewesen.

Später ruderte sie zurück. Auf ihrer Twitter-Seite betonte Goldberg, ein 45-Jähriger, der mit einer 13-Jährigen gegen deren Willen Sex habe, sei ein Vergewaltiger. "Wir müssen unsere Kinder schützen."

Der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat sich gegen eine Vorzugsbehandlung für Polanski ausgesprochen. "Es kommt nicht darauf an, ob es sich um Roman Polanski oder um jemand anderen handelt", sagte Schwarzenegger dem US-Nachrichtensender CNN und fügte hinzu: "Ich denke, diese Dinge müssen behandelt werden wie bei jedem anderen."

Der frühere Filmschauspieler sagte, er sei ein Bewunderer von Polanskis Werk. Dennoch dürfe man dem Regisseur keine Vorzugsbehandlung geben. Auf die Frage, ob er eine Begnadigung Polanskis erwägen würde, sagte Schwarzenegger, er erhalte viele solche Gesuche und würde einem solchen von Polanski keine besondere Beachtung schenken.

In Los Angeles reagierte auch der oberste Staatsanwalt, Steve Cooley, auf die Kritik, die die Verhaftung Polanskis am vergangenen Samstag in Zürich vor allem in Frankreich und bei der Hollywood-Prominenz ausgelöst hat. Er verfolge niemanden aus Rachsucht, sagte der Chefankläger und sprach von einem Gerichtsverfahren, das abgeschlossen werden müsse.

Ein Haftbefehl des Obergerichts sei vollstreckt worden, und nun folge das weitere Verfahren. "Wir machen unsere Arbeit", sagte Cooley. Das Auslieferungsverfahren werde nach den Bestimmungen im bilateralen Auslieferungsvertrag zwischen den USA und der Schweiz durchgezogen.

Der Chefankläger von Los Angeles reagierte auch auf Stimmen, die Polanskis Verfehlungen herunterspielten und von "angeblichen Verbrechen" sprachen. "Herr Polanski hat sich eines Verbrechens schuldig bekannt", sagte Cooley und erinnerte daran, dass noch fünf oder sechs viel ernstere Anklagepunkte anhängig seien. "Diese werden nicht beigelegt, bevor er endlich seine Strafe erhält", sagte der Staatsanwalt.

Keine Angaben machte Cooley, wie die US-Staatsanwaltschaft über die Reisepläne Polanskis ans Filmfestival in Zürich informiert worden war. Seine Sprecherin Sandi Gibbons sagte, man habe vier Tage vor der Verhaftung von den Reiseplänen "erfahren". Sie erinnerte zudem daran, dass der Fall innerhalb weniger Tage erledigt werden könnte, falls Polanski seinen Widerstand gegen die Auslieferung aufgeben und für die Bestrafung nach Los Angeles reisen würde.

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