Fall Böhmermann:"Habe das Gefühl, dass ihn das emotional stark getroffen hat"

Themen der Woche Moderator Jan Böhmermann Moderator Jan Böhmermann anläßlich der EinsPlus TV Sendun

Jan Böhmermann hat seinen vorläufigen Abschied erklärt. Helge Malchow findet das sinnvoll.

(Foto: imago/STAR-MEDIA)

Der Verleger von Jan Böhmermann, Helge Malchow, verteidigt den Satiriker - und plädiert für ein uneingeschränktes Recht auf Uneindeutigkeit.

Von Andrian Kreye

Helge Malchow ist Jan Böhmermanns Verleger. Aber nicht nur das. Es gibt nur wenige Verleger, die ihre Autoren so oft gegen Angriffe auf die Kunst- und Meinungsfreiheit verteidigt haben wie er. Als Lektor zog er schon für Günter Wallraff vor Gericht, als Verleger für Heiner Müller, Brett Easton Ellis und Maxim Biller.

In einem Gespräch mit der SZ plädiert er für ein uneingeschränktes Recht auf Uneindeutigkeit. Denn das sei ja gerade die Stärke von Böhmermanns Satiren, der so oft über eine Meta-Ebene noch eine zweite Meta-Ebene legt. Gerade das vermeintliche Schmähgedicht auf Erdoğan sei ja nur zu verstehen, wenn man die Vor- und Nachrede der Sendung kenne.

"Diese Art von Kontext-Kommunikation ist doch das Wesen moderner Kunst. In unserer hochkomplexen Gesellschaft gibt es oft kein eigentliches Sprechen mehr. Man muss immer den Kontext mitdenken. Zum Beispiel bei einem Kunstwerk, das auf ein anderes Kunstwerk reagiert. Oder das das Gegenteil meint von dem, was es sagt. Diese Ambivalenz wurde in westlichen Gesellschaften, seit es moderne Kunst gibt, eingeübt. Das ist in atavistischen Gesellschaften, die eine buchgläubige Kultur oder Religion haben, schwer verständlich zu machen."

Eine tiefer verwurzelte Tradition in Frankreich und dem angloamerikanischen Raum

Politisch sei es unmöglich, dass Kanzlerin Merkel überhaupt auf die Idee kommt, mit einem ausländischen Staatsoberhaupt, das sich beleidigt fühlt, ein Gespräch zu führen, welche Auswirkungen ein Strafverfahren in der Bundesrepublik haben könnte. Und dann auch noch die Staatsanwaltschaft darauf hinzuweisen, dass hier möglicherweise die Grenzen der Kunstfreiheit überschritten wurden.

Aus seiner Erfahrung mit Gerichtsverfahren für die Kunstfreiheit seiner Autoren zieht Malchow den Schluss, dass es gerade in Deutschland wichtig sei, dafür einzutreten: "Ich habe nicht den Eindruck, dass wir uns derzeit in der Bundesrepublik in einer heißen Phase im Kampf um Grundrechte befinden, auch nicht um das Grundrecht der künstlerischen Freiheit. Das sind doch eher Einzelfälle. Aber jetzt kommt mein 'Aber': Ich glaube, dass die Selbstverständlichkeit von Kunstfreiheit in angloamerikanischen Ländern und in Frankreich aufgrund einer jahrhundertelangen Freiheitstradition tiefer im gesellschaftlichen Konsens verankert ist als in Deutschland. Nach 1945 und dann erst recht nach 1968 hat sich das zwar alles zum Positiven entwickelt. Aber gerade deswegen muss die Aufmerksamkeit in Deutschland noch größer sein, was die Verletzung solcher Grundrechte betrifft."

Eine Diskussion der brutalen Eindeutigkeiten

Für Helge Malchow ist dieser Rückzug genau das Richtige: "Die Situation hat jetzt eine Dynamik, in die er gar nicht mehr eingreifen kann. Das sind ja jetzt politische und juristische Prozesse, die ablaufen. Ich würde ihm nicht raten, selber einzusteigen in diese Debatten. Das ist ja auch der Witz seiner Kunst, dass er eben keine moralisierenden, politisierenden unmittelbaren Äußerungen macht. Er ist ja eher wie ein Dadaist, der Effekte herstellt, die dann beim Betrachter einen Erkenntnisgewinn erzeugen sollen. Die Diskussion hingegen, die jetzt stattfindet, ist eine Diskussion der brutalen Eindeutigkeiten." Trotzdem sagt er über das Befinden Böhmermanns: "Ich habe das Gefühl, dass ihn das emotional stark getroffen hat. Aber auch nicht umbringt."

Das vollständige Interview lesen Sie hier mit SZ-Plus:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: