Expo-Pavillons in Mailand:Vom Absurden, Schönen und Bösen

Welche Nation führt das Expo-Motto Nachhaltigkeit ad absurdum? Wer nahm den Mund zu voll? Und warum floppt auch der deutsche Bau? Ausgewählte Pavillons in der Kurzkritik.

Von Laura Weißmüller, Mailand

14 Bilder

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Quelle: AFP

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Eine Expo ist eine Mischung aus Oktoberfest und Staatsbankett. Das klingt nicht nach Ressourcen schonender Nachhaltigkeit, und das ist es auch nicht. Was die 148 teilnehmenden Länder und internationalen Organisationen auf dem 1,1 Millionen Quadratmeter großen Gelände im Nordwesten Mailands stattdessen bis zum 31. Oktober veranstaltet, ist ein kurzweiliges Unterhaltungsprogramm mit immensem Energieverbrauch. Die Millionen purzeln da nur so, nicht nur bei den erwarteten Besucherzahlen - 20 Millionen - sondern auch bei den Ausgaben. Eine Milliarde Euro sollen allein die Teilnehmer für ihren Beitrag bezahlt haben. Für Mailand und den Staat Italien dürften die Kosten noch höher liegen, schließlich hat die Stadt die Weltausstellung zum Anlass genommen, immense Infrastrukturprojekten anzuschieben - die aber zum großen Teil nicht rechtzeitig zum 1. Mai fertig geworden sind.

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Quelle: AFP

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Zurecht ist diese Expo unter dem hehren Motto "Feeding the Planet. Energy for Life" schon vorab hart kritisiert worden. Im Ausland, aber vor allem in Italien selbst. Noch am Eröffnungstag demonstrierten Dutzende junge Menschen am Mailänder Dom gegen die Weltausstellung - während im Hintergrund bereits die Proben für das Eröffnungskonzert zu hören waren. Gut möglich also, dass es die Expo in fünf Jahren nicht mehr in diesem Format geben wird. Doch bei all der angebrachten Kritik: Die Expo ist nun eröffnet. Wer in den kommenden Monaten nach Mailand reist und kritisch hinschaut, versteht die Welt und das Kräfteverhältnis, das auf ihr herrscht, besser. Es folgen ausgewählte Pavillons in der Einzelkritik.

Expo Mailand; Pavillon Oman

Quelle: expo2015.org

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Der Absurdeste

Die Expo ist voller absurder Momente. Alle paar Schritte gibt es etwas, an dem Surrealisten ihre wahre Freude hätten - oder die Expo-Skeptiker. Etwa die weiße Spirale, die sich in der Fressmeile "Eataly" zwischen "Nutella Concept Bar" und Parmesan-Leibern Meter in den Himmel schraubt, geschmückt mit roten Blumen, Engelchen und bekrönt von einer goldenen Madonna-Statue. Oder die Tatsache, dass der muslimische Staat Katar auf der einen Seite McDonald's, auf der anderen Seite den Bier-Pilz der Brauerei Birra Moretti zum Nachbarn hat.

Bei den Länder wetteifern dagegen Oman und Ungarn um den Titel "absurdester Pavillon". Der Wüstenstaat hat sich von einer alternden Wildwestachterbahn inspirieren lassen. Aus einer weißen Burg - die nicht im Entferntesten etwas mit der großen Lehmbaukunst dieses Landes zu tun hat - wächst ein Bergmassiv, das schon jetzt den Spitznamen Affenfelsen trägt (im Bild eine Skizze des Jahrmarktfahrgeschäftmotivs).

Ungarn hält ein gigantisch großes Fass dagegen - an dem wohl nur Jetlag-geplagte Touristen ihre Freude finden können. Das ungarische Fass ist weit über zehn Meter hoch und unten mit glänzenden Kupferplatten beschlagen. Oben sieht es aus wie ein bis auf die Knochen abgenagtes Tier. Was im Pavillon zu sehen ist? Bisher konnte man nicht hinein sehen.

Workers work on the Italian pavilion at the Expo 2015 work site near Milan

Quelle: REUTERS

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Die Unfertigen

Tatsache ist: Unfassbar viel wurde zum Expo-Beginn nicht fertig und das Chaos war bis zuletzt gewaltig. Die Liste dessen, was auch noch länger nicht fertig wird, ist ebenfalls lang: U-Bahnhöfe, Fahrradwege - oder auch der italienische Pavillon (im Bild). Bis zur Eröffnung war gerade mal die Fassade fertig. Und auch das nur, weil die Bauarbeiter rund um die Uhr im Einsatz waren. Hat es sich gelohnt? Beim italienischen Pavillon, der als einziger auf dem Expo-Gelände stehen bleiben soll, muss man leider sagen: nein. Der Bau sieht aus wie ein panisch verschnürtes Bündel für die Flucht.

Die Länder-Pavillons dagegen wurden fast alle fertig. Iran nicht und Russland auch nicht. Letzteres nahm mit seinem gewaltig auskragenden Dach sprichwörtlich den Mund zu voll (zum Beispiel in diesem liebevoll-überheblichen Image-Video). Bis kurz vor der Eröffnung hing nur ein knallrotes S über dem Haupteingang. Der Rest von Russland fehlte. Wobei: S wie Supermacht würde Präsident Putin für sein Land wohl auch gefallen.

Expo Milano 2015 - German Pavilion

Quelle: dpa

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Der Streber

Der deutsche Pavillon hat den Ehrgeiz, als Klassenbester das größte Grundstück auf der Expo zu bespielen. Nicht unbedingt in der Architektur, für die das Münchner Büro Schmidhuber verantwortlich ist. Die nimmt sich entspannt zurück und lässt die Besucher über eine breite Holzrampe und unter überraschend hübschen Solarbäumen übers weitläufige Deck spazieren. Von hier aus hat man nicht nur einen großartigen Blick auf das Dächergewirr der Nachbar-Pavillons, sondern bei guter Sicht auch auf die Berge. Der Außenraum gehört damit zu den besten auf der ganzen Expo. Architektonische Kür darf man trotzdem nicht verlangen ...

Expo Milano 2015 - German Pavilion

Quelle: dpa

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... dafür muss der Pavillon zu viel können. Da braucht es eine VIP-Lounge, die eine derart unpersönliche Messe-Atmosphäre hat, dass man Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck nicht beneidet, die hier über den Flokati staksen werden, ein riesiges Restaurant ganz unten und dazwischen die Ausstellungsfläche. Und da tut es wirklich weh. Akkustisch, ästhetisch und intellektuell. Denn die Ausstellung bereitet schon nach fünf Minuten Kopfschmerzen. Überall tönt, blinkt und gurgelt es. Wer will, kann sich als Karotte fotografieren oder sich von einer Biene erklären lassen, wo die Tomatensauce für die Pasta herkommt. Die 200 Exponate zu den Themen Boden, Wasser, Klima, Artenvielfalt und Lebensmittel füllen den Pavillon bis in die letzte Ecke. Das sind vier Themen und 180 Exponate zu viel.

Expo Mailand; Pavillon USA

Quelle: expo2015.org

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Der Verlogene

Wer über die Tragweite des Begriffs "Nachhaltigkeit" nachdenkt, während er an den von LED-Kaskaden grell erleuchteten Pavillons wie auf dem Strip in Las Vegas vorbeispaziert, kann dieser Expo das Siegel nur verwehren. Schließlich werden schon im Aufbau Tonnen von Müll produziert. Dann kommen die Besucher und nach sechs Monaten die Bulldozer.

Trotzdem gibt es Unterschiede: Der deutsche Pavillon etwa ist eine Leichtbaukonstruktion, alle schwierigen Formen sind aus Holz und viele Materialien nur geliehen. Anders verhält es sich da mit dem amerikanischen Pavillon (im Bild eine Skizze). Der kommt zwar mit scheinbar günstigen Materialien wie Polykarbonatplatten daher und verspricht, mit dem Slogan "American Food 2.0" über die Zukunft der amerikanischen Esskultur aufzuklären. Doch auch wenn US-Präsident Obama persönlich per Video jeden Besucher empfängt, glaubt man der Botschaft des Pavillons nicht. Die Riesenbox ist eine massive Stahlskelettkonstruktion. Wie diese später abgebaut und weiter verwendet werden kann, darüber rätselt selbst der Bauleiter. Doch erst einmal freut er sich über den vertikalen Garten, der eine komplette Fassade einnimmt. Die einzelnen Paneele lassen sich mechanisch steuern. Um die Pflanzen in den weißen Trögen zur Sonne hin auszurichten? I wo. Die Mechanik dient allein dem Show-Effekt. Nachts wird das Gemüse kräftig angestrahlt, geerntet wird es nicht.

Expo Mailand; Pavillon Bahrain

Quelle: Iwan Baan

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Der Schönste

Ein paar milchweiße Platten, ein schmaler Weg und immer wieder Buchten mit kräftig duftenden Obstbäumen: Vermutlich ist gerade die ästhetische Reduktion das Geheimnis des schönsten Pavillons der Expo. Er repräsentiert den kleinen Wüstestaat Bahrain, und anders als seine exaltierten Nachbarn Abu Dhabi und Dubai geht es ihm nicht um Show. Wer nicht aufpasst, läuft glatt an dem weißen Riegel mit der zarten Goldfassade vorbei - Angola lechzt schließlich gleich dahinter mit einer gigantisch großen roten Box um Aufmerksamkeit. Wer den Pavillon von Bahrain betritt, wird dafür mit einer meditativen Ruhe belohnt.

Wer will, kann die knappen Texte auf den weißen Schildern lesen, die über die Jahrtausend alte Geschichte und Kultur der Menschen in diesem Land erzählen. Muss man aber nicht. Es reicht, die Bäume zu riechen, Armin Linkes Film (mehr ein Gemälde in bewegten Bildern - hier der Link zum Youtube-Video) zu sehen und dann auf den unfassbar elegant-puristischen Stühlen unter den simplen Glühbirnen im Café Platz zu nehmen. Dass Schönheit nicht immer auf Kosten der Nachhaltigkeit gehen muss, zeigt dieser Pavillon obendrein. Der Architekt hat den Bau aus vorgefertigten Betonteilen von Anfang an so entworfen, dass er nach der Expo in einen Schiffcontainer nach Bahrain verladen werden kann. Dort wird er in der Hauptstadt als Botanischer Garten wieder aufgebaut. Schöne Zukunft.

Expo Mailand; Pavillon Brasilien

Quelle: facebook.com/apexbrasil

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Der Soziale

Im besten Fall ist Essen auch eine Form des Zusammenkommens. Auf der Expo verstehen das viele Länderpavillons als Aufforderung, schmierige Kitschvideos von geselligen Tafelrunden zu produzieren, die aussehen als wäre Scientology in die Lebensmittelindustrie eingestiegen. Der brasilianische Pavillon hat das alles nicht nötig. Er spannt einfach ein großes Netz einmal quer durch eine offene Hallenkonstruktion, stellt darunter große Holzkisten mit Gemüsebeeten auf und lässt die Besucher den Pavillon als gigantische Hängematte benutzen. Wer auf dem Netz liegt, hat das Gefühl, er schwebe über einem Garten, und wer sich bewegt, spürt die Schritte der anderen, noch bevor er sie sieht. Jede Wette, dass dieser Pavillon die Menschen zusammenbringen wird und zwar nicht in einer Warteschlange, sondern im Gespräch.

Expo Mailand; Pavillon Niederlande

Quelle: expo2015.org

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Der Ehrliche

Lange wollten die Niederlande gar nicht an dieser Expo teilnehmen. Die Bevölkerung war dagegen, die Wirtschaft schwächelt - warum dann Millionen für eine Weltausstellung ausgeben? Doch wer so viele Gewächshäuser hat, mit denen er die halbe Welt wenn nicht mit geschmacksintensiven, dann wenigstens mit roten Tomaten beliefert, will auf einer Expo zum Thema Ernährung doch nicht fehlen. Wie der Auftritt des Landes in Zeiten der Krise aussieht? Charmant ehrlich. Statt einer teuren Konstruktion hat man sich für einige bunte Zirkuszelte entschieden, ein paar Container aufeinander gestapelt und ein kleines Gewächshaus in ein Restaurant umfunktioniert. Das hat den Charme einer angesagten Bar in Rotterdams Industriehafen. Gut möglich, dass die Ehrlichkeit beim Publikum gut ankommt.

Expo Mailand; Pavillon Österreich

Quelle: Breathe Austria

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Der Beste

Österreich stellt einfach eine schlichte schwarze Holzbox auf einen Betonsockel und pflanzt darin einen Wald. Einen echten. Mit sämtlichen Vegetationszonen. Die meterhohen Laub- und Nadelbäume, das hohe Gras und die dichten Büsche riechen, als wandere man hier nicht auf dem Expo-Gelände, eingezwängt von Autobahnausfahrten und gewaltigen Industriegebieten, sondern durch einen österreichischen Bergwald. Ringsum der Bäume lädt eine schwarze Holzbank - kaum mehr als ein Brett - zum Sitzen ein.

Die österreichische Idee ist zwar gnadenlos vom Schweizer Architekten Peter Zumthor abgeguckt, der für seinen "Serpentine Pavillon" in London in einer schwarzen Holzkiste einen paradiesischen Garten erblühen ließ - aber besser hätte man das Thema Luft nicht realisieren können. Was das mit Ernährung zu tun hat? Erstens braucht jedes Lebewesen Sauerstoff und zweitens sollte die Menschheit schleunigst die Bedeutung von fruchtbarem Boden anerkennen. Wenn unser Flächenverbrauch weiterhin anhält, werden wir bald nichts mehr zu essen haben. Schon heute gehen jeden Abend eine Milliarde Menschen hungrig ins Bett.

Expo Mailand; Pavillon China

Quelle: expo2015.org

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Der Staatstragende

Keine Überraschung: der chinesische Pavillon (im Bild eine Skizze). Der Staat, dessen Bewohner schon eine Million Expo-Ticket gekauft haben sollen, will mal wieder der Welt beweisen, was für eine Supermacht er ist. Den Besucher empfängt auf dem zweitgrößten Grundstück der Expo ein akkurat gestutzter gelber Blumenwall. Bescheiden wirkt das nicht, schließlich schlägt dahinter das gewaltige Holzdach zwei große Wellen und präsentiert darunter ein verwirrendes Labyrinth aus Räumen, Stellwänden und Scherenschnitten. Um was es darin geht - die köstliche Küche Chinas natürlich - ist eigentlich Nebensache, im Vordergrund steht eine gewaltiges Feld aus LED-Stehlen, die quasi sekündlich ihre Farbe wechseln. Was das nun wieder bedeutet? Wohl einfach: Wir sind viele.

Expo in Mailand

Quelle: dpa

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Die Bösen

Die Expo ist ein Spiegel der Welt. Hinter den Kulissen machte das der Skandal um die gewaltigen Korruptionen und Mafiaverflechtungen der Weltausstellung deutlich. Ein Jahr vor der Eröffnung führte das zu einer spektakulären Verhaftungswelle. Was zwingend notwendig war, stieß die Expo in ein gewaltiges Chaos. Schließlich verlor sie mit den gefeuerten Personen auch ihre zentralen Köpfe. Oder, wie es der Architekt des deutschen Pavillons ausdrückte: "Man amputierte der Expo das Gehirn."

Aber auch vor den Kulissen zeigt sich das globale Kräfteverhältnis. Da wäre zum Beispiel die Regel, dass kein Sponsoren-Pavillon an der 1,5 Kilometer langen Hauptachse des Expo-Geländes, dem so genannten Decumanus, errichtet werden darf. Eine offensichtlich völlig überflüssige Regel, denn niemand hielt sich daran. Die Schokoladenfirmen Lindt und Perugina sind ebenso in der ersten Reihe vertreten wie Birra Moretti und Ferrero Rocher. Übelstes Beispiel: McDonald's. Schuldbewusstsein gibt es auch hier nicht. Der Pavillon gleicht einem gewöhnlichen McCafé aufs Haar. Geordert werden können die üblichen Menüs. Wie davon auch in Zukunft der ganze Planet satt werden soll, ohne sich dabei selbst zu zerstören, bleibt das Rätsel der Mailänder Expo.

Im Bild eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Fast Food: die Skulptur "Big Big Mac" des US-Künstlers Tom Friedman auf der Expo

Expo Mailand; Slowfood Pavillon

Quelle: Gebhard A.

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Der Gute

Gleich in Sichtweite zu McDonald's steht ein Pavillon, der dann doch Hoffnung macht, dass die Welt noch zu retten ist. Es ist das Gebäude von Slow Food. Auch eine private Organisation, aber von der guten Seite: Hergestellt und gekocht wird nur das, was lokal produziert wird. Das schmeckt man - und in Mailand sieht man es auch.

Denn das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron hat den Pavillon gebaut. Er besteht aus drei so elegant wie exakt ausgeführten offenen Holzkonstruktionen, die zusammen eine Art Dreikanthof ergeben. In der Mitte bieten sie damit einen großen geschützten Platz für Gemüse- und Kräuterbeete. Anders als in vielen anderen Pavillons wirken diese nicht wie reine Deko, sondern wie die Zutaten für das Essen, das man sich hier an kleinen Ständen holen kann.

Architekt Jacques Herzog hatte im Vorfeld die Expo scharf kritisiert. Er ist einer der vier Architekten, die den Masterplan entwarfen: Statt einer Ego-Show schwebte ihnen eine gemeinsame Weltausstellung vor, wo es keine einzelnen Länder-Pavillons mehr geben sollte. Von dieser Idee ist nichts geblieben, alle vier Masterplan-Architekten stiegen aus Protest aus der Expo aus. Was Herzog vorschwebte, zeigt er nun beim Slow Food-Pavillon. Hier, auf dem Holzrand der Beete, mit dem Duft von Thymian und Salbei in der Nase und den fernen Bergen im Blick, bekommt man dann doch das Gefühl, dass die Welt auch gut sein kann.

© SZ.de/jobr/rus
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