Eugen Ruge auf Reisen:Ein Globus voller Quark

Leseprobe

Einen Auszug der Reisenotizen stellt der Verlag hier zur Verfügung.

Reisenotizen von Eugen Ruge, bekannt durch seinen Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts". Basiskritik: Ist denn dieser Kontinent, Amerika, nicht imstande, ein vernünftiges Klo zu konstruieren?

Von Tobias Lehmkuhl

Das ist das Schöne, wenn man als Autor erfolgreich ist: Es werden von einem Sachen veröffentlicht, die andere nie bei ihrem Verlag durchkriegen würden. Und das heißt auch für den Leser: Er bekommt etwas anderes zu lesen als das, was die Verlage für unbedingt lesewürdig und erfolgversprechend erachten. Zum Beispiel diese unaufgeregten Reisenotizen Eugen Ruges.

In vierzehn Ländern war der Autor unterwegs, nachdem sein Roman "In Zeiten des abnehmenden Lichts" mit dem Deutschen Buchpreis 2011 ausgezeichnet worden war. Wenig exotische Länder und Orte, wie er zugibt, darunter Frankreich, Spanien, Holland und Belgien. Mexiko und die USA hatte er noch vor Veröffentlichung des Buches aufgesucht, und was ihm hier besonders auffällt: In beiden Länder funktionieren die Klospülungen nur mit ungeheurem Wasserverbrauch: "Ist denn dieser ganze Kontinent nicht imstande, ein vernünftiges Klo zu konstruieren?"

Das sind nun nicht gerade die Fragen, die man sich von einem Schriftsteller erwartet. Es sind vielmehr Fragen, die sich ein jeder stellt, wenn er als Tourist unterwegs ist. Doch nichts anderes als ein Tourist ist Ruge eingestandenermaßen: Seine Reisen sind viel zu kurz, als dass er viel über die Länder und ihre Bewohner erfahren könnte. Seine Kontakte beschränken sich auf Goethe-Instituts-Mitarbeiter, Botschaftsangehörige und Übersetzer. Und wenn er dann, wie in Griechenland, etwas länger Zeit hat, klappert er die üblichen Sehenswürdigkeiten ab - Akropolis, Delphi, Olympia. Auf Kreta allerdings gerät er dann, für einen kurzen Moment glückselig fast, auf ein Konzert mit kretischer Musik, bei dem am Ende alle auf den Tischen tanzen: "Das ist es also, das Griechenland, das ich ständig suche. Ein Stück davon jedenfalls, ein Rest, der der Globalisierung widerstanden hat, der Gleichschaltung durch die Quote, den Euro. Wie lange noch?"

Daher rührt vielleicht der Erfolg Eugen Ruges: Er ist einer von uns, ist von denselben nostalgischen Sehnsüchten getrieben und mit denselben kulturpessimistischen Reflexen geschlagen. Dazu gehört der grundsätzliche Zweifel an der kapitalistischen Weltordnung sowie die nicht minder grundsätzliche Abscheu gegen Smartphones, auf die alle nur noch schauen, statt in Büchern zu lesen.

Das ist freilich wenig originell, aber es will eben auch gar nicht besonders originell sein. So kann man sich beruhigt im Ohrensessel niederlassen und zustimmend nicken, wenn Ruge auf dem Flug von Dubai nach Hamburg über den "Seelenquark" klagt, den die Menschen noch im entferntesten Winkel der Welt in ihre Telefone absondern. Dabei kann es passieren - aber wäre das so schlimm? -, dass man übers Nicken einnickt.

Eugen Ruge: Annäherung. Notizen aus 14 Ländern. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2015. 192 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 16,99 Euro.

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