Erinnerungen an die DDR:Geh doch nach drüben!

Für DDR-Bürger war das "Drüben" ein paradoxes Gebilde aus verheißungsvoller Nähe und unendlicher Ferne. Drei Graphic Novels erinnern daran. Die Bilder.

Christoph Haas

7 Bilder

FLIX: Da war mal was, Comic

Quelle: SZ

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Für DDR-Bürger war das "Drüben" ein paradoxes Gebilde aus verheißungsvoller Nähe und unendlicher Ferne. Drei Graphic Novels erinnern daran. Die Bilder.

Wie kein anderes ist das unscheinbare Wort "drüben" geeignet, etwas über das schwierige Verhältnis auszusagen, in dem die beiden deutschen Staaten zueinander standen. "Geh doch nach drüben!" - das war bis in die Achtziger die hilflos-aggressive Floskel, mit der Ältere die Kritik von Jüngeren an politischen und sozialen Missständen in der BRD abzuwehren versuchten. Und das "Drüben" der DDR-Bürger war ein paradoxes Ineinander von verheißungsvoller Nähe und unendlicher Ferne. Wer sich, trotz aller damit verbundenen Gefahren und Pressionen, eines Tages entschloss, zum Klassenfeind "abzuhauen" oder "rüberzumachen", der wechselte nicht nur über eine Grenze, sondern in eine andere Welt. So passt es durchaus, dass das Album "Da war mal was ..." von Flix im Untertitel "Erinnerungen an hier und drüben" heißt. Insgesamt 25 Leute hat der Comic-Zeichner befragt, 16 von ihnen sind unter Honecker aufgewachsen, neun unter Schmidt und Kohl.

Foto: (c) www.dawarmalwas.de

Text: Christoph Haas/SZ vom 04.11.2009/sueddeutsche.de/iko

FLIX: Da war mal was, Comic

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Es geht darum, was Kinder und Jugendliche von der deutschen Teilung mitbekamen, und entsprechend überwiegt bei diesen auf jeweils drei Seiten geschilderten Erlebnissen und Phantasien das Kurios-Anekdotische. Gelegentlich werden aber auch die brutalen und unheimlichen Seiten der SED-Diktatur offenbar, etwa wenn zwei kleine Jungen auf offener Straße von einem ihnen unbekannten Mann, offenbar einem IM, dafür gelobt werden, wie schön sie Agent spielen. In graphischer Hinsicht bietet "Da war mal was ..." vor allem in der zweiten Hälfte einige hübsche Einfälle: Panels sind wie die Karten eines Memory-Spieles gestaltet, und eine Aufklappseite zeigt den Checkpoint Charlie in seiner ganzen Schauerlichkeit.

Foto: (c) www.dawarmalwas.de

Claire Lenkova, Grenzgebiete, Comic

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In "Grenzgebiete" von Claire Lenkova rekapituliert eine Halbwüchsige, die in Bayern lebt, dem kleinen Bruder die Vergangenheit ihrer Familie im realen Sozialismus. Die autobiographischen Wurzeln sind offenkundig; zugleich handelt es sich aber um einen Sachcomic, der das zeitgeschichtliche Interesse junger Leser wecken will. Dieser doppelte Ansatz dürfte pädagogischen Überlegungen geschuldet sein; sehr glücklich ist er aber nicht.

Foto: Gerstenberg Verlag

Claire Lenkova, Grenzgebiete, Comic

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Der Wille, alles DDR-Relevante - vom Trabant über das Plumpsklo bis zur Stasi - wenigstens kurz zu erwähnen, mindert mit der Stringenz des Erzählten dessen Kraft, den Leser zu fesseln. Auch wäre es besser gewesen, die schulbuchartigen Blocktexte, die zusätzliche Informationen zu den angeschnittenen Themen enthalten, in einem Anhang unterzubringen. Am Fuße der Seiten, wo sie nun stehen, stören sie empfindlich deren guten visuellen Gesamteindruck.

Foto: Gerstenberg Verlag

Simon Schwartz, Drüben, Comic

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Stark ist dagegen das in Schwarz-Weiß gehaltene Graphic-Novel-Debüt des 27-jährigen Simon Schwartz. In "Drüben!" wechseln sich zwei Handlungsstränge ab: einerseits die Kindheitseindrücke des Ich-Erzählers in West-Berlin und der DDR, andererseits die Geschichte seiner Eltern, deren immer heftigere politische Erstickungsanfälle schließlich zu einem Ausreiseantrag in die BRD führen.

Foto: Avant-Verlag

Simon Schwartz, Drüben, Comic

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Das zentrale Motiv des Bandes ist das Überschreiten von Grenzen - in wörtlicher wie in übertragener Hinsicht. Einmal zeigt Schwartz, wie sich sein Vater für den Besuch bei den linientreuen Eltern herrichtet: Der Dreitagebart wird entfernt, die wuscheligen Haare werden gekämmt, bieder-seriöse Klamotten angelegt.

Foto: Avant-Verlag

FLIX: Da war mal was, Comic

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