Ende von "Blumentopf":Insel der Gelassenheit inmitten von Kraftmeierei

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Aus und vorbei: Die Musiker der Münchner Band "Blumentopf" haben am Freitag das Ende ihrer Zusammenarbeit bekannt gemacht.

(Foto: Christoph Neumann)

"Blumentopf" hat dem deutschsprachigen Hip-Hop mit Coolness und Leichtigkeit so etwas wie einen "Sound of Munich" verpasst. Jetzt ist damit Schluss.

Von Jakob Biazza

Bei "Wir" hätte man schon nervös werden sollen. Das 2010 erschienene Album von Blumentopf klang anders. Düsterer, rauer. Schartiger auch irgendwie. Als wären die Künstler während der Produktion öfter angeeckt. Auch aneinander. Anstelle der Soul- und Jazz-Samples gab es heiser gebrüllte Gitarren und Bässe. Die Drums bollerten schwerer, schleppender. Alles war außerdem ein paar deutliche Nuancen übersteuerter, verzerrter, komprimierter - als hätte man die Beats noch mal durch einen sehr laut aufgedrehten Marshall-Verstärker gepresst. Das Album klang, als ob Druck auf dem ganzen Apparat war. Im Rückblick zumindest. Aber im Rückblick sagt sich das natürlich auch leicht. Da hört man vielleicht noch mehr hinein, als da war. Zu dem, was da tatsächlich war, gleich mehr.

Blumentopf haben ihre Trennung verkündet. Mit einem Video und einem zunächst etwas kryptischen Facebook-Post: "Hallo liebe Fans und Freunde, unserem Schlachtruf 'Nieder mit der GbR' folgend stellen wir die Stühle hoch. Wir schalten die Geräte ab, klappen die Reimbücher zu und stürzen die Hip Hop Szene in ein schwarzes leeres Loch. Voller Chaos und Ungewissheit!" Heißt im Klartext: "Wir lösen den Blumentopf auf. Es wird kein gemeinsames Album mehr geben. Wir sind Geschichte."

Wenigstens den Versuch eines kleinen Witzes lieferten sie ihren Fans noch dazu: "Man soll aufhören, wenn's am schönsten ist. Aber nach ,Kein Zufall' hatten wir noch keine Lust dazu. Deshalb haben wir noch 20 Jahre drangehängt", sagt Rapper Schu in dem ebenfalls auf Facebook geposteten Video. "Kein Zufall" ist das 1997 bei Four Music veröffentlichte Debüt der 1992 in Freising gegründeten, später aber in München beheimateten Band.

Ein Wortspiel-Niveau, das es selten gibt

Die Stadt verliert also seine bekannteste - weil auf die Langdistanz gesehen ja auch beste - Rap-Formation. Die Band zudem, die im deutschsprachigen Hip-Hop am ehesten so etwas wie einen "Sound of Munich" etabliert hat. Auch wenn die Mitglieder das Label tendenziell für konstruiertes Kritiker-Blabla hielten. Vielleicht hörte man da auch ohne Rückblick schon mehr rein, als da war.

Aber was man hörte auf Alben wie "Großes Kino" (1999) oder "Eins A" (2001) - und dann auch wieder auf dem letzten Studioalbum "Nieder mit der GbR" (2012) - waren Texte mit einem Wortspiel-Niveau, das es hierzulande (um müßige Superlative mal zu meiden) zumindest sehr, sehr selten gibt. Dazu, und das würde den Sound zumindest im Kritiker-Blabla dann vom ebenfalls oft für Humor stehenden Norden abgrenzen, hörte man in den Playbacks von DJ und Produzent Sepalot die ganze Nonchalance, die im schönsten Sinne abgeklärte Gelassenheit, für die München dem Klischee nach steht. Eine Insel der Souveränität war das alles, in einem Genre, das auf Wettstreit und Kraftmeierei fußt. Groß! Wichtig für die Stadt auch.

Was zurück zu "Wir" führt. Und zu offenbar gröberen Diskussionen. "Es sind unglaublich viele Sachen von außen auf uns eingeprasselt, die die Idee 'da sitzen fünf Freunde im Studio und machen einfach nur Musik' manchmal unmöglich gemacht haben", erinnert sich Schu an die Zeit der Produktion des Albums.

"Blumentopf ist keine Nebenher-Band"

Tatsächlich Druck auf dem Apparat also. Schwer für eine Band, die eher auf Leichtigkeit und Coolness gebucht ist. Blumentopf wechselten das Label und suchten sich erstmals in der Geschichte ein Management, um nicht mehr alles selbst machen zu müssen. Das half. Für den Moment. "Nieder mit der GbR" fand zur alten Leichtigkeit zurück. Offenbar aber auch, weil das Ende schon damals mitschwang. Man habe das Album schon im vollen Bewusstsein aufgenommen, "dass es das letzte sein wird", sagt Sepalot dazu. Und: "Weil uns das so bewusst ist, gibt es jetzt auch so eine klare Ansage. Und man sagt nicht, man geht auf unbefristete Zeit in Pause."

Auch die Aussagen der anderen Mitglieder klingen ähnlich absolut: "Blumentopf ist keine Nebenher-Band", sagt Rapper Roger. Man könne die Band nicht mehr so machen, wie früher, "deshalb machen wir sie lieber gar nicht. Sonst machen wir sie nur kaputt." In den vergangenen Jahren hatten die einzelnen Mitglieder immer wieder Soloplatten veröffentlich - Roger und Schu gerade erst die gemeinsame Platte "Clap Your Fingers". DJ Sepalot hat in diesem Jahr unter anderem Songs für das aktuelle Album von Jesper Munk produziert. Dabei blieb offenbar zu wenig Zeit für eine Band aus Freunden.

Jetzt also Reißleine. Zu Zeiten der "Wir" Produktion hätte "alles auch im Streit enden können", sagt Schu dazu. "So konnten wir den Zeitpunkt noch selbst wählen. Und gemeinsam auf einer Couch sitzen, um die Entscheidung zu verkünden." Am 22. Oktober 2016 will die Band ein Abschieds-Konzert im Zenith geben.

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