Elmar Wepper:In der Ruhe liegt die Kunst

Mit "Kirschblüten - Hanami", dem neuen Film von Doris Dörrie, hat der TV-Schauspieler Elmar Wepper einen späten, aber spektakulären Einstieg ins Kino gefunden.

Susan Vahabzadeh

Vielleicht hat das Kino 40 Jahre lang etwas verpasst, bis Doris Dörrie in einem Mann, den jeder tausendmal gesehen hat, etwas entdeckte, was keiner vorher je bemerkt hat. Elmar Wepper ist, seit er vor 34 Jahren seinen Bruder Fritz ablöste als Assistent von Erik Ode im legendären "Kommissar", eine feste Größe im deutschen Fernsehen; aber im Kino kam er nur als Randerscheinung vor, und als deutsche Stimme von Mel Gibson.

Elmar Wepper: "Es ist nicht so, als hätte ich da jahrelang drauf gewartet": Elmar Wepper lässt sich bei der Berlinale feiern, wo ihn die Kinowelt neu entdeckt hat

"Es ist nicht so, als hätte ich da jahrelang drauf gewartet": Elmar Wepper lässt sich bei der Berlinale feiern, wo ihn die Kinowelt neu entdeckt hat

(Foto: Foto: AP)

Und dann hat Doris Dörrie ihren Film "Kirschblüten - Hanami", der am Montag im Wettbewerb der Berlinale lief, um ihn herumgestrickt und Wepper damit nochmal eine ganz neue Erfahrung in seiner Schauspielerkarriere beschert: einen bayerischen Filmpreis, tosenden Applaus im Berlinale-Palast, vielleicht sogar einen Silbernen Bären für den besten Darsteller bei der Preisverleihung am Samstagabend.

Ob er sich das so vorgestellt hat? "Natürlich hat man irgendwelche Bilder vor sich, man geht da über den Teppich, sieht den Film", sagt Wepper. "Aber darüber, wie man drauf sein wird, wie aufgeregt - darüber weiß man gar nix. Das passiert dann so."

Ein bisschen selig, ein bisschen nervös

Diese späte Berührung mit dem Kino ist für Wepper, 1944 in Augsburg geboren, etwas Besonderes. Er ist ein bisschen selig, ein bisschen nervös, das merkt man am Tag nach der Premiere im Berliner Hotel noch, aber er ist offensichtlich wild entschlossen, nichts überzubewerten, nicht zu viel zu erwarten - und er selbst zu bleiben. Ganz bescheiden. Ohne Koketterie.

"Es ist nicht so, als hätte ich da jahrelang drauf gewartet." Das will er nicht hören, dass der deutsche Film etwas verpasst haben könnte. Es sei toll, dass es jetzt passiert ist, es hätte früher passieren können - und dann schiefgehen. "Ich bin ja als Schauspieler nicht besser oder schlechter als vor ,Kirschblüten'." Man hat den Eindruck, er hat seine ganze Karriere mit ziemlicher Gelassenheit genommen: "Ich bin in die Schauspielerei reingerutscht, und wäre es nichts geworden, hätte ich mich nicht von der Isarbrücke gestürzt."

In "Kirschblüten", der am 6.März ins Kino kommt, spielt Wepper Rudi, einen bayerischen Beamten auf dem Land, der jeden Morgen mit dem Zug zur Arbeit fährt und das schon aufregend genug findet. Er weiß nicht, dass er todkrank ist, das weiß nur seine Frau Trudi (Hannelore Elsner), und die stirbt, bevor sie es ihm sagen kann. In seiner Trauer fährt er nach Japan, findet, kurz bevor sein Leben zu Ende ist, noch einmal sich selbst, erkennt, wer seine Frau wirklich gewesen ist, wie sehr er sie geliebt hat - und wer er selber war. So eine Rolle hat Wepper vorher nie gespielt, denn einen wie den Rudi kann man im Fernsehen nicht zeigen.

Rudi ist ein stiller, biederer Kerl. Einer, der im Büro langsam und bedächtig seine Brotzeit auspackt und sagt: "An apple a day keeps the doctor away", mit betont bayrischem Einschlag. Er braucht seine Zeit, um einem ans Herz zu wachsen, und Fernsehzuschauer haben wenig Geduld und eine Fernbedienung.

In der dunklen Abgeschiedenheit des Kinos aber wird daraus ein grandioser Auftritt, so bewegend und außergewöhnlich, wie es wohl kaum jemand außer Doris Dörrie von ihm erwartet hätte, vielleicht nicht mal er selbst. Während der Arbeit wisse man nicht, ob es funktionieren wird - es könne ja auch sein, dass die Emotionen sich nicht übertragen lassen, etwas verrutscht, und der Zuschauer denkt: Hey, das braucht's jetzt aber auch nicht, das ist eine Nummer zu viel.

In der Ruhe liegt die Kunst

Wepper hatte eine kleine Rolle in Dörries Spielfilm "Der Fischer und seine Frau". Er wisse nicht, ob sie sich da gedacht habe: Jetzt probiere ich den Elmar mal aus, ob wir irgendeinen Draht zueinander haben. "Da hat sie jedenfalls zu mir gesagt: ,Elmar, kannst du dir vorstellen, mit mir und einer kleinen Kamera auf eine Reise zu gehen und so einen Dogma-artigen Film zu drehen?' Ich hatte das schon vergessen, und dann kam ein Jahr später das Buch." Das war ihm vorher noch nie passiert, dass er ein Buch las und schon beim ersten Lesen dachte: Diese Figur, das ist es.

Das war so, weil er in Rudi einen Teil von sich selbst erkannt hat. "Natürlich ist Rudi Beamter und hat einen ganz anderen Lebenslauf, aber ganz so weit weg von mir ist er nicht." Das wusste er beim Lesen und hat es beim Spielen benutzt, wie er sich so einen älter werdenden, "zur Muffeligkeit neigenden Mann" vorstellt. Man kann nicht so recht glauben, dass Wepper einen Rudi in seinem Inneren trägt, aber wahrscheinlich ist was dran: "Ich hab ein bisschen einen Hang zu Ritualisierungen, es muss alles seine Ordnung haben. Ich mag meinen Rhythmus, ich mag vertraute Situationen."

Im Zen-Buddhismus, der in den jüngsten Filmen von Doris Dörrie immer eine Rolle gespielt hat, führt der Weg zur Selbsterkenntnis über das Erkennen des Anderen, weil ja eh alles eins ist. Sie hat daraus so eine Art Zen-Regie destilliert, sie hat, sagt Wepper, den Dingen, den Vorgängen, den Figuren vertraut. Und den Situationen: "Wir haben viel improvisiert. Doris sagte: Setz dich mal dahin, vielleicht spricht dich der alte Japaner an. Und dann haben wir das versucht. So was ist alles beim Fernsehen nicht machbar."

Das Können und das Zeigenwollen ist aber nun nicht dasselbe - in Frauenkleidern weiß geschminkt vor dem Fuji einen Totentanz aufführen, dazu gehört ja einiger Mut. Den hat man, sagt Wepper, "wenn man Vertrauen hat. Dann kann man plötzlich etwas wagen und denkt: Hey, das macht ja richtig Spaß." Er hat sich also richtig reinfallen lassen, musste gleich mit den ganz großen Emotionen - den Schlussszenen in Japan - anfangen, das Team musste dort auf die Kirschblüte warten, die nicht kam, stattdessen wurde am Fuji gedreht. "Es war vier Uhr morgens, ich hatte Bronchitis, und es war so kalt - und das alles im Unterrock. Es erschlägt dich - und dann machst du's einfach doch."

In den Siebzigern wurden Kino und Fernsehen von München aus dominiert, der Neue Deutsche Film passierte also sozusagen um die Ecke, während Elmar Wepper ganz in der Nähe war und Fernsehkarriere machte. Doch dieses Paralleluniversum hat er nie berührt. Aber er will nicht darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn ihn damals einer gefragt hätte. "Ich war ja bisher vorwiegend in einem Genre tätig, das man eher als leichte Unterhaltung bezeichnet. So spontan kam dann wohl der eine oder andere auch nicht drauf, zu sagen: Vielleicht hat er was, das eine große Leinwand aushält. Und Doris hat das vielleicht gesehen."

Die Serien haben ihm mehr entsprochen, weil das Team dasselbe bleibt, die Situationen vertraut waren. Da kommt wieder der innere Rudi durch.Der wird auch ein Mitspracherecht haben bei den Angeboten für Kinofilme, die er jetzt bekommen wird, mit Silbernem Bären oder ohne. Der Schauspieler Elmar Wepper wird ganz buddhistisch an die Sache herangehen, und die Dinge befragen, wie sie sich denn entwickeln möchten; und der innere Rudi will vielleicht einfach nur seine Ruhe haben.

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