Elitäres Wohnen:Das Premium-Universum

Master-Bedroom und Townhouses: Im Geist der Könige sollen Reiche mittels gehobener Ausstattung die Innenstädte wiederbevölkern. Dieser neue Urbanismus dient vor allem einem Übel: der Exklusionsgesellschaft.

Gerhard Matzig

Für viel Geld bekommt man in der neuen Stuttgarter Wohnanlage "Quant" zumindest keinen besonders exaltierten Namen geboten. Quant - das ist immerhin mal etwas Neues auf einem Immobilienmarkt, dem schon längst keine begriffliche Bizarrerie mehr fremd ist.

Elitäres Wohnen: Visualisierung des Bauprojektes "The Heaven Seven" in München: Irgendwo müssen die Superreichen ihre Sofalandschaften ja abstellen.

Visualisierung des Bauprojektes "The Heaven Seven" in München: Irgendwo müssen die Superreichen ihre Sofalandschaften ja abstellen.

(Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

In München etwa wird in den nächsten Jahren das (vermutlich teuerste) Wohnen der Stadt in "The Heaven Seven" stattfinden, offenbar deshalb, weil zu befürchten ist, dass sich die geographisch exakte Beschreibung "Müllerstraße 7" nicht so gut verkaufen ließe auf dem globalen Markt für die wohnenden Superreichen.

Die müssen ihre Sofalandschaften ja schließlich auch irgendwo wertsteigernd abstellen. In diesem Zusammenhang fällt übrigens auf, dass es auch kaum mehr Balkone oder Dachterrassen gibt. Dagegen taucht das "Skydeck" immer öfter auf.

Master-Bedroom statt Elternschlafzimmer

Und auch das Elternschlafzimmer scheint vom Aussterben bedroht zu sein - es weicht dem Master-Bedroom samt Master-Bad, Master-Ankleide und Master-Kirschkernkissen.

Aber ob München oder Berlin, Stuttgart oder Dresden: Dem Leser der voluminöser werdenden Bautafeln drängt sich überall die gleiche Vermutung auf. Dass sich nämlich die Bauträger und Investoren ihren marktschreierischen Hang zu aufgeplusterten Immobilien-Poesien vergolden lassen.

Anders lässt sich kaum erklären, warum das "Loft-Wohnen", das Hausen in "Townhouses" sowie das Residieren in "Residenzen" so globalistischer wie teurer Natur sein muss - obwohl es von echten Lofts, Stadthäusern oder Residenzen meist denkbar weit entfernt ist.

Der Rest ist Premium

Auch ließe sich wetten: Wenn man den Marketendern des "gehobenen Wohnanspruchs" die "Arkade" wegnimmt, dann ist schon die zweite Immobilienblase in kurzer Zeit zu beklagen.

Deshalb wirkt das Quant, vom Namen her, trotz seiner furchterregenden Herkunft ("eine Immobilie der Premiummarke Nobilium", die wiederum zur "Premiummarke LBBW" gehört) zunächst bescheiden. Zunächst, denn der Rest ist Premium.

Vom "Wohnen auf höchstem Niveau" ist die Rede, von der "Toplage", von der "Handschrift eines international führenden Architekten" oder von der Innenausstattung, die "in den Händen international tonangebender Designer" liege.

Dabei ist das Quant nur das ehemalige, jetzt umgebaute Bürogebäude des Max-Planck-Instituts in der Seestraße. Daher auch der Name: Planck gilt, tonangebend geradezu, als Begründer der Quantenphysik.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Chancen in neuen Bautypen lägen.

Das Premium-Universum

Nun könnte man das ganze Premium-Planck-Quant-Getue als branchenübliche Hysterie abtun, wenn die erhoffte Rendite nicht auch etwas zu tun hätte mit den Hoffnungen auf die "Renaissance der Stadt".

Denn dieses schon seit Jahren zu beobachtende Phänomen, das die Wiederentdeckung der Innenstädte und zugleich das scheinbar beginnende Ende der Pendlervororte beschreibt, wirkt mittlerweile nicht nur positiv. Im Gegenteil: Der Stadtboom scheint auch fatale Kräfte freizusetzen, die nicht die Städte selbst zu Gewinnern machen, sondern nur den Gewinnern der Gesellschaft dienen.

Kapriziöse Designwelt

In diesem Sinn wird Luxuswohnraum für eine ganz bestimmte, urbanelitäre Klientel geschaffen, die vom Landleben gelangweilt ist. Die Renaissance der Stadt gerät auf diese Weise nur zur Wiedergeburt der Stadt, die sich nicht jedermann leisten kann. Die Stadtluft, die einst das Versprechen barg, frei zu machen, wird zunehmend teuer.

Projekte wie das Quant, in dessen kapriziöse Designwelt sich nur einkaufen kann, wer etliche hunderttausend Euro für zwei oder drei Zimmer anlegen möchte, illustrieren nicht nur die superlativistischen Grotesken des Immobilienmarktes, sondern auch die jüngsten, exkludierend wirkenden Verzerrungen der "Neuen Urbanität", die sich solcherart in ihr Gegenteil verkehrt.

Der "New Urbanism", das politisch, ökologisch, soziologisch und sogar ästhetisch erwünschte Erstarken der Stadt, hat bisher offenbar bevorzugt Projekte hervorgebracht, die einer Minderheit dienen - um ein Interesse der Mehrheit am Stadtraum als Lebenswelt aller zu verspielen.

Die Parzelle als städtisches Leitmotiv

Das Quant etwa ließe sich - wäre es nur erschwinglich erbaut und nicht von Designern erdacht worden - als gelungener Beitrag zur Umwidmung der Stadt feiern.

Denn der Umbau von zwar städtischen, aber trostlosen Büroräumen der Nachkriegszeit, die ein Leben nur von neun Uhr morgens bis nachmittags um siebzehn Uhr vorsehen, ist dringend geboten und stellt eine der interessantesten baupolitischen Herausforderungen dar.

Oder, ein anderes Beispiel, die Berliner "Townhouses" unweit des Außenministeriums: Hier ist der Bautypus des Stadthauses reanimiert worden, der jahrhundertelang für das auch ästhetisch gelungene, vitalisierend wirkende Miteinander von Wohnen und Handel gesorgt und die Parzelle zum städtischen Leitmotiv gemacht hat.

Lesen Sie auf der dritten Seite, wer von der neuen Urbanität ausgeschlossen bleibt.

Das Premium-Universum

Die Townhouses von Berlin aber, stadträumlich geglückt (architektonisch jedoch missglückt), dienen gleichfalls nur den urbanen Eliten. Natürlich ist das nun vollendete Ensemble schon seit Jahren verkauft. Im Berliner Tagesspiegel hieß es vor ein paar Wochen in diesem Zusammenhang: "Sozialen Wohnungsbau gibt es nicht mehr, der Zuzug von Leuten mit höheren Einkommen - Lobbyisten, Verbandsvertreter, Unternehmer, Promis aus der Medien- und Kunstszene - zeige aber auch: Für diese Klientel fehlt ein adäquates Angebot." Das alles unter dem Titel: "Berlin wird nobler."

München, möchte man meinen, ist ebendies zur Genüge. Dass aber nur "mehr" auch mehr ist, im Gegensatz zum Moderne-Diktum "Less is more", demonstriert der steinerne New-Urbanism-Schick der neuen "Lenbachgärten" in Bahnhofsnähe.

Wanderungssaldi sind differenziert zu werten

Dort wird das "stilvolle Wohnen und Arbeiten für höchste Ansprüche" im "Geist der Könige" annonciert - und entsprechend den höchsten Einkommen anempfohlen.

In Stuttgart wurde also Büroraum zu Wohnraum umgewidmet. Das tut der Stadt sehr gut. In Berlin wurde der vergessene Typus des Stadthauses reanimiert. Das ist hervorragend. Und in München wurde die traditionelle Ästhetik steinsichtiger Stadtfassaden interpretiert - und die räumliche Qualität städtischer Strukturen gleich mit. Auch das ist grundsätzlich ein Gewinn. Aber in allen drei Fällen, und es gibt viele Beispiele mehr in Deutschland, muss man schon zu den Gewinnern der Gesellschaft gehören, um gewinnender Teil der solcherart wiederentdeckten Stadt zu sein.

Die Wanderungssaldi, die die Renaissance der Stadt belegen, sind also differenziert zu werten: Familien mit Kindern oder einkommensschwächere Senioren bleiben demnach ausgeschlossen von der neuen Urbanität.

Da ihr Lebensraum, die Vororte, aber bedroht ist - Stadtsoziologen sprechen von den Problemgebieten von morgen -, haben sie im Zuge der steigenden Mobilitätspreise nun ein zweifaches Problem: Die Innenstadt ist zum Wohnen zu teuer für sie - und das Pendeln von den Innenstädten, wo zunehmend die Arbeitsplätze der postindustriellen Gesellschaft angesiedelt sind, in die Außenräume können sie sich gleichfalls nicht mehr lange leisten.

Der Reichtum kehrt zurück

Früher, im 18. Jahrhundert, als nach dem Adel auch das vermögende Bürgertum das Wohnen in peripheren Villen und auf Landsitzen entdeckt hatte, verslumten die Innenstädte allmählich.

Wer es sich leisten konnte, brachte sich vor all dem Schmutz, der Krankheit und der Tristesse der Stadt in Deckung. Nun ereignet sich das Gegenteil: Der Reichtum kehrt zurück in die Lofts und Townhouses. Mit dem Unterschied allerdings, dass nun jene, für die der siebte Himmel in der Stadt nicht gedacht ist, auch auf dem Land nicht bleiben können. Die wiedergeborene Stadt verheißt manch einem also weder vor noch hinter den Toren ein Leben.

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