Elaine Ortiz Arandes:Für immer jung

Die in Puertorico geborene Sopranistin ist schon seit 1988 Mitglied im Ensemble des Gärtnerplatztheaters. Ein Porträt.

Von Klaus Kalchschmid

München - Elaine Ortiz Arandes ist gefühlt so lange Ensemble-Mitglied des Gärtnerplatztheaters wie die Queen in England regiert. Immerhin erlebt die gebürtige Puertoricanerin seit 1988 - nach Hellmuth Matiasek, Klaus Schultz und Ulrich Peters - mit Josef Köpplinger gerade ihren vierten Intendanten und stand in mancher Spielzeit ganze hundertmal auf der Bühne. Würde man gefragt, wen man noch länger kennt, fiele einem nur eine weitere Bayerische Kammersängerin ein, die heute 74-jährige Gisela Ehrensperger. Sie war 40 Jahre lang Ensemble-Mitglied des Gärtnerplatztheaters und steht weiter auf der Bühne desselben.

Gleich verfällt Ortiz Arandes ein erstes von Dutzenden Malen in ihr herzhaftes, ansteckendes Lachen, wenn sie sagt: "Noch bin ich keine Emilia Marty, die im Alter von 337 Jahren überlegt, ob sie weiterleben will oder nicht, ob sie sich noch mal unter großen Schwierigkeiten das Lebenselixier besorgt oder nicht. Denn sie ist eine Frau und will Aufmerksamkeit haben, will begehrt, will vielleicht sogar wieder jünger werden." Sagt's und strahlt, als wolle sie alle entsprechenden Assoziationen und Fragen prophylaktisch weglächeln.

Elaine Ortiz Arandes: Sopranistin Elaine Ortiz Arandes gehört seit 1988 zum Ensemble des Gärtnerplatztheaters.

Sopranistin Elaine Ortiz Arandes gehört seit 1988 zum Ensemble des Gärtnerplatztheaters.

(Foto: Robert Brembeck)

Leoš Janáčeks Oper "Die Sache Makropoulos", in der sie, selbst alterslos, aber immer noch voller jugendlichem Feuer, eine alterslose, allerdings mittlerweile gefühlskalte Sängerin verkörperte, war für sie in jeder Hinsicht ein, wie sie sagt, "Wow-Stück". Dafür recherchierte sie ausführlich, beschäftigte sich viel mit Alchemie und tschechischer Geschichte, bevor sie dann 2010 als Emilia Marty auf der Bühne triumphieren konnte. Ihre erste Partie am Gärtnerplatz sang Elaine Ortiz Arandes 1988 in Domenico Cimarosas Opera Buffa "Die heimliche Ehe". Und schon in der allerersten Vorstellung passierte es: Peter Baumgardt hatte das Geschehen in einem knallbunten 1950er Jahre Setting samt Isetta inszeniert, "und weil ich damals noch jung und knackig war, wollte er mein Kostüm immer enger haben. Dafür wurde er immer wieder persönlich in der Kostümabteilung vorstellig." Doch bereits nach den ersten Sätzen, die sie zu singen hatte, machte es "Ratsch", als sie sich in ein Sofa setzte: "Die Naht an meinem Po war aufgeplatzt! Also achtete ich tunlichst darauf, nicht meine Rückseite zu zeigen und arbeitete mich Richtung Seitenbühne vor, um auf das Malheur hinzuweisen. Während ich dann hinter der Bar stand, flickte das eine Schneiderin, die unsichtbar unten auf dem Boden kniete." Aber auch vom sexy Domina-Kostüm in Volker David Kirchners "Das kalte Herz" kurz danach schwärmt die fünffache, unverschämt jugendlich wirkende Großmutter noch heute.

Peter Baumgardt war auch der in letzter Minute eingesprungene Regisseur einer Barock-Oper von Reinhard Keiser ("Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus"), die in einer Tag-und-Nacht-Aktion auf die Bühne gebracht wurde: "Wir haben damals im Theater gelebt, dort auch Gulasch gekocht und gegessen!" Am Tag der Premiere starb die Mutter: "Das überlebt man nur, wenn man es niemandem sagt, aber ich habe den Abend ihr gewidmet und erst am Ende, als Richard Salter - der auch so früh verstarb - eine berührende Arie sang, liefen mir dann doch die Tränen herunter."

Ansonsten ist Elaine Ortiz Arandes das, was man ein Bühnentier nennt; durch nichts und niemanden aus der Fassung zu bringen und noch kopfüber fähig, die richtigen Töne herauszubringen. Für sie war und ist Singen keine Arbeit: "Als meine Kinder noch klein waren, dachte ich mir am Abend immer, ah, jetzt musst du - oder darfst Du - nur singen!" Sie ist die einzige im Ensemble, die es schafft, bei jeder Beerdigung aufzutreten: "Singen ist heilsam für mich und nach dem Tod eines lieben Kollegen für mich eine ganz persönliche Widmung an ihn. Ich singe aber auch gerne bei Hochzeiten und ich bin so oft eingesprungen für Kollegen wie niemand sonst. Wenn alle Frasquitas krank waren, ich stand am Abend auf der Matte!"

Sie sei keine Emilia Marty, sagt sie. Aber sie hat am Haus schon vier Intendanten erlebt

Mozarts Papagena, erste Dame und Pamina, Ilia ("Idomeneo"), Despina, Serpetta ("Gärtnerin") und Donna Anna war sie, Puccinis Musetta und Butterfly ("meine Lieblingspartie, gerade mit Doris Dörrie als Regisseurin"). Ortiz Arandes machte viel Spieloper und Operette, sang aber auch Michaëla ("Carmen"), Maria in "West Side Story", Zeitgenössisches, frühen Wagner und frühe Schiller-Vertonungen Verdis. So faszinierte sie als Traviata, aber auch als Amalia in "I masnadieri" und in der Titelpartie von "Giovanna d'Arco", beides inszeniert von Thomas Wünsch, der 2012 mit nur 50 Jahren starb: "Ach, er war so ein Guter in jeder Hinsicht; ein schöner Mann und ein toller Regisseur, der jedem Choristen einen Charakter gab", schwärmt die Sopranistin mit großen traurigen Augen.

Man kann mit ihr wunderbar über Kollegen und andere Regisseure wie Franz Winter reden, der in der Ära Schultz viel Operette machte und den sie ebenfalls schätzte. Oder Peer Boysen: "Mit ihm haben wir zwei Wochen lang die 'Gärtnerin aus Liebe' nur am Tisch lesend geprobt. Als wir dann auf die Bühne gingen, stand die Inszenierung schon!" Sandra Moon und sie waren zur selben Zeit oft parallel besetzt, aber die geschätzte Kollegin bekam immer die Premiere. Doch da ist die Ältere nicht nachtragend: "Eigentlich haben wir uns perfekt ergänzt. Sandy war zuerst Sängerin und dann Schauspielerin; bei mir war es umgekehrt." Egal wie klein oder groß die Rolle, stets ist Ortiz Arandes dank umwerfender sängerischer Bühnenpräsenz die Aufmerksamkeit des Publikums sicher. Aus ihr sprudeln die Worte nach jeder Frage nur so heraus, auch wenn sie bei der Suche nach einem entlegenen Namen in ihrem Gehirn schnell ungeduldig wird und es herausplatzt: "Ach, in meinem Kopf sind einfach zu viele Noten!"

Mit dem mobilen Musiktheater GOLD! ließ sie tausende von Kinderherzen höher schlagen. Jetzt steht wieder Mozart auf dem Programm: die erste Dame in der "Zauberflöte", später Despina in "Così fan tutte". Doch nach Sandmännchen und Gretel in früheren Jahren ist die Sopranistin erst einmal ab 2. Dezember in Engelbert Humperdincks "Hänsel und Gretel" (Premiere 1974!), für etliche Vorstellungen Gertrud, die strenge Mutter. Aber Elaine Ortiz Arandes denkt nicht im Geringsten ans Aufhören, denn: "Hoffentlich kommt irgendwann die Hexe!"

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