Eine kleine Nachtkritik: Wetten, dass..?:Abmoderation in Senfsauce

Neu und doch bekannt: Thomas Gottschalk reformierte "Wetten, dass" so ein bisschen und sonnte sich im Gästeglanz, bis er sich wie ein Würstchen fühlte.

Tobias Dorfer

In den letzten Monaten sind viele Dinge geschehen, von denen niemand je gedacht hätte, sie könnten passieren. In der ganzen Welt kollabierten reihenweise Banken. Felsen in der Brandung der Finanzwelt zerbröselten. Offenbar wurden Gier und fehlendes Vertrauen untereinander.

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Highheels und fesches Dekollete im Dirndl: Salma Hayek, Filmstar aus Mexiko, mit Thomas Gottschalk

(Foto: Foto: Reuters)

In Bayern verlor die CSU ihre absolute Mehrheit und erlebte damit so etwas wie die Apokalypse in weißblau. Und nun sollte auch noch "Wetten, dass...?", das traditionsreiche Flaggschiff deutscher TV-Unterhaltung, zum Start der neuen Staffel modernisiert werden - mit einer neuen Form der Saalwette und einem runderneuerten Studio.

"Wetten, dass..?" ist die CSU unter den TV-Shows - weitgehend immun gegen den TV-Zeitgeist, hat die Gottschalk-Show noch immer ein Abonnement auf Quoten, mögen sie auch ein wenig bröckeln. Altherrenwitzchen haben bei dort genauso ihren Platz wie unter zünftigen Christsozialen - und gegrantelt wird sowieso. Über die CSU und "Wetten, dass...?". Mal mehr, mal weniger laut.

Thomas Gottschalk hat sich von Häme und Kritik nie beirren lassen. Noch immer ist die Show für 15 Millionen Zuschauer gut - Zahlen, von denen Oliver Geißen, Jörg Pilawa, Frank Elstner und die irrsinnig menschliche Inka Bause nur träumen können.

Gottschalk hat einfach immer weiter gemacht. Und seine Gästecouch mit internationalen Stars besetzt. Am Samstag relativ exquisit mit Karl Lagerfeld, Rennfahrer Sebastian Vettel und Fußball-Spielerfrau Sylvie van der Vaart.

Dazu durften die österreichischen Zisterziensermönche und Frankreichs Präsidentengattin Carla Bruni ihre CDs bewerben und Komiker Atze Schröder sowie Bully Herbig und Regisseur Franz Xaver Kroetz ihre neuen Kinofilme. Was bei den Privatsendern die Werbeblöcke sind, sind bei "Wetten, dass...?" die Couchgespräche.

Bei Sylvie van der Vaart schaffte es Gottschalk immerhin bei einer Frage, dieser keinen anzüglichen Charakter zu verpassen. Ansonsten flirtete der blonde Franke wie ein Weltmeister - und auch bei den anderen Gästen verfolgte der Moderator seinen klaren Schmusekurs.

Carla Bruni wurde gefragt, wie es denn sein könne, dass jeder sie liebe. Ihre Antwort: "Ich liebe Menschen, vielleicht ist auch das der Grund, warum ich so viel Liebe erfahren darf."

Und Komiker Atze Schröder muss sich sehr gewundert haben, als ihm Gottschalk bescheinigte, einer der wenigen Comedians zu sein, die wirklich lustig seien. Da war selbst Atze Schröder für einen Moment still.

Abmoderation in Senfsauce

Sicher, "Wetten, dass...?" ist keine Sendung, die jemals einen Fernsehpreis für investigative Gesprächsführung erhalten wird. "Wetten, dass...?" war auch nie ein Arte-Themenabend. Meistens sind nicht einmal die Wetten besonders spannend - und Gottschalks Späße, die drei Stunden lang schlagfertig sein wollen, muss man als Zuschauer schon mögen.

Eine kleine Nachtkritik: Wetten, dass..?: Gottschalk wenige Momente nach seinem Senf-Bad

Gottschalk wenige Momente nach seinem Senf-Bad

(Foto: Foto: Reuters)

Doch trotz aller Schwächen hat "Wetten, dass...?" Charakter bewahrt. Die Show hebt sich wohltuend von den weichgespülten Showformaten ab, mit denen öffentlich-rechtliche und private Sender sonst am Samstagabend auf Quotenjagd gehen. Das Remake der "100.000-Mark-Show", das RTL etwa kürzlich ins Rennen schickte, war ein Flickenteppich an geschnittenen Szenen.

Jeglicher Live-Charakter fehlte - und entsprechend uninteressant war das groß angekündigte Event. Denn alles saß einfach perfekt: Das Licht, die Kandidaten und die Frisur von Moderatorin Inka Bause. Doch die Sternstunden einer Live-Show, die fehlten.

Bei Gottschalk in Nürnberg gab es einige dieser Sternstunden, die das Potenzial einer Live-Show erahnen ließen. Ein junger Geograph sorgte für die erste - indem er sich vier Filmchen von deutschen Autobahnen anschaute und danach, ohne ein Schild gesehen zu haben, sagen konnte, welche Strecke da gezeigt wurde. Klar, dass so ein Asphaltcowboy anschließend zum Wettkkönig gekürt wird.

Oder ein zwölfjähriger Schüler, der 24 Bierkästen aufeinander stapelte und - ohne etwas zu sehen - bis nach oben kletterte. Zuvor hatte er die singenden Zisterziensermönche mit einem furchtlosen "Grias di" begrüßt.

Wenn man mit Weißwürsten strickt

"Wetten, dass...?" ist wohl auch die einzige Sendung im deutschen Fernsehen, in der Frauen mit Weißwürsten stricken. Nirgendwo sonst können Zuschauer mit einem fiependen Terriermischling mitfiebern, wie dieser Fesseln aufknotet - und in keiner anderen TV-Show wird der Moderator am Ende in einen riesigen Kübel Senf getunkt. Thomas Gottschalk betatscht eben nicht nur schöne Frauen und macht Witze über Brigitte Nielsen.

Wie kein anderer Kollege ist er bereit, sich selbst zum Affen zu machen. Den Erfolg kann er am Sonntagmorgen im Videotext nachlesen. Und wenn Gottschalk Glück hat, fallen seinen Zuschauern am Montag sogar noch drei Szenen der Sendung ein. Dann hat er alles richtig gemacht.

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