Eine Begegnung mit Anne Hathaway:Der Teufel trägt Kirschmund

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Sie liegt auf der Abschussrampe für eine wirklich große Karriere. Jetzt sieht man sie liebreizend in "Der Teufel trägt Prada". Dabei hätte eine frühreife Masturbationsszene ihren Ruf beinahe schon komplett ruiniert. Wir trafen Anne Hathaway in New York.

Andrian Kreye

Anne Hathaway sagt: ,,Ich habe mich eigentlich nie so richtig für Mode interessiert'', was ein Interview über den Film ,,Der Teufel trägt Prada'' natürlich erheblich erschwert, schließlich geht es in der Verfilmung des gleichnamigen Romans nicht zuletzt um Mode und ihre Bedeutung für Leben, Gesellschaft und Amerika. Anne Hathaway spielt in diesem Film die Studentin Andy Sachs, die nach New York kommt, um für eine politische Wochenzeitung zu arbeiten und dann aus Geldnot und purem Zufall einen Job als Assistentin der Modezeitungschefin Miranda Priestly ergattert.

Anne Hathaway beim Versprühen von Doris-Day-Charme (Foto: Foto: 20th Century Fox/action press/EVERETT COLLECTION)

Für die 23-jährige Hathaway ist der Film ein Karriereschritt, weil Miranda Priestly von Meryl Streep mit einer so virtuosen Eiseskälte gespielt wird, dass dem jungen Mädchen die Sympathien der Zuschauer von der ersten Szene an sicher ist, und so was merkt sich das Publikum.

Das ist wichtig für Anne Hathaway, die mit Filmen wie ,,The Princess Diaries'' und ,,Ella Enchanted'' zum Superstar von kleinen Mädchen aufstieg, die ihre Kinderzimmer mit Märchenbildern und Einhornpostern vollkleben. Ihr erster Versuch, aus der Kinderecke auszubrechen, war dann eine Masturbationsszene in dem Billigstreifen ,,Havoc''. Der machte sie kurzfristig zum Liebling einsamer Internetlüstlinge, die den Filmschnipsel myriadenfach im Netz verschickten, was in Hollywood für junge Schauspielerinnen inzwischen ähnlich karrieregefährdend sein kann wie Auftritte in Werbespots für Hygieneprodukte, weil sich das Publikum leider auch das merkt. Die Rettung kam, als Ang Lee sie für ,,Brokeback Mountain'' als Jake Gyllenhaals forsche Ehegattin engagierte und der Film drei Oscars abräumte.

Das war der erste Schritt zum Erfolg. ,,Der Teufel trägt Prada'' ist nun der zweite. Der Film platziert sich marktgerecht zwischen ,,Sex and the City'' und all den romantischen Komödien, in denen normalerweise Hugh Grant oder Kate Hudson mitspielen. Anne Hathaway scheint für dieses Genre wie geschaffen, weil sie einen altmodischen Doris-Day-Charme versprüht, diese Mischung aus braver Erotik und harmlosem Witz, die sie schon in ihren früheren Filmen zum Star für die ganze Familie prädestinierte. So findet man die ehrgeizige Andy Sachs auf Anhieb sympathisch, obwohl sie genau betrachtet eine unsympathische Streberin ist, die aus bildungsbürgerlichem Dünkel gegenüber der schnöden Modelwelt keinen Hehl macht, aber dann doch alle Hebel in Bewegung setzt, um ihrer Karriere einen Schub zu geben. Wenn Miranda Priestly ihr zum Beispiel aufträgt, den unveröffentlichten neuen Band von ,,Harry Potter'' für ihre Kinder zu besorgen, in der Hoffnung, dass sie an der unlösbaren Aufgabe scheitert und gefeuert werden kann, scheut Andy keine Mühen, Tricks und Finten, um doch noch an das streng geheime Manuskript zu kommen.

Anne Hathaway steht dabei exemplarisch für eine neue Generation junger New Yorker, die den Moloch am Hudson nicht mehr als urbanes Buschgebiet für Abenteuer und Experimente, sondern als Abschussrampe für große Karrieren in noch größeren Konzernen betrachten. Die Reality-TV-Serie ,,The Apprentice'', in der sich ein Dutzend junge Streber wie ein Rudel junger Pitbulls wegbeißen, um als Seriensieger einen Job bei Donald Trump zu ergattern, zeichnete das bisher schärfste Porträt dieser Generation.

Anne Hathaways Andy Sachs ist dagegen die Kuschelversion, weil eine romantische Komödie zwar immer auch eine Gesellschaftssatire ist, aber doch stets auf der Sonnenseite des Lebens stehen soll. Deswegen der Bildungsbürgerdünkel, die Gewissensbisse, wenn sie mal wieder Ellenbogen bewiesen hat. Wie so oft, ist die Antagonistenfigur in ,,Der Teufel trägt Prada'' ehrlicher und sympathischer als die ach so ehrenhafte Protagonistenrolle.

Meryl Streeps Amanda Priestly weiß, wie sie Machtspiele gewinnt, ihre Untergebenen auf Linie hält und dabei eine Vision verfolgt. Das brave Mädchen Andy wäre mit ihrer quengeligen Besserwisserei eigentlich eine Nervensäge. Würde sie nicht von Anne Hathaway gespielt.

Im wirklichen Leben war es die Studentin Lauren Weisberger, die einen Job bei der Vogue-Chefredakteurin Anna Wintour ergatterte, die für ihre Launen und Allüren schon weltberüchtigt war, bevor Weisberger den Bestsellerroman über ihr Praktikum schrieb. Das Buch lebt vom ironischen Ton, mit dem Lauren Weisberger jedes Moralisieren und Quengeln vermied. Ironie und Sarkasmus funktionieren in einer romantischen Komödie allerdings nur bedingt, weswegen es am Drehbuch liegt, dass Andy so streberhaft daherkommt.

Und dann sitzt Anne Hathaway eben barfuss auf dem Sofa eines New Yorker Hotels, sie trägt ein schwarzes T-Shirt, Jeans und einen kleinen Goldring am Zeh und sagt, dass sie mit Mode nichts anfangen kann. Da rettet sie nur ihr Filmstarlächeln, so ein klassisches Breitleinwandlächeln, das einen ganzen Kinosaal ausfüllen kann und für so eine Hotelsuite eigentlich viel zu groß ist. Mit den dunklen Haaren, den großen Augen und diesem riesigen Mund erinnert sie an die junge Liza Minnelli und ein wenig an Audrey Hepburn. Das kann im Make-up auch schon mal schiefgehen. In ,,Der Teufel trägt Prada'' wirkt sie in einigen Szenen wie ein Kunstprodukt aus dem CGI-Studio. Meist aber tut dieses Lächeln seine Wirkung, und man nimmt ihr dann zum Beispiel nicht übel, dass sie sich nicht für Mode interessiert.

Vielleicht liegt diese Abneigung gegen Flitter und Tand ja auch irgendwo in der Kindheit von Anne Hathaway, wo man auch die Wurzeln ihres Doris-Day-Charmes vermutet. Die ersten Jahre verbrachte sie in Carroll Gardens, jenem Stadtteil von Brooklyn, der nicht mehr ganz so bürgerlich wie Brooklyn Heights, aber auch noch nicht so von der Bohème bestimmt ist, wie Park Slope. Viele Kirchen gibt es da, weil sich dort um die vorige Jahrhundertwende viele italienische und irische Katholiken niederließen, um im nahe gelegenen Hafen zu arbeiten.

Auch Anne Hathaway ist als Kind einer irischstämmigen Familie katholisch aufgewachsen. Die katholische Erziehung blieb selbst, als sie mit ihren Eltern und ihren zwei Brüdern in die Vororte von New Jersey umsiedelte. Dazu kam die bildungsbürgerliche Komponente. Ihr Vater Gerard war Rechtsanwalt, ihre Mutter die Theaterschauspielerin Kate McCauley, und die tauften sie immerhin nach William Shakespeares Frau. Da ist das mit der Lust am weltlichen Glanz und Glamour natürlich so eine Sache. Und auch wenn sie von sich sagt, dass sie den Glauben für sich noch nicht entdeckt hat und sich als ,,konfessionslose Christin'' bezeichnet, ist die Nähe zum Katholizismus geblieben.

Seit zwei Jahren ist sie mit dem jungen, italienischen Immobilienmagnaten Raffaello Follieri liiert, der gemeinsam mit seinem Vater die weitreichenden Verbindungen der Follieri-Familie zum Vatikan nutzt und der katholischen Kirche in Amerika dabei hilft, ihre Besitzungen neu zu ordnen, weil die meisten der Katholiken heute nicht mehr in den Städten, sondern in der Suburbia leben. Damit ist viel Geld zu verdienen, weil Immobilien in Städten viel wert und in der Suburbia billig zu haben sind. Über all das redet Anne Hathaway natürlich nicht, sie will nicht mal den Namen ihres Freundes nennen, erzählt nur, dass sie gemeinsam viel Wohltätigkeitsarbeit leisten. Da schließt sich der biografische Kreis dann endlich - die katholische Kindheit, der bildungsbürgerliche Anspruch, die Scheu, die Hollywood vor seinem eigenen Glamour entwickelt hat und das die Stars und Macher mit fiebriger Wohltätigkeitsarbeit ausgleichen.

Für Anne Hathaway ist das als braves katholisches Mädchen nichts Neues. ,,Ich bin eigentlich damit aufgewachsen, dass man sich auch immer um andere kümmert'', sagt sie. ,,Wir haben zwar in einer ziemlich wohlhabenden Gegend gewohnt, aber eine Viertelstunde Autofahrt von uns entfernt lag die Stadt Newark, eine der ärmsten Gegenden von New Jersey. Als Kinder haben wir da immer schon in den Armenküchen gearbeitet. Das kam von meiner Mutter, die sehr katholisch ist. Aber da hatten wir auch immer vor Augen, dass Wohlstand und Sicherheit keine Selbstverständlichkeit sind.''

Mit den ersten Filmerfolgen gab es dann auch mehr Möglichkeiten, Gutes zu tun. ,,Ich habe damals so viele Kinder getroffen, die 'The Princess Diaries' geliebt haben. Und dann kamen immer wieder Leute auf mich zu, die mir von kranken Kindern erzählten, die den Film so mochten. Da habe ich dann angefangen, mit der Lollipop Organization zu arbeiten. Die vermitteln Stars an Kinderkrankenhäuser. Damals ging es mir selbst nicht so besonders, aber nach den ersten Besuchen in diesen Krankenhäusern hat das meine Perspektive ganz schön zurechtgerückt.''

Heute engagiert sich Anne Hathaway für Unicef, für das St. Jude's Hospital und für Angelina Jolies Flüchtlingskinderprojekte. Jolie ist auch ihr Vorbild. ,,Ich habe sie zum ersten Mal bei irgendeiner Preisverleihung getroffen, als sie irgendeinen Künstlerisch-brillante-mutige-phantastische-Frau-Preis bekam und ich irgendeinen Aus-der-wird-noch-was-werden-Preis. Angelina war meine Lieblingsschauspielerin, seit ich 16 war. Nicht unbedingt vom Handwerklichen, aber sie war immer so furchtlos und ehrlich, wie sie über alles sprach, was sie so durchmachte, über ihre Gefühle und das hat mir selbst viel geholfen. Als ich sie endlich traf, bin ich dann echt fast in Tränen ausgebrochen. Ich habe noch nie so viel Kraft in jemandes Augen gesehen. Echt keine Übertreibung.''

Angelina Jolie engagierte Anne Hathaway dann für ihr Dokumentarfilmprojekt, für das Hollywoodstars in aller Welt Bedürftige besuchten. ,,Angie war damals in der Wüste Gobi, Jude Law in New Orleans. Ich fühlte mich sehr geehrt, weil ich nach Kambodscha durfte, und ihr Sohn Maddox doch von dort stammt.''

Anne Hathaway weiß, dass Ruhm ein Privileg ist, das man für solche Projekte besonders effektiv einsetzen kann. ,,Wenn ich bei irgendeiner Veranstaltung 10000 Dollar nur dafür bekomme, dass ich mich kurz blicken lasse, dann gebe ich das meist an eine wohltätige Organisation. Und weil wir von einem Senator jetzt das Versprechen bekommen haben, dass die Regierung für jeden Dollar, den wir aufbringen, zwei Dollar dazugibt, spende ich gewissermaßen 30000 Dollar. Wie viele Leute gibt es schon, die in so einer glücklichen Lage sind? Das ist ja wirklich dummes Geld, wenn man das so einsetzen kann.''

Als nächstes wird sie ihrem Freund dabei helfen, die Follieri-Stiftung aufzubauen, die weltweit Kinder gegen die sechs verbreitetsten Kinderkrankheiten impfen soll. Ach ja, einen Film hat sie auch gerade noch abgedreht. In Julian Jarrolds ,,Becoming Jane'' spielt sie die Schriftstellerin Jane Austen, die im frühen 19. Jahrhundert Romane wie ,,Stolz und Vorurteil'' und ,,Sinn und Sinnlichkeit'' schrieb. Mit so einem literarischen Stoff wird sie sich noch ein wenig mehr als ernsthafte Schauspielerin etablieren. ,,Ich will mich um Gottes Willen nicht als gutes, braves Mädchen präsentieren'', hat Anne Hathaway einmal einem Journalisten gesagt. An dem Image wird allerdings kein Weg vorbeiführen. ,,Der Teufel trägt Prada'' wird daran nichts ändern.

© SZaW v. 7./8.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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