Ehrung:Ein Hoch auf die Genossenschaft

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(Foto: imago/CHROMORANGE)

Zwei Deutsche erfanden im 19. Jahrhundert die Genossenschaft. Jetzt wurde ihre Idee von der Unesco zum Kulturerbe erklärt.

Von Alex Rühle

Die Argentinier haben den Tango, die Kanarier eine Pfeifsprache. Und die Deutschen? Die Genossenschaft. Wie? Genossenschaften gibt es doch auf der ganzen Welt? Ja, aber die Idee, die stammt ursprünglich aus Deutschland und bekam jetzt das allerhöchste Gütesiegel: Sie wurde als erster deutscher Beitrag ins immaterielle Kulturerbe der Unesco aufgenommen. In der Begründung hieß es: "In Genossenschaften kommt bürgerschaftliches Engagement jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen zum Ausdruck."

Das klingt etwas trocken protestantisch, darf aber jetzt trotzdem mal hemmungslos gefeiert werden. Also: Ein Hoch auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch, die beiden ehrwürdigen Männer, die im 19. Jahrhundert unabhängig voneinander dieselbe großartige Idee hatten: Gemeinsam ist man stärker, man muss sich zusammentun. Und statt auf den Staat oder eine gute Fee zu warten, gründet man lieber eine Selbsthilfeorganisation. Wir brauchen Wohnraum? Na, dann besorgen wir uns doch selber welchen, der uns dann auch noch allen gehört. Genossenschaften sind demokratisch strukturiert - bei Abstimmungen hat jedes Mitglied eine Stimme, egal, wie viel es eingezahlt hat. Wer denkt, da trifft sich ein Haufen idealistischer Träumerle, soll sich jetzt in die Ecke stellen: Weniger als 0,1 Prozent der Genossenschaften melden Insolvenz an. Sie arbeiten gewinnorientiert, ohne renditefixiert zu sein, weil es nicht einen Besitzer gibt, der die Gewinne abgreift, stattdessen zirkuliert das Geld innerhalb der Genossenschaft zu Nutz und Frommen all ihrer Mitglieder. Keine einzige Genossenschaftsbank musste nach dem Crash 2008 gestützt werden. Und feindliche Übernahmen sind so gut wie ausgeschlossen.

Klingt der Text parteiisch? So als sei er von einem Genossenschafter geschrieben worden? Oh ja! Von einem, der das geradezu wahnwitzige Glück hatte, dass sein Haus von einer Münchner Wohngenossenschaft gekauft wurde. Seither verwaltet sich das Haus selbst, es gab noch keine Mieterhöhung, und während Nachbarn rings umher rausgentrifiziert wurden, sind wir alle noch da und haben lebenslanges Mietrecht. Lang lebe die Genossenschaftsidee!

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