Edge:Furcht und Schrecken

U.S. Republican presidential candidate Donald Trump brings a look-alike supporter Terry Silliman of Goose Creek, South Carolina on stage during a rally at the Myrtle Beach Convention Center in Myrtle Beach, South Carolina

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump und einer, der gerne auch Trump wäre. Der Graben zum politischen Gegner ist hingegen tiefer.

(Foto: Randall Hill/Reuters)

Nicht Hautfarbe oder Religion sind die Gefahr für die Demokratie in Amerika - sondern die Parteien. Ein Gastbeitrag.

Von Jonathan Haidt

Stellen Sie sich vor, Sie gehören einem Auswahlkomitee an und müssen einen neuen Mitarbeiter auswählen (oder jemanden, der an Ihrer Universität einen Platz bekommen sollte, oder auch jemanden, der in Ihrem Forschungsgebiet einen Preis erhalten sollte). Am Ende des Auswahlprozesses sind zwei Kandidaten übrig, die nach objektiven Kriterien exakt gleichwertig wären. Welchen Kandidaten würden Sie wählen? Den Kandidaten A, der dieselbe Hautfarbe hat wie Sie? Oder wäre es Kandidat B, der das gleiche Geschlecht hat wie Sie? Kandidat C, der dieselbe Religion hat wie Sie? Oder Kandidat D, der in derselben Partei ist wie Sie und der Ihre ideologischen Ansichten teilt?

Die meisten Amerikaner entscheiden sich heute für Kandidat D. Und es ist gut, dass Vorurteile der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts oder der Religion der Vergangenheit angehören. Aber es ist überhaupt nicht gut für Amerika, die Welt und die Wissenschaft, dass die Abneigung gegen Menschen mit anderen politischen Ansichten drastisch gestiegen ist.

"Nachrichten, die bleiben" - das ist meiner Ansicht nach die Veröffentlichung von "Furcht und Schrecken durch die Parteien: Neue Beweise für die Polarisierung von Gruppen" (Fear and Loathing Across Party Lines: New Evidence on Group Polarization). Autoren sind die beiden Politologen Shanto Iyengar und Sean Westwood. In ihrer Arbeit stellen sie vier landesweit repräsentative Studien vor. Bei allen Studien ging es darum, ideologische oder rassistische Voreingenommenheiten zu verdeutlichen. Und in allen Studien war das ideologische Vorurteil das stärker ausgeprägte.

Die Forscher arbeiteten zunächst mit dem "Implicit Association Test". Dieser stellt fest, wie schnell Menschen emotional gute oder schlechte Wörter mit Wörtern und Bildern verbinden, die mit "Schwarz" oder "Weiß" assoziiert werden. In einer aktualisierten Version des Tests ersetzten sie zudem "Schwarz" und "Weiß" durch Wörter und Bilder, die an Republikaner und Demokraten erinnern. Die Parteizugehörigkeit fiel bei den Ergebnissen stärker ins Gewicht als die Hautfarbe: Wenn sich Amerikaner gegenseitig anschauen, dann sind ihre Assoziationen bei Menschen mit anderer politischer Auffassung negativer als bei Menschen mit anderer Hautfarbe.

In einer weiteren Studie baten die Forscher ihre Teilnehmer, erfundene Lebensläufe zu lesen, die angeblich von Abiturienten stammten. Dann sollten sie Schüler für ein Stipendium auswählen. Die Hautfarbe spielte eine Rolle - schwarze und weiße Teilnehmer zogen es grundsätzlich vor, das Stipendium einem Menschen zu geben, der einen für Schwarze typischen Namen trug.

Aber noch viel wichtiger war den Teilnehmern der Studie die Parteizugehörigkeit, und zwar relativ zur jeweils eigenen: In 80 Prozent aller Fälle wählten die Teilnehmer Kandidaten aus, deren Lebensläufe nahelegten, dass sie (politisch) die gleichen Ansichten teilten. Und dabei war es fast unerheblich, ob der Bewerber schlechtere oder bessere Noten hatte als seine Konkurrenten, die einer anderen politischen Richtung anhingen.

In zwei weiteren Studien ließen Iyengar und Westwood Studienteilnehmer Spiele aus der ökonomischen Verhaltensforschung durchführen, nämlich das "Spiel des Vertrauens" und das "Diktator-Spiel". Jeder Person wurde weisgemacht, sie spiele mit einer weiteren Person. Von dieser Person kannten die Teilnehmer eine kurze Beschreibung, das Alter, das Geschlecht, die Hautfarbe und die politische Einstellung. Die letzten beiden Punkte wurden variiert. Die Hautfarbe hatte keinen Einfluss auf den Spielverlauf, wohl aber die politische Einstellung. Denen, die ihre eigene politische Einstellung teilten, schenkten die Teilnehmer mehr Vertrauen und behandelten sie besser.

Die politische Konfrontation könnte besonders für die Hochschulen fatal werden

Für Amerika ist das sehr bedenklich, denn ohne Kompromisse lässt sich keine leistungsfähige Demokratie schaffen. Und wachsende Feindlichkeit zwischen Menschen mit unterschiedlicher politischer Meinung bedeutet, dass Amerikaner die jeweils andere Seite nicht nur für falsch, ja, für böse halten, sogar sie als eine Gefahr für die Existenz der Nation sehen. Amerikaner müssen künftig mit mehr Polarisierung, mehr Hetze, mehr Lähmung und blockierter Regierungsgewalt rechnen. Die Welt sollte das als Warnung begreifen, denn einige der Trends, die zu dieser Lage in den USA geführt haben, zeichnen sich auch in anderen Ländern ab: mehr Ausbildung und Individualismus (beides macht die Menschen ideologischer), mehr Zuwanderung und ethnische Vielfalt (beides reduziert soziale Bindungen und Vertrauen), stagnierendes Wirtschaftswachstum (vermittelt den Menschen das Gefühl eines Nullsummenspiels). Für die Forschung und für Universitäten ist die Lage noch fataler, denn Universitäten werden in der Regel mit der Linken assoziiert, in den USA haben sich Universitäten seit 1990 rasch nach links entwickelt. Damals lag das Verhältnis zwischen linken und rechten Professoren bei weniger als zwei zu eins, 2004 war das Verhältnis schon bei fünf zu eins, und die Kluft wächst. Weil diese Entwicklung an den Universitäten zusammenfällt mit dem wachsenden Hass zwischen Menschen, die sich politisch nicht einig sind, wird der Hass der republikanischen Legislative auf die Universitäten und deren Wünsche nach Geld und Unabhängigkeit zunehmen.

Iyengar und Westwood helfen uns, zu verstehen, dass es nicht länger um Hautfarbe, Religion oder Nationalität geht. Vielmehr sollten die Vorurteile, die sich quer durch politische Lager ziehen, sehr viel besser erforscht werden. In den USA könnten sie längst ein größeres Problem sein als die altbekannten Vorurteile.

Der Autor ist Soziologe an der New York University. Der Text ist eine der Antworten auf die Frage des Jahres, die das Onlinemagazin Edge.org insgesamt 197 Wissenschaftlern, Intellektuellen und Künstlern gestellt hat. Sie lautet: "Welche Nachricht war für Sie wichtig?" Übersetzung: Johannes Boie

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