DVD-Nachfolger im Test:Smog Gets in Your Eyes

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Die DVD steht vor der Ablösung. Es gibt gleich zwei miteinander unvereinbare Nachfolge-Systeme: HD-DVD und Blu-ray. Welches ist besser? Wir haben sie getestet.

Tobias Kniebe

Der Krieg hat begonnen, die ersten Einheiten stehen an der Front, die ersten Scharmützel sind geschlagen. Es geht um nicht weniger als die Zukunft des Home Entertainment, um das Milliardengeschäft, das Hollywood den Großteil seiner Gewinne beschert, um die Technik dahinter, die den Elektronikkonzernen einen neuen Boom garantieren soll. Die bekannte und beliebte Digital Versatile Disc, kurz DVD, dieses universal erfolgreiche Medium, soll abgelöst werden.

Prototyp einer Blu-ray-Disc. (Foto: N/A)

Gleich zwei Nachfolger stehen bereit, die beide von sich behaupten, alles noch besser zu können: Viel schärferes Bild, viel klarerer Ton, viel mehr Speicherplatz auf jeder Scheibe. Die neuen Superfernseher, die dafür nötig sind, gibt es schon, die neuen Abspielgeräte kommen gerade auf den Markt, und jetzt muss sich der Kunde entscheiden: Vertraut er dem Blu-ray-System, das unter der Führung von Sony entwickelt wurde - oder glaubt er an das Konkurrenzprodukt HD-DVD, an die Gruppe um Toshiba und Microsoft? Alle Voraussagen laufen darauf hinaus, dass nur ein Format überleben kann - wer heute nicht auf den Sieger setzt, könnte morgen genauso blöd dastehen wie ein Betamax-Besitzer nach dem globalen Triumphzug der VHS.

Ganz klar, dass der Cineast da hellhörig wird, dass er die neue Schärfe sehen, den neuen Sound in seinen Eingeweiden spüren will, dass er den direkten, brutalen Vergleich sucht: Sieht man wirklich einen Unterschied zur herkömmlichen DVD? Erkennt man eine entscheidende Differenz zwischen den beiden verfeindeten Lagern? Keine Chance, erklären die deutschen Vertreter der Hollywoodstudios: Momentan soll der Krieg bitte auf die USA beschränkt bleiben, Europa kommt frühestens im Herbst, und vorher gibt es nichts zu sehen.

Und damit müsste man sich wohl zufriedengeben, wäre da nicht ein unerschrockener Pionier wie Stefan Brüngger aus dem Schweizerischen Aarau. Er bietet die brandneuen amerikanischen Superscheiben auf seiner Website dvd-shop.ch bereits an - und am Telefon macht er ein unwiderstehliches Angebot: Er hätte da ein firmeneigenes Heimkino mit Vier-Meter-Leinwand, die beiden konkurrierenden Systeme seien bereits angeschlossen, da könne man nach Herzenslust schauen und vergleichen.

Der Vorführraum mit den luxuriösen roten Samtsitzen, die Kultstätte von Brünggers Leidenschaft, hat 200 000 Euro gekostet - allein der digitale Projektor, der wie ein Ufo von der Decke hängt, hat den Wert eines gehobenen Mittelklassewagens. Zuhause kann man das kaum nachmachen - aber wenn man hier nicht die die Zukunft sieht, wo dann?

Brüngger und sein Mitarbeiter Tobias Krähenbühl holen Dutzende von Filmen aus dem Regal. Die erste Überraschung: Obwohl Blu-ray und HD-DVD mit der Größe ihres Speicherplatzes protzen, sind sie kleiner als die herkömmlichen DVDs. Vielleicht folgt man damit der Tradition des digitalen Fortschritts, auch die CD war ja kleiner als die Langspielplatte. Und ja, wenigstens in einer Beziehung konnten sich die Format-Krieger einigen: Alle Blu-ray-Hüllen sind aus blauem Plastik, alle HD-DVD-Hüllen aus dunkelrotem. So hat man nun, wie in ¸¸The Matrix" die Wahl zwischen der roten und der blaue Pille der Bewusstseinserweiterung.

Wir beginnen mit der Gegenwart, bevor wir in die Zukunft springen: Der Unterwasser-Kriegsfilm ¸¸U-571" läuft als normale DVD - einfach deshalb, weil er zufällig in alt und neu vorhanden ist. Und man muss sagen, dass diese superhellen und hochauflösenden Digitalprojektoren auch aus einer normalen DVD schon erstaunlich viel herausholen: Es sieht fast aus wie Kino - nur eben ein wenig unschärfer, flackernder in den Schattenflächen, ein wenig matter in den Tiefentönen. Scheinbar erkennt man jedes Barthaar des deutschen Kapitänleutnants Thomas Kretschmann, aber es ist mehr Suggestion als Wirklichkeit. ¸¸Man braucht schon vier Meter Leinwand, um gleich den Unterschied zu sehen", prophezeit Brüngger, der die normale DVD keineswegs schlechtmachen will.

Ah, der Säbel! Der Grashalm!

Dann aber legt er eine HD-DVD ein. Und der Unterschied nimmt einem kurz den Atem: Allein der leuchtende Saum der Erdkugel im Universal-Logo wirkt wie mit dem Rasiermesser gezogen, und der Schriftzug ist von solch klirrender Schärfe, dass man in einem normalen Kino etwa Folgendes denken würde: Heute sehen wir aber eine jungfräuliche, außergewöhnlich schöne Filmkopie, und auch der Vorführer hat einen guten Tag. Dieses Gefühl kann man sich demnächst nach Hause holen. Wow.

¸¸Wer einmal die Möglichkeiten von High Definition auf der eigenen Leinwand erlebt kann, der kann nicht mehr zurück", seufzt Brüngger. ¸¸Ich selbst mag inzwischen auch keine alten DVDs mehr sehen." Aha, denkt man da, genau hier liegt also das Marktpotenzial. Um die Möglichkeiten der HD-DVD weiter auszutesten, läuft jetzt eine Szene aus ¸¸The Last Samurai": Diese großen Totalen des ländlichen Japan, dieses weiche Licht in den Wandelgängen des Tempels, das jede Pore im Gesicht von Tom Cruise modelliert! ¸¸Ist schon so", sagt Brüngger trocken, ¸¸ist einfach scharf."

Und gleichzeitig merkt man, wie der Filmblick sich auf seltsame Weise verändert, wie man nicht mehr so sehr auf Schauspielkunst und Dialoge achtet, sondern gierig wird auf den nächsten Schärfeflash: Da, der blitzende Säbel! Dort, der Grashalm im Gegenlicht! Hat man erst einmal tausende von Euro in neue Geräte investiert, wird dieser technische Blick zur Obsession - die amerikanische Website www.avsforum.com, wo jede neue High-Definition-Veröffentlichung im Detail seziert wird, zeugt bereits davon.

Jetzt aber Blu-ray. Nur die bessere Technik wird gewinnen. Brüngger setzt auf Effekt, er lädt ¸¸House Of Flying Daggers" in sein System. Das Märchenopus aus dem alten China, das die Schwerkraft scheinbar überwunden hat, und das Gesicht der Schauspielerin Zhang Ziyi, das sowieso schon wirkt wie mit Tusche gezeichnet: Wenn das jetzt mal nicht überwältigend aussieht! Aber, oh je: Da ist Zhang Ziyi, ihre Lippen sind blutrot, ihre Haut ist schneeweiß, aber es sieht eher aus wie mit Kreide gemalt. Ihre Robe leuchtet in tausend Farben, das Bordell, indem sie gleich tanzen wird, ist ein Fiebertraum blumiger Ornamente - aber irgendwie ist das alles nicht scharf. Nicht so scharf wie es sein müsste. Nicht so scharf wie HD-DVD.

¸¸Sie sehen", sagt Brüngger und grinst, ¸¸Blu-ray hat noch einige Probleme." Dann aber beeilt er sich, andere Blu-ray-Produktionen anzuspielen, die an Schärfe durchaus mit dem Gegner mithalten können: ¸¸Das Fünfte Element" zum Beispiel oder der brandneue Vampirfilm ¸¸Underworld: Evolution", wo besonders die Lichter in den unnatürlich blauen Augen von Kate Beckinsale aus der Dunkelheit herausstechen.

Der Formatkrieg sei noch keineswegs entschieden, berichtet Brüngger wie nebenbei, aber die Erkenntnis, dass Blu-ray derzeit nur manchmal die Qualität von HD-DVD erreiche, müsse bereits als schwerer Schlag für Sony gelten. Blu-ray-Player kosten doppelt so viel wie die Konkurrenz, also müssten sie theoretisch die doppelte Leistung bringen. HD-DVD war einen Tick schneller in den Läden, HD-DVD bietet bereits mehr Filme an, HD-DVD liefert momentan die zuverlässigere Qualität.

Wie aber sieht der Sieger in einem Formatkrieg aus? Er ist entweder früher da, oder er ist billiger, oder er bietet eine deutlich überlegene Technik. Auf allen drei Feldern liegt Blu-ray derzeit hinten - es steht Drei zu Null für die HD-DVD. Aber noch ist das Spiel nicht aus. Demnächst soll ein neuer Player von Sony auf dem Markt kommen, der vielleicht gleich drei Tore auf einmal erzielt. Und in Europa beginnt der Krieg sowieso erst mit der zweiten Generation der Geräte, da werden die Karten noch einmal neu gemischt. Die Händler jedenfalls haben am Ende vor allem einen Wunsch: Dass die Schlacht bald vorbei sein und ein klarer Sieger feststehen möge. ¸¸Zwei Format zu haben", sagt Brüngger, ¸¸wäre auf Dauer wirklich blöd."

Alles klar, soweit der Stand der Dinge. Gut, dass wir verglichen haben. Zum Schluss schauen wir zur Entspannung noch eine gemeinsame Lieblingsszene an, die Monstertruck-jagt-Motorrad-Sequenz aus ¸¸Terminator 2". Auch wieder eine Blu-ray-Disc, aber für einen 15 Jahre alten Film ist das Bild erstaunlich gut. Oder Moment mal . . . ¸¸Irgendwie ist da zuviel Smog in der Luft", sinniert Brünggers Kompagnon Krähenbühl, ¸¸da fehlt die letzte Schärfe." Kein Wunder, denkt man da, die Szene spielt schließlich in Downtown Los Angeles.

Bei der Heimfahrt bleibt dieser Satz haften und führt zum Nachdenken darüber, dass der Smog der Wirklichkeit den Ansprüchen von High Definition bald in die Quere kommen wird. Und schon sind wir beim Bergfilm mit seiner glasklaren Luft, seinen messerscharfen Felsspitzen, seinen ultraharten Kontrasten zwischen Schneefeldern und tiefblauem Himmel. Jetzt mal ehrlich - wäre das nicht das perfekte Genre für die Jünger des superscharfen Heimkinos? Er könnte jedenfalls, das prophezeien wir jetzt mal, bald einen unerwarteten Aufschwung nehmen.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.175, Dienstag, den 01. August 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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