Dumme K.I.:Du drückst nur die Knöpfe

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Warum wir mehr künstliche Dummheit brauchen und was das mit Stolz zu tun hat.

Von Philipp Bovermann

"Hey K. I.! Was wollen wir denn heute Abend machen", fragt die Robotik, und sie rennt dabei wie bekloppt im Kreis. Unbeweglich steht die künstliche Intelligenz, schaut mit grimmigem Blick durch die Gitterstäbe ins Freie. "Genau dasselbe wie jeden Abend, Robotik. Wir versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen!"

Die Stimmen mehren sich, die dieses der Labormaus-Serie "Pinky und der Brain" entlehnte Szenario bereits für diskussionswürdig halten. Der Mensch hat Angst, im Wettlauf von Evolution und Technologie überholt zu werden. Diese Verunsicherung erklärt vielleicht die Existenz eines Roboters wie des "MicroBot Push", laut Hersteller ein "drahtloser robotischer Knöpfe-Drücker". Sein Job ist, Knöpfe zu drücken. Ein menschlicher Knopfdruck auf dem Smartphone-Display genügt, schon fährt daheim, wo etwa ein Lichtschalter zu drücken ist, aus einem montierbaren Gehäuse eine Art fernsteuerbarer, künstlicher Finger - und: Klick!

Gedacht ist der MicroBot Push für Leute, die schon mal an ihrer Kaffeemaschine herumdrücken wollen, während sie noch hupend im Berufsverkehr stecken. Doch wenn man diesen Drückeberger so betrachtet, dann drängt sich noch ein anderer Eindruck auf, der einem doch das Herz aufgehen lässt. Der MicroBot Push ist nämlich nicht flach, wie alles, was aktuell toll ist, sondern ein kleiner, pummeliger, weißer Kasten (in "Platinum White"), der nicht aufzufallen versucht. Auf dem Rücken hat er einen blauen Kreis, so wie die coolen Kids sich das heutzutage auf ihre Handgelenke tätowieren lassen. Damit sieht er aber nur noch trauriger aus - und irgendwie doof.

Komischerweise ist das Balsam für die Seele, wo doch die Dingwelt um einen herum bereits "Go" spielt, Auto fährt und mit Aktien handelt - lauter Dinge, von denen Menschen denken, nur sie beherrschen sie total gut, und dann geht's schief. Der MicroBot Push hingegen ist ein smartes Gerät, das alle smarten Geräte zu verspotten scheint. Als wolle jeder Kunde sagen: Mir doch egal, wie klug du bist! Solange du deinen Akku in meinen Stromkreislauf steckst, drückst du hier nur die Knöpfe!

Das Gehirn ist alles andere als smart

Auch andere Roboter strahlen diese Unterwürfigkeit aus. Die israelische Firma Nua Robotics hat zum Beispiel einen Rollkoffer entwickelt, der seinem Besitzer durch jeden Flughafen hinterherfährt. Halb möchte man ihn tätscheln, halb will man ihn fragen: Na, wer ist das Herrchen?

Vielleicht ist diese Empfindung ein notwendiger Entwicklungsschritt auf dem langen Weg der Annäherung zwischen Mensch und Maschine. Die "künstliche Dummheit", wenn wir sie mal so nennen wollen, entpuppt sich nämlich ebenso als Projektion wie die künstliche Intelligenz. Man macht sich das oft nur unzureichend klar, aber Maschinen können natürlich überhaupt nicht denken - wenn man mit Denken das meint, was im Kopf von uns Menschen vorgeht. Nicht etwa, weil ihnen etwas fehlt, das irgendwann schon noch kommen wird, sondern weil Gehirne aus verschiedensten Teilen bestehen, die untereinander nur gelegentlich kommunizieren. Gehirne sind alles andere als smart.

Der "Dummbot" eröffnet dadurch der Science-Fiction ganz neue Perspektiven. Er steht weder für die utopische noch für die dystopische Zukunftsvision. Deren gemeinsamer Nenner ist die Idee der künstlichen Intelligenz als einer erhabenen Macht, die im Hintergrund gottgleich alles managen wird, zum Guten oder zum Schlechten. Eine Welt hingegen, in der Geräte auf Knöpfe drücken und durch die Gegend rollen, dabei aber dem menschlichen Stolz nie über die Füße fahren, hat etwas angenehm Unspektakuläres.

Darin liegt nun doch wieder ein bisschen Utopie. Else Buschheuer schrieb neulich in der SZ, mit einem, wie sie bemerkte, "herrlich schiefen Bild", dass wir noch immer in einer Welt lebten, in der "die Knöpfe von Schwänzen gedrückt" würden. Recht hat sie. Eigentlich wäre es doch wirklich sehr entspannt, wenn wir stattdessen auf eine Welt umsattelten, in der smarte Dummbots die Knöpfe drücken. So bliebe den Menschen mehr Zeit, in Ruhe kindisch zu sein.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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