Trend im Kino:Die Söhne haben als Rebellen ausgedient, jetzt sind die Töchter dran

Trend im Kino: Um mit dem neuen Vatertypus zurechtzukommen, den Russel Crowe hier spielt, haben die Töchter eigentlich nur eine einzige Waffe: lachen.

Um mit dem neuen Vatertypus zurechtzukommen, den Russel Crowe hier spielt, haben die Töchter eigentlich nur eine einzige Waffe: lachen.

(Foto: Justin Lubin)

Und die Väter sind Schwächlinge: Gabriele Muccinos Drama "Väter und Töchter" mit Russell Crowe steht für einen neuen Trend im Kino.

Filmkritik von Philipp Stadelmaier

Der Mann zittert, als hätte er ständig Schüttelfrost, seit dem Unfalltod seiner Frau, an dem er selbst schuld ist. Ob Nachts im Bett, am Schreibtisch oder bei wichtigen Terminen - immer wieder schüttelt ihn seine Seelenpein durch. Das Problem: Der Mann (Russell Crowe) hat nicht nur seine Frau verloren, er muss sich jetzt alleine um die Tochter kümmern. "Sie müssen lernen, Vater zu sein", sagt ihm sein Psychologe. Aber genau dazu ist er nicht wirklich in der Lage. Jahre später leidet seine Tochter (Amanda Seyfried) unter den Konsequenzen. Sie führt ein haltloses Leben und stürzt sich in eine Affäre nach der anderen. Sie ist Psychologin geworden, kann anderen helfen, nur sich selbst nicht.

Der Film "Väter und Töchter" von Gabriele Muccino hat viele Schwächen, allen voran die langweilige Moralisierung der töchterlichen Promiskuität, die in der Logik des Films nur deswegen mit vielen Männer schläft, weil sie nicht klarkommt. Interessant ist aber, wie die Geschichte zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechselt, um eine fundamentale Trennung zwischen Vater und Tochter hervorzuheben. Was deutlich macht, wie das Kino ein neues Verhältnis zum Figurentypus des Patriarchen entwickelt hat.

Früher rebellierte James Dean gegen autoritäre Patriarchen, jetzt sind die Filmväter schwach

Früher rebellierten wilde Söhne wie James Dean gegen autoritäre Väter. Jetzt ist es aber so, dass eine nicht minder wilde Tochter wie Amanda Seyfried sich mit einem ganz anderen Trauma herumschlagen muss: Ihr Vater ist schwach. Früher war zu viel Papa, heute zu wenig.

Nun ist der Russell-Crowe-Vater ein Schriftsteller. Nach schwerem Misserfolg schreibt er mit "Väter und Töchter" einen sehr erfolgreichen Roman über und für sich und das Kind. Aber das heißt eben auch, dass das einzige Verhältnis zwischen ihnen nur noch durch Literatur, also durch Kunst Bestand hat.

Diese durch Kunst hergestellte Beziehung zwischen Vater und Tochter ist im Kino gerade ein Trend. Ein weiteres Beispiel wäre der kürzlich in Deutschland gestartete "God of Happiness" von Dito Tsintsadze - ein viel besserer Film als der von Muccino. Hier erfährt ein gescheiterter Schauspieler, der sich für einen großen Regisseur hält, dass seine Tochter aus Kanada zu Besuch kommt, wo sie bei seiner geschiedenen Frau lebt. Seit zehn Jahren hatten sie keinen Kontakt mehr. Nachdem der Loser sich nie um seine Tochter gekümmert hat und er ein erbärmliches Dasein fristet, mietet er nun ein schickes Haus und spielt ihr mit Freunden eine heile und reiche Familie vor.

Auch hier ist es nur noch die Kunst, welche die Familie zusammenhält. Außerdem verdingt sich der Vater nebenher noch als Zuhälter im Sadomaso-Sektor, von dem er wie von einem neuen, allgemein populär gewordenen Lebensstil spricht, den er nun unter die Leute bringt. Nicht nur ist die Familie ein Schauspiel geworden, sondern gar eine Art streng codiertes Rollenspiel aus Beherrschung und Unterwerfung: eine Farce.

Auch die kürzlich in Cannes gefeierte Komödie "Toni Erdmann", die am 14. Juli ins Kino kommt, ist so eine Farce, in der ein Vater in verschiedensten Rollen und Verkleidungen seine Tochter beim Consulting-Job begleitet. Und so scheint auch das Kino momentan mit dem Vater-Tochter-Thema eine Welt zu begleiten, in welcher die Familie zur Farce wird, ebenso wie das allgemein Familiäre, Verlässliche, Vernünftige. Denn die älteren Generationen sind abwesend, schwach oder einfach nur albern - und mutieren selbst zu verantwortungslosen Kindern. Ein Konflikt zwischen Alt und Jung wie beim Brexit.

Was ist nun die Rolle der Töchter in dieser Situation? Im schlechtesten Fall sind sie einfach die Leidenden wie Amanda Seyfried in "Väter und Söhne". Im besten Fall aber sind sie amüsierte Zuschauerinnen der Farce ihrer Väter wie in "God of Happiness". Dort durchschaut die Tochter irgendwann die Komödie und schaut sie sich trotzdem geduldig an. Über die einstige Rebellion der Söhne ist sie ebenso erhaben wie über die Familienshow des Vaters. Sie zeigt einen besseren Weg: lachen.

Die Mütter spielen hingegen keine Rolle. Dafür sorgt in "Väter und Söhne" Diane Kruger: Schon der Gedanke, sich von ihr bemuttern zu lassen, führt zu Schüttelfrost.

Fathers and Daughters, USA 2015 - Regie: Gabriele Muccino. Buch: Brad Desch. Kamera: Shane Hurblut. Mit: Russell Crowe, Amanda Seyfried, Aaron Paul, Diane Kruger. Spot On, 115 Minuten.

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