Drama:Königskinder

Regisseur Eran Riklis erzählt in seinem Spielfilm "Mein Herz tanzt" von der Liebe zwischen einem arabischen Israeli und einer Jüdin, Eyad und Naomi. Am berührendsten ist dabei Eyads Suche nach Identität.

Von Mounia Meiborg

Es ist natürlich ein Statement, wenn ein israelischer Regisseur seinen Film mit dem palästinensischen Nationalheiligen beginnt. "Identität ist unsere Erfindung", heißt es bei Mahmoud Darwisch. Eran Riklis stellt das Zitat seinem Film "Mein Herz tanzt" voran. Und erzählt in den folgenden 100 Minuten das Gegenteil: dass man seine Herkunft nicht hinter sich lassen kann. Jedenfalls nicht, wenn man als Araber in Israel lebt.

Riklis hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder drängende Gesellschaftsthemen vorgenommen, die auf den internationalen Filmfestivals oft besser ankommen als in Israel. In seinem Film "Die syrische Braut" erzählte er im Jahr 2004 von der Gemeinschaft der Drusen, die in Israel und Syrien leben, getrennt durch eine unüberwindbare Grenze. In "Lemon Tree" ließ er zwei Nachbarn um einen Zitronenhain streiten. Nun widmet Riklis sich der arabischen Minderheit in Israel. 20 Prozent der Israelis sind Araber.

Eyad (Tawfeek Barhom) wächst in den Achtzigerjahren in einer arabischen Kleinstadt in Israel auf. Viel Unterhaltung gibt es nicht, der lokale Fernsehsender versucht mehr schlecht als recht, große israelische Quiz-Shows zu imitieren. Zu Hause hört Eyad palästinensische Heldengeschichten. In der Schule singt er hebräische Friedenslieder. Mit großer Leichtigkeit und einem Gespür für skurrile Szenen erzählt Riklis von dieser doppelten Identität: wenn Eyad in der Schule etwa nach dem Beruf seines Vaters gefragt wird und er mit engelsgleicher Miene "Terrorist" antwortet; wenn der wohlmeinende amerikanische Entwicklungshelfer nicht versteht, dass sogar der Lehrer sich über ihn lustig macht; oder wenn Eyad mit einem jüdischen Freund Scharon und Arafat spielen will: "Du darfst auch Scharon sein!"

Eyad ist begabt. Als Teenager wird er an einer Eliteschule in Jerusalem angenommen und zieht ins Internat. Dort ist er der einzige Araber. Er passt sich an, hört hebräische Rockmusik und liest Shai Agnon. Und er lernt Naomi (Danielle Kitzis) kennen, die ihm beibringt, wie man das "P" ausspricht - was Eyad mit rührendem Ehrgeiz vor dem Spiegel übt. Wie die beiden sich näherkommen, wird leider nicht erzählt. Immer wieder gibt es Zeitsprünge. Plötzlich sind sie ein Paar. Sie treffen sich heimlich, im Theater-Probenraum der Schule. Die Dialoge sind in der deutschen Übersetzung manchmal etwas pathetisch geraten: "Glaubst du", sagt sie, "ich würde nicht auch gern der ganzen Welt zeigen, dass ich dich liebe?" Dabei ist Riklis eigentlich ein unaufgeregter Erzähler.

Mehr als die Liebesgeschichte berührt Eyads Identitätssuche, wie er unter verschärften Bedingungen erwachsen werden muss. Er entfernt sich von seiner Familie. Einmal, als er zu Besuch kommt, jubeln sie gerade Saddam Hussein zu, der während des Zweiten Golfkriegs Tel Aviv bombardiert. Eyad wird zu einem Heimatlosen. Tawfeek Barhom spielt das wunderbar reduziert. Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen, das Gesicht reglos, als würden alle Vorurteile und Beschimpfungen daran abprallen.

Was als harmlose Coming-of-Age-Story beginnt, wird so zur traurigen Abrechnung mit einer rassistischen Gesellschaft. Die Geschichte endet 1992 - würde sie heute anders verlaufen? Der Film basiert auf Sayed Kashuas teilweise autobiografischem Roman "Dancing Arabs". Kashua hat den Israelis in Kolumnen jahrzehntelang humorvoll die palästinensische Perspektive erklärt, hat immer wieder die Benachteiligung arabischer Israelis angeprangert. Im vergangenen Jahr hat er eine Lösung gefunden: Er ist ausgewandert.

Dancing Arabs, Israel/D/F 2014 - Regie: Eran Riklis. Buch: Sayed Kashua, basierend auf seinem Roman. Kamera: Michael Wiesweg. Mit Tawfeek Barhom, Michael Moshonov, Danielle Kitzis, Yael Abecassis, Ali Suliman. UCM, 105 Min.

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