Dokumente verlorener Liebe:Dem Auto des Ex stellt sich ein wütender Zwerg entgegen

Was bleibt von einer Beziehung? Mitunter nur ein Gegenstand. Mal ist es ein lädierter Gartenzwerg, mal ein herziges Plüschbärchen - mal eine Axt.

Von Charlotte Theile

1 / 6

Wut-Zwerg

-

Quelle: Clive Brunskill

20 Jahre Ehe gehen zu Ende. Es ist der Tag der Scheidung. Die Sätze, welche die Frau später darüber schreibt, sind kurz und präzise. "Er kam in einem neuen Auto. Arrogant und herzlos." Und diesem fahrbaren Ungetüm stellte sich ein Zwerg entgegen. Ein wütender Zwerg, wie sie schreibt. Sie muss es wissen. Der Zwerg steht damals am Tor. Er hindert es daran, zuzuschlagen. Natürlich gibt es auch eine Geschichte zu diesem Tor. Der Mann im Auto hatte es "vor einiger Zeit beschädigt", und jetzt beschädigt er auch das Männlein aus Porzellan. In hohem Bogen fliegt der Zwerg in Richtung Windschutzscheibe, prallt ab, landet auf dem Asphalt und schlägt sich die Nase auf. Und am Tag der Scheidung kann man wohl nicht anders, man muss so ein Malheur symbolhaft deuten: "Es war eine lange Flugbahn, die den Bogen der Zeit zeichnete - dieser kurze lange Bogen markierte das Ende der Liebe."

2 / 6

Puppen-Hand

-

Quelle: Clive Brunskill

Was bleibt von einer Beziehung? Mitunter nur ein Gegenstand und ein paar dürre Fakten. Nehmen wir diese Puppenhände. Wie lange war das Paar, dem sie einst etwas bedeutet haben, zusammen, bevor es sich trennte? Antwort: Fünf Jahre. Wo? In Berlin. Der Rest? Bleibt ungewiss. Zu welchem Körper haben diese Hände mal gehört? Wie haben sie in diese Beziehung gepasst, die einer der früheren Partner ein "Hass-Liebe-Verhältnis" nennt? Was der Besucher der Ausstellung in Basel weiß, ist nur das wenige, was der Besitzer des jeweiligen Objekts ihm schriftlich mitteilt. In diesem Fall erfährt man von jener Nacht, als er das Zimmer verließ, in dem sich der ehemals geliebte Mensch befand. Dann die Rückkehr am nächsten Morgen - und der Blick in das nun verwüstete Zimmer. Auf dem Boden die Puppe. Beziehungsweise das, was von ihr übrig war. Sie "hatte keine Wahl, als dies zu ertragen" schreibt ihr Besitzer.

3 / 6

Ex-Axt

-

Quelle: Clive Brunskill

Es ist 1995, ein Berliner Kaufhaus verkauft eine Axt, stark genug, um Möbel zu zerlegen. Die Möbel einer ersten gemeinsamen Wohnung - des ersten Versuchs also, jemanden auch räumlich nah an sich heranzulassen. Einige Monate, nachdem alles begonnen hat, steht eine Reise nach Amerika an. Gar nicht so lang, drei Wochen. "Sie beteuerte, dass sie drei Wochen ohne mich nicht überleben wird", erfährt der Ausstellungsbesucher. Doch es kommt anders. Nach der Rückkehr erklärt die Frau, sie habe sich unsterblich verliebt, in jemanden, den sie seit vier Tagen kenne. Ein Jemand, der "alles geben kann, das du nicht kannst." Schon bald steht Urlaub mit der neuen Liebe an; die alten Möbel stehen noch in der Wohnung. Vierzehn Tage dauern die Liebesferien. Jeden Tag bearbeitet der Ex mit der Axt eines ihrer Möbelstücke. Die Reste, schreibt er, habe er ihr hinterlassen, "ordentlich aufgereiht in kleine Häufchen".

4 / 6

Chemie-Puzzle

-

Quelle: Imago

"Ein paar Jahre" sei man in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana zusammen gewesen. Das teilen die ehemaligen Besitzer dieses seltsamen Exponats lapidar mit. Dann folgt eine kurze Beschreibung: Es handle sich um ein molekulares Wesen, ein Tierchen, das aus "verschiedenen Objekten" zusammengesetzt sei. "Ein chemisches Puzzle mit aufgeklebten Augen". Viel mehr gibt es zu diesem Gegenstand und vermutlich auch zu dieser Liebe nicht zu sagen. Ach ja: Ein Stück Papier sei daran befestigt, auf dem der Name des Menschen aufgeschrieben sei, der es produziert hat. Wie er heißt? Ein Kommilitone aus dem Chemie-Seminar? Nichts davon ist noch wichtig genug, um erwähnt zu werden. Der Besitzer dieses Tierchens ist offenkundig jemand, der sich an das alte Sprichwort hält: "Wenn du nichts Nettes mehr zu sagen hast, sage am besten nichts." Für Ex-Freunde und Ex-Freundinnen gilt das auf jeden Fall.

5 / 6

Liebes-Teddy

-

Quelle: Imago

Wer Teddybären wie diesen herstellt - süß, kuschelweich und mit einer Romantik-Phrase bedruckt - der ahnt vermutlich, was er anrichtet. "WAS FÜR EINE LÜGE, VERDAMMTE LÜGE!" schreibt die Besitzerin dieses Exemplars einige Jahre später. Die Großbuchstaben zeugen von einer nach wie vor wirksamen Kränkung. Der Schriftzug auf dem Bärenherzen sagt: "Ich liebe dich." Verdammte Lüge. Aber "Ich möchte dir irgendwas Süßes geben, damit du mit mir ins Bett gehst" druckt eben niemand auf ein Kuscheltier. Im Jahr 2002, es war auch noch ein Valentinstag, war die Teddy-Besitzerin "jung, naiv und verliebt". Als sie wenig später verlassen, wütend und traurig ist, landet der Bär in eine Tüte und fristet anschließend viele dunkle Jahre auf einem Schrank in Zagreb. Weggeworfen wird er aber nie. "Es war nicht er, der mir weh getan hat, sondern der Idiot, von dem ich ihn habe."

6 / 6

Kerzen-Paar

-

Quelle: Clive Brunskill

Im Gästebuch schreiben viele Besucher, die Ausstellung müsste nicht "Museum der zerbrochenen Beziehungen", sondern "Museum der gebrochenen Herzen" heißen. So viele traurige Geschichten, für die Betroffenen so schlimm, dass sie weder essen, schlafen, geschweige denn vor die Tür gehen konnten. Geschichten von Menschen, die alles verbrannt haben, was sie besaßen. Von unglücklich Liebenden, die ihre eigene Küche nach der Trennung nicht mehr betreten haben. Wie schön leicht sind dagegen die Sätze, die der Besitzer dieser beiden ineinander geschlungenen Kerzen geschrieben hat: "Ein Geschenk meiner Ex-Freundin als Zeichen unserer Liebe und Verbundenheit. Einige Wochen später erfolgte die Trennung. Etwas Gutes hat das Kerzenpaar allerdings: Ist man Single, kann man das Paar auseinandernehmen." Eine kurze Liebe, sechs Monate. Und, zumindest dieses Mal, kein gebrochenes Herz.

© SZ vom 19./20. Juni 2015/jobr
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: