Dokumentarfilm:Leben im Elektroschrott

Der Dokumentarfilm "Welcome to Sodom" erzählt von den Müllbergen aus europäischen Smartphones, die sich in Ghana stapeln - und wie die Bewohner mit dem Abfall ihren Lebensunterhalt verdienen.

Von Kim Maurus

Vor ein paar Wochen kam die Animationskomödie "Isle of Dogs" in die Kinos, in der Hunde auf eine Müllinsel verbannt werden. Der Abfall ist ihre Nahrungsgrundlage. In der Realität kaum vorstellbar? Leider doch.

Riesige Mülldeponien gibt es natürlich wirklich, mit dem traurigen Unterschied, dass in diesen Slums keine Fantasiehunde, sondern echte Menschen hausen. Der Abfall ist ihre Lebensgrundlage. Der Dokumentarfilm "Welcome to Sodom", der beim Filmfest Premiere feiert, führt nach Ghana in die Hauptstadt Accra. Der Stadtteil Agbogbloshie ist heute die größte Elektroschrotthalde der Welt. 6000 Menschen wohnen an diesem Ort, an dem alte Handys, Computer und Telefonkabel eine letzte Verwertung finden. Die Menschen leben auf dem Müll, weil der illegale Handel mit den Geräten ihre einzige Überlebensstrategie ist. Sie nennen ihr Zuhause "Sodom", in Anlehnung an die biblische Geschichte der Städte Sodom und Gomorrha, die Gott mit Schwefel und Feuer dem Erdboden gleichmachte. Im ghanaischen Sodom lodern die Flammen, wenn Nester aus Elektrokabeln verbrannt werden, um an das wertvolle Metall heranzukommen.

"Welcome to Sodom"

"Welcome to Sodom" Filmstills aus der Dokumentation "Welcome to Sodom" (Premiere auf dem Filmfest München am 3.7.18); © Camino Filmverleih (auch online).

(Foto: Camino Filmverleih)

Man wünscht sich bald, das hier porträtierte Leben der Menschen wäre nur der Feder eines Drehbuchautors entsprungen. Und tatsächlich hat die Dokumentation von Florian Weigensamer und Christian Krönes fast fiktionale Züge. Die Bewohner selbst sprechen den Off-Kommentar, während sie stumm ihrer Tätigkeit nachgehen, ohne in die Kamera zu blicken. Wenn sie miteinander diskutieren, über Preise für die neu eingetroffenen PCs oder das gesammelte Metall, dann tun sie das so unbeirrt, als wäre gar keine Kamera dabei. Oft hört und sieht man nur ihr geräuschvolles Werkeln, zwischen ausgehöhlten hellgrauen Röhrenbildschirmen, Bergen an aufgerissenen Plastiktüten und dem giftigen dunklen Rauch der brennenden Kabel.

Ein kleiner Junge, der Drähte aus einer Steckdosenleiste zieht. Ein Mädchen, das sich als Junge verkleidet, um Metall sammeln zu dürfen, das mehr Geld als der Wasserverkauf der Frauen einbringt. Ein Jugendlicher, der sich in der aufgestellten Schnauze eines Trucks mit Wasser und Seife wäscht. Ein ehemaliger Student, der wegen seiner Homosexualität um sein Leben fürchtet und sich in Sodom versteckt, im "Niemandsland", wie er es nennt.

So fremd diese Szenen auf westliche Zuschauer wirken, so realitätsfern muss auch für Sodoms Bewohner die Welt aussehen, durch deren elektronische Hinterlassenschaften sie jeden Tag waten. Zwei junge Männer scrollen durch die Bilder eines noch funktionstüchtigen Smartphones, sie lachen. "Die weißen Männer lassen es sich gut gehen, da sitzen sie", sagt der eine. "So viele Leute, sie essen", sagt der andere. Es wird weiter gescrollt: "Guck, sie genießen den Strand."

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